TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/27 98/18/0289

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.11.2001
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §13a;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde der M R in Wien, geboren am 16. Oktober 1963, vertreten durch Dr. Peter Lambert, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Laurenzerberg 2, als beigegebenen Verfahrenshelfer, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. April 1998, Zl. SD 275/98, betreffend Feststellung gemäß § 75 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. April 1998 wurde gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass die Beschwerdeführerin - eine rumänische Staatsangehörige - in Rumänien gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Unter Verweis auf die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin im November 1991 nach Österreich gekommen sei und um Asyl angesucht habe. Sie hätte sich deshalb zur Flucht entschlossen, weil ihr Gatte im Juni 1990 nach Österreich geflohen wäre und sie wieder mit ihm hätte zusammenleben wollen. Außerdem hätte sie nicht mehr länger von der Polizei schikaniert werden wollen. Nach der Flucht ihres Gatten wäre sie mehrmals von der Polizei aufgesucht und vorgeladen worden. Mehrere Hausdurchsuchungen wären mit der Begründung erfolgt, dass ihrem Mann regierungsfeindliche Tätigkeit vorgeworfen worden wäre. Im März 1991 hätte die Beschwerdeführerin ihren Arbeitsplatz verloren. Bei einer Rückkehr nach Rumänien würde ihr das Leben schwer gemacht werden und sie wäre Schikanen der Behörden ausgesetzt. Der darauf gegründete Asylantrag sei - rechtskräftig - abgewiesen worden. Ein im Jahr 1993 neuerlich aus im wesentlichen gleichartigen Gründen eingebrachter Asylantrag sei ebenfalls rechtskräftig abgewiesen worden.

Im Jahr 1994 sei gegen die Beschwerdeführerin, mittlerweile mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet, ein Aufenthaltsverbot erlassen worden, weil sie gemeinsam mit ihrem ehemaligen, aus Rumänien geflohenen Ehegatten Einbruchsdiebstähle verübt habe und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden sei.

Während des Verfahrens zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes habe die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Feststellungsantrag erhoben. Sie vermute für den Fall der Rückkehr nach Rumänien Repressalien der rumänischen Behörden gegen sich und ihre Kinder. Hiezu bemerke die belangte Behörde, dass zum damaligen Zeitpunkt beide Kinder der Beschwerdeführerin in Rumänien gewesen seien. Der ehemalige Gatte der Beschwerdeführerin wäre - wie sie nun ausführe - am 2. November 1990 geflüchtet, nachdem er tags zuvor im Zug eines Festnahmeversuches auf Grund eines Haftbefehles von einem Polizisten angeschossen worden wäre. Die Beschwerdeführerin wäre in Brasov geblieben und hätte den Polizisten angezeigt, weshalb sie in der Folge regelmäßig von der Polizei aufgesucht und zur Polizei zitiert worden und wiederholt nach dem Aufenthalt ihres Gatten gefragt worden wäre. Die Erstbehörde sei auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin, insbesondere ihrer ersten Angaben im ersten Asylantrag, zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich daraus in keiner Weise ableiten lasse, dass ihre Freiheit oder ihr Leben in Rumänien aus asylrechtlich relevanten Gründen bedroht wäre oder dass sie Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden.

Auch in der Berufung habe die Beschwerdeführerin bloß darauf hinzuwiesen vermocht, dass sie durch Vorladungen, Ermittlungen, Nachforschungen nach ihrem Ehegatten und Telefonüberwachungen schikaniert worden wäre. Unter Bedachtnahme auf ihre ursprünglichen Angaben über ihre Gründe für das Verlassen ihrer Heimat gelange die belangte Behörde zur Überzeugung, dass keine stichhaltigen Gründe für eine konkrete und aktuelle Bedrohung der Beschwerdeführerin im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG vorlägen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde beantragte unter Vorlage der Verwaltungsakten in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch im Verfahren nach § 75 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Fremden in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der im § 57 Abs. 1 umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0080, mwN.)

