TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/29 2000/03/0031

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Veröffentlicht am 29.04.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
92 Luftverkehr;

Norm

AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs3;
LuftfahrtG 1958 §92;
LuftfahrtG 1958 §93 Abs2;
LuftfahrtG 1958 §95;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde

1. der Dgesellschaft mbH , und 2. der Stadt D, beide vertreten durch Dr. Paul Sutterlütty, Dr. Wilhelm Klagian, Dr. Claus Brändle und Dr. Manfred Schnetzer, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Eisengasse 25, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 23. Dezember 1999, Zl. 53393/8-Z7/99, betreffend Kennzeichnungsmaßnahmen gemäß § 95 des Luftfahrtgesetzes,

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

Die Erstbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen;

2. zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1.1. Mit Bescheid vom 19. September 1996 erteilte der Landeshauptmann von Vorarlberg der Erstbeschwerdeführerin gemäß §§ 91, 92 und 93 des Luftfahrtgesetzes die luftfahrtbehördliche Ausnahmebewilligung zum Umbau der Personenseilbahn "Karrenseilbahn" (Spruchpunkt I). Im Spruchpunkt III dieses Bescheides wurde die Erstbeschwerdeführerin als Eigentümerin der Personenseilbahn gemäß § 95 Abs. 1 LFG "zur Durchführung bestimmter Kennzeichnungsmaßnahmen und zu deren Erhaltung" verpflichtet. Mit Bescheid vom 25. Jänner 1999 änderte der Landeshauptmann von Vorarlberg gemäß § 68 Abs. 3 seinen Bescheid vom 19. September 1996 derart, "dass die D gesellschaft mbH zusätzlich verpflichtet ist, die bestehende östlich der Trasse der Kseilbahn verlaufende Kugelkette auf ihre Kosten im Sinn der seinerzeit ergangenen Vorschreibungen zu erhalten".

Gegen diesen Bescheid erhob die Erstbeschwerdeführerin Berufung. Mit dem angefochtenen (beiden beschwerdeführenden Parteien zugestellten) Bescheid wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 68 Abs. 3 AVG und §§ 85, 91, 92 und 95 des Luftfahrtgesetzes, BGBl. Nr. 253/1957 idgF, teilweise Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Spruch nunmehr lautet:

"Gemäß § 68 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51 idgF iVm den §§ 85, 91, 92 und 95 Luftfahrtgesetz (LFG), BGBl. Nr. 253/1957 idgF, wird der Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 19.9.1996, Zl. Ib-529-367/96, dahingehend abgeändert, als

1. der Einleitungssatz des Spruchpunktes III. des Bescheides wie folgt lautet:

'Die Stadt D als Eigentümerin der in Punkt II. bezeichneten Personenseilbahn ist gemäß § 95 Abs. 1 Luftfahrtgesetz, BGBl. Nr. 253/1957 idgF, zur Durchführung folgender Kennzeichnungsmaßnahmen und zu deren Instandhaltung verpflichtet.'

2. Im Spruchpunkt III. des Bescheides folgende Ziffern 6. bis 9. angefügt werden:

..."

1.2. Begründend führte die belangte Behörde u.a. Folgendes aus:

Mit Bescheid vom 12. August 1968 (abgeändert durch Bescheid vom 7. Juli 1972) habe der Bundesminister für Verkehr und verstaatlichte Unternehmen (als seinerzeit zuständige Genehmigungsbehörde) festgestellt, dass die Kseilbahn ein "Luftfahrthindernis im Sinn des § 85 Abs. 2 lit. a des Luftfahrtgesetzes" darstelle, dessen Kennzeichnung im Interesse der Sicherheit der Luftfahrt und zum Schutz der Allgemeinheit unbedingt erforderlich sei. Die Erstbeschwerdeführerin als damalige Eigentümerin der Seilbahnanlage sei daher gemäß der vor dem 1. Juli 1994 geltenden Rechtslage zur Duldung verschiedener Kennzeichnungsmaßnahmen für die Kseilbahn durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt verpflichtet worden.

Mit Bescheid vom 19. September 1996 habe der Landeshauptmann von Vorarlberg als nunmehrige Genehmigungsbehörde (vgl. § 93 Abs. 2 des Luftfahrtgesetzes) der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 92 leg. cit. die luftfahrtbehördliche Ausnahmebewilligung zum Umbau der Kseilbahn erteilt. Gleichzeitig seien der Erstbeschwerdeführerin Kennzeichnungsmaßnahmen vorgeschrieben worden, die gemäß Spruchpunkt II und III die gesamte Seilbahnanlage betreffen sollten. Gegen diesen Bescheid sei keine Berufung erhoben worden, er sei somit rechtskräftig.

In der Folge habe der Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom 25. Jänner 1999 seinen Bewilligungsbescheid vom 19. September 1996 auf Grundlage des § 68 Abs. 3 AVG dahingehend abgeändert, dass die Erstbeschwerdeführerin zusätzlich verpflichtet werde, die bestehende östlich der Trasse der Kseilbahn verlaufende Kugelkette auf ihre Kosten im Sinn der seinerzeit ergangenen Vorschreibungen zu erhalten.

