TE Vwgh Erkenntnis 2002/5/23 2001/03/0430

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Veröffentlicht am 23.05.2002
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E07204030;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1;
ABGB §2;
B-VG Art140 Abs4;
B-VG Art140 Abs7 Satz2;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
GütbefG 1995 §23 Abs2 Satz2 idF 1998/I/017;
VStG §5 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des HT in Havixbeck, Deutschland, vertreten durch Dr. Stefan Hornung, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg vom 9. Oktober 2001, Zl. 1-0343/01/K2, betreffend Übertretung gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 GütbefG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem in letzter Instanz ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe

"als Lenker des Sattelzuges am 13. Juli 2000 um 09.20 Uhr mit dem Kennzeichen ... am 13.07.2000 um 9.20 Uhr beim Zollamt Höchst nach einer Transitfahrt durch Österreich zur Ausreise in die Schweiz gestellt (Einreise von Deutschland erfolgte über das ehemalige Autobahnzollamt Hörbranz am 13.07.2000 um 8.30 Uhr), ohne die nachstehend angeführten Unterlagen mitgeführt zu haben:

entweder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine Ökokarte für die betreffende Fahrt,

oder einen Umweltdatenträger (Ecotag), der eine automatische Entwertung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt ermöglichte,

oder geeignete Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine ökopunktebefreite Fahrt handelte,

oder geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelte und dass im Falle einer Ausstattung des Fahrzeuges mit einem Umweltdatenträger dieser für diesen Zweck eingestellt war."

Er habe dadurch eine Übertretung des § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 und Nr. 609/2000 der Kommission begangen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- verhängt (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden).

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG), BGBl. Nr. 593 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.

Gemäß Art. 1 des dem EU-Beitrittsakt beigefügten Protokolles Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich (BGBl. Nr. 45/1995) gilt als Transitverkehr durch Österreich jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen (lit. c), als Straßengütertransitverkehr durch Österreich jeder Transitverkehr, der mit Lastkraftwagen durchgeführt wird, unbeschadet ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind (lit. e).

Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission und der (am 11. April 2000 in Kraft getretenen) Verordnung (EG) Nr. 609/2000 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs

"die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:

a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder

b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder

c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder

d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist. ...

(1a) Transitfahrten unter den in Anhang C genannten Bedingungen oder im Rahmen von im österreichischen Hoheitsgebiet gültigen CEMT-Genehmigungen sind von der Ökopunkteregelung ausgenommen."

§ 23 Abs. 2 GütbefG in der Fassung vor der am 11. August 2001 in Kraft getretenen Novelle, BGBl. I Nr. 106/2001, ordnete u. a. an, dass bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 GütbefG die Geldstrafe mindestens S 20.000,-- zu betragen hat. Gemäß der angeführten Novelle sieht § 23 Abs. 2 GütbefG nunmehr vor, dass ein Lenker bei Verletzung unmittelbar anwendbarer Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,--

zu bestrafen ist.

Zur subjektiven Tatseite führt der Beschwerdeführer aus, er sei davon ausgegangen, dass sich sämtliche notwendigen Dokumente und Fahrzeugpapiere im LKW befinden würden. Er hätte sich diesbezüglich ausdrücklich bei seinem Vorgesetzten erkundigt. Er sei erstmals in Österreich und nur auf Grund eines überraschenden Ausfalles des eigentlich dafür vorgesehenen Fahrers tätig geworden. Auf Grund des damit verbundenen Zeitdruckes habe er sich darauf verlassen können, dass er sämtliche Vorschriften erfüllen würde, wenn dies sein Arbeitgeber ausdrücklich zugesichert habe. Es hieße, die Sorgfaltsanforderungen an den Beschwerdeführer zu überspannen, wenn man eine darüber hinaus gehende Erkundigungs- bzw. Informationspflicht annehmen würde.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass es gemäß der hg. Judikatur (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 6. September 2001, Zl. 2000/03/0374) Sache des Lenkers eines Lastkraftwagens ist, sich - etwa bei gesetzlich dazu berufenen Einrichtungen - über die Rechtslage hinsichtlich der Durchführung einer durch österreichisches Hoheitsgebiet führenden Fahrt zu informieren, wobei es nicht genügt, sich bloß auf Auskünfte seitens des Arbeitgebers zu verlassen. Von dieser Verpflichtung wird der Lenker eines Lastkraftwagens auch dann nicht befreit, wenn die Fahrt unter Zeitdruck angetreten wird. Der Beschwerdeführer ist der ihn treffenden Informationspflicht über die österreichische Rechtslage betreffend den Transport von Gütern durch Österreich nicht entsprechend nachgekommen. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt somit nicht vor.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers entspricht die Tatumschreibung dem § 44 a VStG. Aus dem angeführten Spruch ergibt sich in eindeutiger Weise, auf welcher Transitfahrt durch Österreich sich der Beschwerdeführer befunden hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. September 2001, Zl. 2001/03/0191).

