TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/8 2001/21/0043

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Veröffentlicht am 08.11.2001
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E05204020;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs2;
EURallg;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §44;
FrG 1997 §48 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des A in St. Pölten, geboren am 4. August 1971, vertreten durch Dr. Karl Fischer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 31. Jänner 2001, Zl. Fr 2348/00, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein algerischer Staatsangehöriger, reiste am 4. Oktober 1997 illegal nach Österreich ein; sein Asylantrag wurde am 18. November 1997 rechtskräftig abgewiesen. Eine Ausweisung erfolgte mit rechtskräftigem Bescheid vom 7. Oktober 1997. Mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 18. Dezember 1998 wurde er wegen der §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 130 erster Fall und 15 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt. Aus diesem Grund erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich mit Bescheid vom 22. September 1999 gegen den Beschwerdeführer ein auf § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, gegründetes, auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Sie wertete dabei auch die illegale Einreise des Beschwerdeführers, das Fehlen eines Reisedokuments und eine rechtskräftige Bestrafung nach § 107 Abs. 1 Z. 1 und 3 FrG.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde im Instanzenzug gemäß § 44 FrG den Antrag des Beschwerdeführers vom 11. August 2000 auf Aufhebung des genannten Aufenthaltsverbotes ab. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer zwar mittlerweile mit einer namentlich genannten deutschen Staatsangehörigen verheiratet sei und dies einen gewichtigen Grund für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet darstelle. Der Beschwerdeführer sei aber erst nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes in die privilegierte Stellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen gekommen und es seien die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, nicht weggefallen. Das Aufenthaltsverbot sei erst im Jahr 1999 erlassen worden; die durch das Verhalten des Beschwerdeführer verletzten gewichtigen Interessen der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit überwögen seine privaten Interessen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich die Behörde nach dieser Bestimmung mit der Frage auseinander zu setzen, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nach § 37 FrG zulässig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zl. 98/21/0438).

Der Beschwerdeführer ist nunmehr mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet. Er ist demnach begünstigter Drittstaatsangehöriger nach § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG, weshalb die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nach § 48 Abs. 1 FrG zu prüfen ist. Ergänzend sind die Bestimmungen des § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG insofern von Bedeutung, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann. Nach Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 64/221/EWG - dessen Umsetzung § 48 Abs. 1 FrG dient - darf bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelperson ausschlaggebend sein. Nur bei Vorliegen einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, ist ein Aufenthaltsverbot nach § 48 Abs. 1 FrG zulässig. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2001, Zl. 99/21/0339.)

Der Beschwerdeführer wurde - wie dargestellt - zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Nach dem Akteninhalt bestand das strafbare Verhalten darin, dass er teils als Mittäter gewerbsmäßig Waren im Wert von S 9.280,-- und S 13.570,-- wegnahm bzw. wegzunehmen versucht hat. Angesichts eines solchen Verhaltens kann von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, noch nicht die Rede sein. Die Nichteinhaltung der für die Einreise, den Ortswechsel und den Aufenthalt eines begünstigten Drittstaatsangehörigen geltenden Vorschriften stellt kein die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdendes Verhalten dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 99/18/0399). Unter Bedachtnahme auf § 48 Abs. 1 FrG erweist sich somit die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes als rechtswidrig. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde steht der Bedachtnahme auf § 48 Abs. 1 FrG und die einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen der Umstand nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer erst nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes durch die Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen in die Stellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen gelangt ist. § 44 FrG bietet im Gegenteil die Handhabe, nachfolgende wesentliche Änderungen der Sachlage zu berücksichtigen. Im gegebenen Zusammenhang kommt der Dauer des seit dem Fehlverhalten und der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verstrichenen Zeitraumes keine Bedeutung zu.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001210043.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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