2. Die Beschwerde bringt vor, dass es sowohl die erstinstanzliche als auch die belangte Behörde unterlassen hätte, ihr die notwendigen Anleitungen zur Vornahme von Verfahrenshandlungen angedeihen zu lassen. Dadurch, dass ihre Kenntnisse der deutschen Sprache keinesfalls ausreichend seien, hätte sie der Manuduktion gemäß § 13a AVG bedurft, um ihr Recht auf Gehör wahrnehmen zu können. Da man sie bei ihren bisherigen Einvernahmen nie zu den näheren Umständen der behördlichen Schikane befragt habe, habe die Beschwerdeführerin angenommen, die Gründe ihrer Flucht hinreichend dargelegt zu haben. Der maßgebliche Sachverhalt sei mangels weiterer Befragung, wenn auch unter Beiziehung eines Dolmetschers, unzureichend festgestellt worden. Unter eingehender Befragung hätte die Beschwerdeführerin alle notwendigen Angaben gemacht; auf Grund eines derart ermittelten Sachverhaltes wäre auch inhaltlich eine andere Entscheidung ergangen.

Weiters wendet sich die Beschwerde - unter ausführlicher Schilderung der Bedrohungssituation - dagegen, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung einerseits auf die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien, andererseits auf eigene ergänzende Feststellungen stütze. Dabei zitiere die erstinstanzliche Behörde lediglich den Gesetzestext, ohne tatsächlich ihre Entscheidung zu begründen. Sie führe in erster Linie aus, dass aus dem Antrag der Beschwerdeführerin "in keinster Weise" hervorgehe, dass sie im Fall einer Rückkehr nach Rumänien einer unmenschlichen Behandlung oder der Todesstrafe unterworfen oder ihre Freiheit oder ihr Leben aus bestimmten, im Gesetz genannten Gründen bedroht wäre. Sollte die Beschwerdeführerin nach Rumänien zurückkehren, sei ernstlich zu befürchten, dass sie weiterhin unmenschlich und grausam behandelt werden würde. Dies werde durch das bisherige Verhalten der rumänischen Behörden indiziert.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

3.1. So übergeht die Beschwerde die ausführliche Darstellung des Vorbringens der Beschwerdeführein im Asylverfahren und im Feststellungsverfahren nach § 75 FrG sowohl im erstinstanzlichen als auch - durch den Verweis - im angefochtenen Bescheid. Sprach die Behörde erster Instanz den Angaben die Tauglichkeit ab, die Gefahr einer Verfolgung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG darzutun, so teilte die belangte Behörde diese Beurteilung und würdigte ihrerseits das ergänzende Vorbringen in der Berufung dahingehend, dass unter Bedachtnahme auf die ursprünglichen Angaben die Überzeugung hergestellt sei, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung oder Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG vorlägen.

Ohne sich mit der Begründung der belangten Behörde näher auseinander zu setzen, versucht die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit dadurch aufzuzeigen, dass sie nunmehr detailliert Amtshandlungen rumänischer Behörden schildert. Eine Beachtung dieses Vorbringens ist dem Verwaltungsgerichtshof jedoch im Hinblick auf das Neuerungsverbot verwehrt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Dagegen lässt die - schon in der Berufung erhobene - Behauptung einer im Jahr 1994 in Wien von einem unbekannten rumänischen Staatsbürger ausgesprochenen Warnung vor weiteren politischen Aktivitäten völlig offen, ob und in welcher Weise diese von staatlichen rumänischen Stellen ausging.

Im Übrigen vermag die Beschwerdeführerin durch ihre weitwendigen Schilderungen nicht die von der belangten Behörde - durch den Verweis auf den Bescheid der Behörde erster Instanz - zum Ausdruck gebrachte Würdigung ihres im Administrativverfahren erstatteten Vorbringens als unschlüssig zu entkräften. Die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich zukommenden Überprüfungsbefugnis keinen Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Schließlich konkretisiert die Beschwerdeführerin nicht einmal im Zug ihrer nunmehrigen Ausführungen, welche weiteren Angaben sie bei eingehenderer Befragung hätte machen können, die geeignet gewesen wären, eine andere, für sie günstige Entscheidung herbeizuführen.

4. Da somit dem Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998180289.X00

Im RIS seit

12.03.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten