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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der M in I, geboren 1963, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 3. Dezember 2001, Zl. III 4033-115/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 3. Dezember 2001 wurde gegen die Beschwerdeführerin, laut den Beschwerdebehauptungen eine sudanesische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1, Abs. 2 Z. 7 iVm den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit 8. November 2006 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das die Beschwerdeführerin betreffende Asylverfahren rechtskräftig negativ beendet sei. So sei ihre gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. Dezember 1998 erhobene Berufung mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. März 2001 gemäß § 7 Asylgesetz (1997) abgewiesen und gleichzeitig gemäß § 8 leg. cit. iVm § 57 FrG festgestellt worden, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Sudan zulässig wäre. Der Berufungsbescheid sei ihr durch Hinterlegung beim Zustellpostamt in Wien (Beginn der Abholfrist am 21. März 2001) rechtswirksam zugestellt worden. Seither halte sie sich rechtswidrig, entgegen § 31 Abs. 1 FrG, im Bundesgebiet auf (Übertretung des § 107 Abs. 1 Z. 4 leg. cit.). Darüber hinaus sei sie mittellos im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 7 leg. cit., weil ihr Unterhalt seit April 2001 vom Sozialamt der Stadt Innsbruck bestritten werde. Ihr rechtswidriger Aufenthalt seit März 2001 und ihre Mittellosigkeit rechtfertigten die Annahme und die für sie negative "Zukunftsprognose", dass ihr (weiterer) Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG) und ihre Mittellosigkeit darüber hinaus das wirtschaftliche Wohl des Landes gefährde (§ 36 Abs. 1 Z. 2 leg. cit.). Der im § 36 Abs. 2 Z. 7 leg. cit. geregelte Ausnahmetatbestand komme der Beschwerdeführerin schon deshalb nicht zugute, weil sie - am 20. September 1998 - nicht rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme in das Bundesgebiet eingereist sei.
Ein relevanter Eingriff in ihr Privat- oder Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege vor. Dieser Eingriff mache das Aufenthaltsverbot gegen sie im Grund dieser Gesetzesbestimmung jedoch nicht unzulässig. Im Hinblick auf ihren rechtswidrigen Aufenthalt im Bundesgebiet seit März 2001 und ihre Mittellosigkeit sei diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Schutz der öffentlichen, fremdenpolizeirechtlichen Ordnung und des wirtschaftlichen Wohles des Landes) dringend geboten. Die Beschwerdeführerin habe sich von 1998 bis März 2001 behördlich erlaubt als Asylwerberin im Bundesgebiet aufgehalten. Seit 24. April 2001 sei sie, nachdem sie von Wien zugezogen sei, in Innsbruck polizeilich gemeldet, wo sie in einem gemeinsamen Haushalt mit einem nigerianischen Asylwerber lebe. Eine intensive private Integration der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet liege jedoch auf Grund der Kürze ihres Aufenthalts nicht vor. Im Bundesgebiet habe sie keine Familienangehörigen und sei auch beruflich nicht integriert. Ihre privaten oder familiären Interessen am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb diese Maßnahme auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei, habe doch der Schutz der öffentlichen Ordnung und des wirtschaftlichen Wohls des Landes ein großes öffentliches Gewicht.
Ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund im Sinn der §§ 38, 35 FrG komme nicht zum Tragen. Bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, sei das Verstreichen von fünf Jahren von Nöten.
Vor dem Hintergrund, dass sie sich nicht nur mittellos (Bezug von Sozialhilfe), sondern auch rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte, und im Hinblick darauf, dass keine, nicht bereits im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG berücksichtigten Umstände vorlägen, könne von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens gemäß § 36 Abs. 1 leg. cit. Abstand genommen werden.
Zum Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin werde darauf hingewiesen, dass die Fremdenpolizeibehörde keinen Grund habe, von der Beschwerdeführerin im Asylverfahren gestellte Beweisanträge, so zum Beweis ihrer Staatsangehörigkeit (ob Somalia oder Nigeria), im fremdenpolizeilichen Verfahren aufzunehmen. Angesichts ihres rechtswidrigen Aufenthalts seit dem rechtskräftigen negativen Abschluss des Asylverfahrens sei es auch nicht richtig, dass sie "bis auf ihre illegale Einreise" im Jahr 1998 kein Delikt begangen hätte. Sollte die Beschwerdeführerin, wie in ihrer Berufung behauptet, tatsächlich "bereits seit drei Jahren in Innsbruck leben", würde dies ein weiteres Delikt, nämlich eine Übertretung des Meldegesetzes, offenbaren, weil sie erst seit 24. April 2001 in Innsbruck polizeilich gemeldet sei. Bei ihrer Vernehmung am 24. Oktober 2001 habe sie allerdings angegeben, seit 24. April 2001 zusammen mit ihrem nigerianischen Freund in Innsbruck zu leben, wobei die belangte Behörde diesen Angaben Glauben schenke.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.
Gemäß Abs. 2 des § 36 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 7) den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.
