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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des H C in Wien, geboren am 19. Februar 1956, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. Juni 2001, Zl. SD 946/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes,
1. zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird im Umfang ihres Hauptantrages als unbegründet abgewiesen;
2. den Beschluss gefasst:
Der in der Beschwerde gestellte Eventualantrag, der Verwaltungsgerichtshof möge "die Dauer des Aufenthaltsverbotes verkürzen", wird zurückgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. Juni 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit 22. Dezember 1991 im Bundesgebiet. Er habe einen Asylantrag gestellt, der mit rechtskräftigem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. April 2001 abgewiesen worden sei. Erstmals sei dem Beschwerdeführer am 27. September 1995 ein Aufenthaltstitel erteilt worden. Ein diesbezüglicher Verlängerungsantrag sei derzeit anhängig.
Am 3. Oktober 2000 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Schlepperei nach § 104 Abs. 1 FrG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten, davon sieben Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe gemeinsam mit einem Mitbeschuldigten am 30. August 2000 zwölf rumänische Staatsangehörige gegen Leistung eines nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteiles von je 500 DM ins Bundesgebiet geschleppt. Auf Grund dessen seien die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 FrG verwirklicht. Erschwerend trete hinzu, dass der Beschwerdeführer am 31. August 1992 und am 22. Juni 1993 jeweils wegen vorsätzlicher Körperverletzung rechtskräftig verurteilt worden sei. Mit Strafverfügung vom 6. August 1996 sei der Beschwerdeführer wegen Ausübung des Gastgewerbes ohne Gewerbeberechtigung bestraft worden. Mit Straferkenntnis vom 22. November 1996 sei er wegen unrechtmäßiger Beschäftigung eines Ausländers rechtskräftig bestraft worden. Weitere Straferkenntnisse wegen gleichartiger Delikte seien am 17. April 1999 und am 23. November 1999 in Rechtskraft erwachsen.
Auch wenn diese Verurteilungen bzw. Bestrafungen teilweise bereits getilgt seien, seien sie bei der Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer sei verheiratet und nach der Aktenlage für zwei Kinder sorgepflichtig. Er lebe mit seiner Familie im gemeinsamen Haushalt. Das Aufenthaltsverbot sei daher mit einem Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere der Schlepperkriminalität, Schutz der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. An der Bekämpfung des Schlepperunwesens bestehe ein besonders großes öffentliches Interesse. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Eine positive Verhaltensprognose könne für den Beschwerdeführer angesichts des dargestellten gesamten Fehlverhaltens und der daraus ableitbaren offensichtlichen Geringschätzung maßgeblicher Rechtsvorschriften nicht gestellt werden.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration Bedacht zu nehmen gewesen. Die einer jeglichen Integration zu Grunde liegende soziale Komponente werde durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers entsprechend gemindert. Beruflich sei der Beschwerdeführer nicht integriert, habe er doch noch in der Stellungnahme vom 2. November 2000 angegeben, vom Einkommen seiner Ehegattin zu leben. Die Familienangehörigen des Beschwerdeführers seien ebenso wie dieser erst seit September 1995 rechtmäßig niedergelassen. Der davor liegende Aufenthalt habe sich nur auf Asylanträge gestützt, die sich als unberechtigt erwiesen hätten. Insgesamt seien die dem Beschwerdeführer zuzusprechenden persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet zwar keinesfalls gering, jedoch auch nicht besonders ausgeprägt. Dem stehe das im dargestellten Fehlverhalten begründete hohe öffentliche Interesse am Verlassen des Bundesgebietes durch den Beschwerdeführer gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Den Kontakt zu seinen Familienangehörigen könne der Beschwerdeführer - obgleich eingeschränkt - vom Ausland aus aufrecht erhalten. Ebenso könne er allfälligen Sorgepflichten auch vom Ausland aus nachkommen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren, ihn aufzuheben "bzw. die Dauer des Aufenthaltsverbotes (zu) verkürzen".
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe durch die von ihm begangene Schlepperei und die deswegen erfolgte Verurteilung die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 FrG verwirklicht, unbekämpft. Auf Grund des unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltes besteht gegen diese Beurteilung kein Einwand.
1.2. Schon im Hinblick auf das besonders große öffentliche Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0232) ist auch die - ebenfalls nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, es sei im Beschwerdefall die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig zu erkennen.