Weiters macht der Beschwerdeführer einen Begründungsmangel in der Hinsicht geltend, dass der Bescheid keine Feststellungen darüber enthalte, welche Fracht vom Beschwerdeführer wohin befördert worden sei, welche Absicht dieser Fahrt zu Grunde gelegen habe, ob der Beschwerdeführer üblicherweise als kaufmännischer Angestellter im Unternehmen seiner Dienstgeberin beschäftigt sei und ob er im vorliegenden Fall mit dem Warentransport in die Schweiz nur deshalb betraut worden sei, weil der ursprünglich vorgesehene Fahrer ausgefallen sei. Es sei auch nicht festgestellt worden, ob der Beschwerdeführer vor der verfahrensgegenständlichen Fahrt bereits eine solche Fahrt durch Österreich durchgeführt hätte, ob er sich vor Fahrtantritt bei dem zuständigen Disponenten erkundigt hätte, ob alle erforderlichen Unterlagen und Fahrzeugpapiere vorhanden seien. Diese Feststellungen hätten "eminente Bedeutung" für die subjektive Tatseite gehabt.

Im Lichte der bereits erwähnten Informationspflicht eines Lenkers eines Lastkraftwagens ist nicht ersichtlich und wurde dies auch nicht dargelegt, warum die angeführten Feststellungen entscheidungswesentlich gewesen wären.

Die belangte Behörde hat auch zutreffend den Beweisantrag, den Dienstgeber des Beschwerdeführers einzuvernehmen, im Hinblick darauf abgewiesen, da es - wie bereits dargelegt - nicht genügt, sich auf Auskünfte des Arbeitgebers zu verlassen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 18. November 1998, Zl. 98/03/0202).

Der Beschwerdeführer ist zwar weiters auch nicht im Recht, dass im vorliegenden Fall bereits § 23 Abs. 2 GütbefG i.d.F der Novelle BGBl. I Nr. 106/2001 hätte angewendet werden müssen, weil gemäß § 1 Abs. 2 VStG eine Änderung der die Strafe im Sinne dieser Bestimmung betreffenden Rechtslage im Zuge des Berufungsverfahrens (auf eine solche beruft sich der Beschwerdeführer) im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens nicht von Bedeutung ist (vgl. die bei Walter - Thienel, Verwaltungsverfahrengesetze II2, 20, in E. 31 angeführte hg. Judikatur). Der Verfassungsgerichtshof hat aber in seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/01, ausgesprochen, dass die Wortfolge "und Z 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, i.d.F. BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Im genannten Erkenntnis, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am 8. Februar 2002 unter BGBl. I Nr. 37, hat der Verfassungsgerichtshof ferner - gestützt auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG - Folgendes ausgesprochen:

"(2) Die verfassungswidrige Bestimmung ist insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf die Z 8 bezieht."

Da der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Bestimmung auch im vorliegenden Beschwerdefall ausschließt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1979, Slg. Nr. 9994/A), erweist sich der Ausspruch über die im Beschwerdefall gemäß § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 verhängte Mindeststrafe von S 20.000,-- als inhaltlich rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 23. Mai 2002

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001030430.X00

Im RIS seit

14.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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