Gegen diesen Bescheid richte sich die der belangten Behörde vorliegende Berufung der Erstbeschwerdeführerin.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei die belangte Behörde zur Erkenntnis gelangt, dass Eigentümerin der gegenständlichen Seilbahnanlage nicht - wie von der Erstbehörde in ihren Bescheiden vom 19. September 1996 und vom 25. Jänner 1999 angenommen - die Erstbeschwerdeführerin, sondern seit mehr als 25 Jahren die Zweitbeschwerdeführerin sei; die Erstbeschwerdeführerin habe den Umstand des Eigentumswechsels nie in Form einer Berufung geltend gemacht und den Bescheid vom 19. September 1996 auch bezüglich der falschen Eigentümerbezeichnung in Rechtskraft erwachsen lassen. Obwohl die Bestimmung des § 95 des Luftfahrtgesetzes, die den jeweiligen Eigentümer des Luftfahrthindernisses zur Kennzeichnung und Instandhaltung auf seine Kosten verpflichte, "ohne weiteren Rechtsakt direkt anwendbar" sei, solle dennoch der Spruch des Erstbescheides im Sinn der Rechtsklarheit an die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse angepasst werden. Dies könne auf Grund des engen Zusammenhangs mit den gemäß Spruchpunkt 2. des bekämpften Bescheides vorgeschriebenen Kennzeichnungsmaßnahmen (ebenfalls) auf Grund des § 68 Abs. 3 AVG geschehen. Die Zweitbeschwerdeführerin sei somit auch Partei des Berufungsverfahrens und als solche in das Ermittlungsverfahren eingebunden worden. Da die im Rahmen des Parteiengehörs vorgebrachten Ausführungen der Zweitbeschwerdeführerin ident mit dem Berufungsvorbringen der Erstbeschwerdeführerin seien, werde dazu jeweils auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben. Die Beschwerdeführervertreter stellten auf Grund einer nach § 34 Abs. 2 VwGG ergangenen Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes klar, dass die Beschwerde sowohl von der Erstbeschwerdeführerin als auch von der zweitbeschwerdeführenden Partei (die am Ende der Beschwerde als Einschreiterin aufscheint, auf Seite 1 der Beschwerde aber lediglich als "mitbeteiligte Partei" bezeichnet wurde) eingebracht wurde.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete zur Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

A) Zum Spruchpunkt 1. :

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa den Beschluss eines verstärkten Senates vom 13. Juli 1956, Slg. Nr. 4127/A) ist eine Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Mangels der Beschwerdeberechtigung zurückzuweisen, wenn die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid (unabhängig von der Frage seiner Gesetzmäßigkeit) in einem Recht nicht verletzt sein kann. Eine Beschwerde ist nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde; dies gilt auch dann, wenn dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren Parteistellung zuerkannt worden sein sollte, weil Parteistellung im Verwaltungsverfahren und Legitimation zur Beschwerdeführung nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nicht zusammenfallen müssen (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, Slg. Nr. 10.511/A). Da der angefochtene Bescheid - ungeachtet der Frage seiner Rechtmäßigkeit - nach § 95 Abs. 1 LFG die Zweitbeschwerdeführerin als Eigentümerin der in Rede stehenden Personenseilbahn zur Vornahme der darin näher festgelegten Kennzeichnungen verpflichtete, aber weder eine die Erstbeschwerdeführerin treffende Verpflichtung gemäß § 95 Abs. 1 LFG normiert noch (von ihr auch nicht behauptet) auf andere Weise in ihre subjektiven Rechte eingreift, war die von der Erstbeschwerdeführerin erhobene Beschwerde infolge Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

B) Zum Spruchpunkt 2. :

Die Berufungsbehörde ist im Rahmen der "Sache" nach § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG berechtigt und verpflichtet, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. "Sache" des Berufungsverfahrens ist der Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, soweit der darüber ergangene Bescheid mit Berufung angefochten wurde (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 93/18/0629), im vorliegenden Fall somit die mit dem genannten Bescheid des Landeshauptmanns von Vorarlberg vom 25. Jänner 1999 festgesetzte Verpflichtung der Erstbeschwerdeführerin. Entscheidet im Berufungsverfahren eine Behörde zweiter Instanz in einer Angelegenheit, die nicht Gegenstand der Behörde erster Instanz gewesen ist, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde und ist der Berufungsbescheid insofern mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2001, Zl. 97/21/0647). Dies ist vorliegend der Fall, weil die belangte Behörde - nicht als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde nach § 68 Abs. 3 AVG, sondern im Berufungsverfahren - dadurch über die durch den Bescheid des Landeshauptmanns von Vorarlberg als Behörde erster Instanz vom 25. Jänner 1999 abgesteckte "Sache" des Berufungsverfahrens in unzulässiger Weise hinausgegangen ist, als sie die mit diesem Bescheid der Erstbeschwerdeführerin auferlegte Verpflichtung nunmehr der Zweitbeschwerdeführerin auferlegte.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

C) Die Aussprüche über den Kostenersatz gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 29. April 2002

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens AllgemeinBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Person des Bescheidadressaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000030031.X00

Im RIS seit

19.07.2002

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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