2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die Aufenthaltsdauer sowie die Haushaltsgemeinschaft mit der Gattin und den beiden Kindern zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt. Unstrittig geht der Beschwerdeführer im Inland keiner Beschäftigung nach und ist daher beruflich nicht integriert. Seine persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet sind dennoch sehr beachtlich.
Soweit der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel rügt, die belangte Behörde habe seine persönlichen Verhältnisse "zuwenig untersucht", tut er die Relevanz nicht dar, bringt er doch nicht vor, welche zusätzlichen Umstände aus dem Bereich seiner persönlichen Verhältnisse die belangte Behörde festzustellen gehabt hätte.
Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er zwölf Personen gegen Entgelt in das österreichische Bundesgebiet geschleppt hat. Dabei handelt es sich um eine aus fremdenrechtlicher Sicht besonders schwerwiegende Straftat. Soweit er ins Treffen führt, dass das Gericht nur eine zum Teil bedingt nachgesehene, zehnmonatige Freiheitsstrafe verhängt habe, ist ihm zu entgegnen, dass die belangte Behörde das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die Strafbemessung und die Gewährung bedingter Strafnachsicht zu beurteilen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1998, Zl. 98/18/0287).
Mit seinem in keiner Weise konkretisierten Vorbringen, er habe bei der Straftat nur eine "untergeordnete Rolle" gespielt, gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels, die belangte Behörde habe die genauen Umstände der Straftat nicht erhoben, darzutun.
Nach den unbestrittenen Feststellungen wurde der Beschwerdeführer darüber hinaus nicht nur im August 1996 wegen unberechtigter Gewerbeausübung, sondern auch im November 1996 sowie im April und November 1999 jeweils wegen Beschäftigung eines Ausländers entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft. Er hat somit dreimal unberechtigt einen Ausländer beschäftigt, wobei er sich von diesem Fehlverhalten trotz einschlägiger Bestrafungen nicht hat abhalten lassen. Sein Aufenthalt stellt daher jedenfalls auch eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" dar. Da die erste Bestrafung des Beschwerdeführers im August 1996 erfolgte, somit im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht fünf Jahre zurücklag, sind die festgestellten Verwaltungsstrafen des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 VStG noch nicht getilgt.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Verhängung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens und des Arbeitsmarktes)) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), selbst dann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn man die beiden vorsätzlichen Körperverletzungen, derentwegen der Beschwerdeführer im August 1992 und im Juni 1993 rechtskräftig verurteilt worden ist, wegen des seither verstrichenen Zeitraumes nicht mehr zu Lasten des Beschwerdeführers berücksichtigt. Hinzugefügt sei jedoch, dass bei der nach § 36 Abs. 1 FrG gebotenen Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens und bei der ebenfalls auf das gesamte Fehlverhalten des Fremden abstellenden Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. auch jene strafbaren Handlungen zu berücksichtigen sind, bei denen die deswegen erfolgte Verurteilung bereits getilgt ist (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur zu § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992, welche auch hier maßgeblich ist, etwa das Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0374).
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er könne seinen Sorgepflichten vom Ausland aus nicht nachkommen, ist ihm zunächst zu entgegnen, dass er nach den unbestrittenen Feststellungen in Österreich über kein Einkommen verfügt und daher auch derzeit keinen finanziellen Beitrag zum Unterhalt seiner Familie leisten kann. Im Übrigen muss die mit dem Aufenthaltsverbot - für den Fall, dass der Beschwerdeführer nicht von seinen Angehörigen ins Ausland begleitet wird - verbundene Beeinträchtigung des Familienlebens im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden.
3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde im Umfang ihres Hauptbegehrens gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
4. Das in der Beschwerde gestellte Eventualbegehren, der Verwaltungsgerichtshof möge "die Dauer des Aufenthaltsverbotes verkürzen", ist einer meritorischen Erledigung nicht zugänglich, weil dem Verwaltungsgerichtshof im Rahmen einer Bescheidbeschwerde lediglich die Stellung eines Kassationsgerichts zukommt. Im Umfang dieses Begehrens war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. 2001/18/0099).
Wien, am 11. Oktober 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001180155.X00Im RIS seit
24.01.2002