1.2. Die Beschwerde bringt vor, dass die Beschwerdeführerin am 20. September 1998 nicht zur Arbeitsaufnahme, sondern im Hinblick auf ihre asylrelevante Verfolgung in ihrer Heimat in das Bundesgebiet eingereist sei, sie zwar arbeitswillig sei, ihr jedoch bisher der Zugang zum Arbeitsmarkt versagt geblieben sei, und gesteht als richtig zu, dass sie (derzeit) mittellos ist. Von daher begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG verwirklicht sei, keinen Bedenken.
Angesichts der nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Dezember 2001, Zl. 99/18/0182, mwN) aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultierenden Gefahr strafbarer Handlungen und einer finanziellen Belastung der Republik Österreich, wozu noch kommt, dass sich die Beschwerdeführerin - wie im angefochtenen Bescheid dargestellt und von der Beschwerde nicht in Abrede gestellt - seit der rechtskräftigen negativen Beendigung ihres Asylverfahrens im März 2001 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und aufhält, begegnet auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang vorbringt, dass die Beschwerdeführerin keine Delikte begangen habe, um ihre Situation in materieller Hinsicht zu verbessern, so verkennt sie, dass es für das Gerechtfertigtsein im Sinn der vorzitierten Gesetzesbestimmung nicht erforderlich ist, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich bereits strafbare Handlungen begangen hat.
2.1. Weiters bringt die Beschwerde vor, dass der Beschwerdeführerin Asyl nach Durchführung eines rechtswidrigen Asylverfahrens vorenthalten worden sei. Sie sei schwer traumatisiert, und es hätten ihre Angaben vor der Asylbehörde durch einen psychiatrischen Sachverständigen überprüft werden müssen; zumindest die belangte Behörde hätte einen solchen beiziehen müssen. Die Asylbehörden hätten ihr keinen Glauben geschenkt, weil sie durch eine anonyme Anzeige diffamiert worden sei, und sie hätten diese Anzeige erst nach einer Überprüfung des Wahrheitsgehaltes verwerten dürfen. Ferner seien die Sprachkenntnisse der Beschwerdeführerin nur durch einen nicht amtlichen Dolmetscher überprüft worden und habe die belangte Behörde kein Gutachten zur Frage eingeholt, ob jene tatsächlich Nubierin wäre. Bei einer solchen Beweisaufnahme wäre die belangte Behörde zu dem für die Beschwerdeführerin günstigen Ergebnis gelangt, dass diese tatsächlich aus dem Sudan stamme und dort einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei sowie ihr privates Interesse am weiteren Aufenthalt in Österreich das gegenläufige öffentliche Interesse überwiege. Auch wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, zur Frage der Integration der Beschwerdeführerin deren Lebensgefährten zu vernehmen. Bei Einholung dieses Beweises hätte sich ergeben, dass sie in Österreich seit nunmehr drei Jahren ein neues Zuhause gefunden habe und von ihrer Anwesenheit in Österreich nur eine geringe Gefahr auf das österreichische Gemeinwohl ausstrahle.
2.2. Dieses mit Blick auf § 37 FrG erstattete Vorbringen ist nicht zielführend.
Die belangte Behörde hat bei der Interessenabwägung im Sinn dieser Gesetzesbestimmung den inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit 20. September 1998 und ihr Zusammenleben mit einem nigerianischen Asylwerber in einem gemeinsamen Haushalt in Innsbruck berücksichtigt. Eine aus der Dauer dieses Aufenthalts ableitbare Integration der Beschwerdeführerin wird in ihrem Gewicht jedoch dadurch entscheidend gemindert, dass sie bis zum März 2001 lediglich auf Grund eines unberechtigten Asylantrages vorläufig zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war und dieser seither durchgehend unrechtmäßig ist. Auch unter Berücksichtigung ihrer Bindung zu dem nigerianischen Asylwerber, mit dem sie zusammenlebt, kommt ihren persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet kein allzu großes Gewicht zu.
Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht war im vorliegenden Verwaltungsverfahren nicht zu überprüfen, ob den Asylbehörden in dem durch Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. März 2001 rechtskräftig beendeten Asylverfahren Verfahrensmängel unterlaufen seien und ob der Beschwerdeführerin trotz dieses negativen Asylbescheides im Sudan asylrelevante Verfolgung drohe. Mit einem Aufenthaltsverbot wird nicht ausgesprochen, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde. Da es im vorliegenden Verfahren nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung ist, ob die Beschwerdeführerin aus dem Sudan stamme, ist auch die in der Beschwerde erhobene diesbezügliche Verfahrensrüge (Einholung eines Gutachtens) nicht zielführend.
Den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die von ihr ausgehende, mit ihrer Mittellosigkeit verbundene Gefährdung des öffentlichen Interesses (vgl. II. 1.2.) gegenüber. Eine weitere Beeinträchtigung öffentlicher Interessen liegt darin, dass sich die Beschwerdeführerin seit März 2001 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und Schutz des wirtschaftlichen Wohls des Landes) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig angesehen werden.
3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 24. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002180074.X00Im RIS seit
22.07.2002