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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des am 15. Mai 1984 geborenen A in A, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. Juni 2001, Zl. 222.377/0-IV/10/01, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste am 14. Dezember 2000 nach Österreich ein und stellte am 15. Dezember 2000 einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme am 21. März 2001 gab er an, ihm drohe in Afghanistan die Verfolgung durch den Geheimdienst der Taliban. Zwei Angehörige des Geheimdienstes hätten in dessen Auftrag den Cousin des Beschwerdeführers, welcher stellvertretender Kommandant eines Stützpunktes der Hezb-e Etehat Eslami gewesen sei, bei einem Nahrungsmitteltransport überfallen und getötet. Der Bruder des Beschwerdeführers, der Kommandant des erwähnten Stützpunktes sei und gemeinsam mit einem weiteren Bruder als Mitglieder der genannten Organisation im Norden Afghanistans gegen die Taliban kämpfe, habe die Verhaftung der Angreifer veranlasst, wobei einer in der Folge erhängt worden sei. Ein Bruder der beiden, ebenfalls ein Mitglied des Geheimdienstes, habe angeblich in weiterer Folge bei der "Bezirksgendarmerie" eine "offizielle Festnahme" des Beschwerdeführers bewirken wollen und würde versuchen, ihn umzubringen.
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 30. März 2001 den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan fest. Es ging im Wesentlichen davon aus, dass die Behauptungen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig seien.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer zusammenfassend das Vorbringen zu seinen Fluchtgründen. Dem tragenden Argument der Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid, dass der Beschwerdeführer ein konkretes Datum bezüglich der Machtübernahme der Taliban in Kabul nicht habe anführen können, obwohl er darauf bei seiner Vernehmung mehrmals Bezug genommen habe, trat die Berufung mit dem Einwand entgegen, dieser Vorhalt verliere an Gewicht, wenn man bedenke, dass der Beschwerdeführer damals ca. 12 Jahre alt gewesen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde übernahm in ihrer Entscheidung ausdrücklich die im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen (negativen) Sachverhaltsfeststellungen und die diesen zu Grunde liegende Beweiswürdigung. Sie ging somit wie die Erstbehörde davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu der ihm in Afghanistan drohenden Verfolgung nicht der Wahrheit entspreche. Der Beschwerdeführer hat die Richtigkeit dieser erstinstanzlichen Beweiswürdigung in der Berufung ausreichend konkret bestritten und mit seinen Ausführungen zu erkennen gegeben, bei einer (neuerlichen) Vernehmung die gegen seine Glaubwürdigkeit herangezogenen Bedenken entkräften zu können. Das wurde von der belangten Behörde verkannt, wenn sie davon ausging, in der "inhaltsleeren" Berufung werde das erstinstanzliche "Asylvorbringen" nur wiederholt. Vielmehr hätte die belangte Behörde auf Grund des Inhalts der Berufung nicht davon ausgehen dürfen, der Sachverhalt sei im Sinne des Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG "geklärt", und sie hätte daher nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308, und die daran anschließende Judikatur, beispielsweise etwa das Erkenntnis vom 22. April 1999, Zl. 99/20/0389) eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen müssen.
Im Übrigen ist die belangten Behörde, die auf Feststellungen der Behörde erster Instanz zur allgemeinen Lage in Afghanistan, die auf Grund neuester Dokumentationen getroffen worden seien, Bezug nimmt, darauf hinzuweisen, dass sich solche Feststellungen im Bescheid der Erstbehörde nicht finden.
Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung - deren Unterlassung auch in der Beschwerde zutreffend gerügt wird - zu einem anderen Verfahrensergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Oktober 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001200464.X00Im RIS seit
05.03.2002