TE Vwgh Beschluss 2002/6/26 2002/21/0024

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.06.2002
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §1;
AVG §73 Abs2;
FrG 1997 §15 Abs3;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs2 Z1;
FrG 1997 §94 Abs1;
VwGG §27 impl;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, in der Beschwerdesache des J, geboren am 20. März 1971, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bundesminister für Inneres, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich eines Antrages auf Verlängerung einer Niederlassungsbewilligung, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 20. April 1998 wurde über den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien, rechtskräftig ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von sechs Jahren verhängt. Eine dagegen erhobene Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 99/21/0348 anhängig.

Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2000 (bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn eingelangt am 20. Oktober 2000) stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der Niederlassungsbewilligung für die Dauer von fünf Jahren.

Ausgehend von der Ansicht, die Behörde beabsichtige, das Verfahren über seinen Antrag auf Verlängerung der Niederlassungsbewilligung gemäß § 15 Abs. 3 erster Satz Fremdengesetz 1997-FrG, BGBl. I Nr. 75, formlos einzustellen, begehrte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2000 (eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn am 5. Dezember 2000) die bescheidmäßige Absprache über das genannte Ansuchen. Gleichzeitig gab er unter Vorlage entsprechender Urkunden bekannt, dass unter anderem seiner Ehegattin mit 1. Dezember 2000 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei.

Mit (formlosem) Schreiben vom 5. Jänner 2001 teilte die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn dem Beschwerdeführer mit, dass das Verfahren über seinen Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Hinblick auf das gegen den Beschwerdeführer bestehende rechtskräftige Aufenthaltsverbot gemäß § 15 Abs. 3 FrG eingestellt sei und dass in Bezug auf die "neuerliche Antragstellung" eine bescheidmäßige Erledigung nicht zu ergehen habe.

In seinem - an das "Bundesministerium für Inneres" gerichteten und dort am 3. Mai 2001 eingelangten - Devolutionsantrag vom 30. April 2001 führte der Beschwerdeführer aus, die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn sei mangels Erlassung eines Bescheides über seinen Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ihrer Entscheidungspflicht nicht nachgekommen, weshalb der Beschwerdeführer "den Übergang der Zuständigkeit bzw. Entscheidungspflicht an das Innenministerium" und die Verlängerung der Niederlassungsbewilligung für die Dauer von fünf Jahren begehre.

Mit der am 30. Jänner 2002 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht "des Bundesministeriums für Inneres" als belangte Behörde geltend, weil über seinen Antrag "bis heute" noch nicht entschieden worden sei, und begehrt die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes "in der Sache" durch Verlängerung der beantragten Niederlassungsbewilligung.

Gemäß § 73 AVG geht dann, wenn der Bescheid nicht innerhalb von sechs Monaten ab Einlangen des Antrages (bzw. der Berufung) einer Partei erlassen wird, auf schriftlichen Antrag der Partei (Devolutionsantrag) die Zuständigkeit zur Entscheidung (abgesehen von den Fällen einer - gegenständlich nicht gegebenen - Berufungsmöglichkeit an den unabhängigen Verwaltungssenat) auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über.

Sachlich in Betracht kommende Oberbehörde ist in jedem Fall die Berufungsbehörde, darüber hinaus auch jede sonstige Behörde, die - bei Ausschluss eines ordentlichen Rechtsmittels - durch Ausübung des Weisungs- oder Aufsichtsrechts den Inhalt der unterbliebenen Entscheidung hätte bestimmen können. Sachlich in Betracht kommende Oberbehörde ist somit funktionell in erster Linie jene Behörde, die die Partei ohne die eingetretene Säumnis als Rechtsmittelinstanz hätte anrufen können (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 211 und E 213 zu § 73 AVG referierte hg. Judikatur).

Sachlich zuständig zur Entscheidung über die beantragte Verlängerung der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers, der mit einer Österreicherin verheiratet ist und dem daher nach § 49 Abs. 1 FrG Niederlassungsfreiheit zukommt, ist in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde (§ 89 Abs. 2 Z 1 FrG) und als Berufungsbehörde die Sicherheitsdirektion (§ 94 Abs. 1 FrG). Die Voraussetzungen des § 94 Abs. 4 FrG für die Zuständigkeit des Bundesministers für Inneres als Berufungsbehörde sind daher im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Dies bedeutet, dass der Beschwerdeführer die von ihm behauptete Säumnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (zunächst) nur mit Devolutionsantrag an die örtlich zuständige Sicherheitsdirektion (und nicht sogleich beim Bundesminister für Inneres) geltend machen konnte (zur Möglichkeit weiterer Devolutionsanträge stufenweise an die nächst höhere Oberbehörde bis zur obersten Behörde vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 7. Auflage, Rz 643, und Walter/Thienel, aaO, Anm. 17 zu § 73 AVG).

Dadurch, dass der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall den Devolutionsantrag nicht bei der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde (Sicherheitsdirektion), sondern in nicht zulässiger Weise sogleich beim Bundesminister für Inneres eingebracht hat, wurde eine Entscheidungspflicht des Letztgenannten über den Sachantrag nicht ausgelöst, sodass auch die Voraussetzungen für die Erhebung einer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht vorliegen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich die Behandlung der Frage, ob zum Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages am 3. Mai 2001 die Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG schon verstrichen war.

Die vorliegende Säumnisbeschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juni 2002

Schlagworte

Allgemein Anspruch auf Sachentscheidung Besondere Rechtsgebiete Besondere Rechtsgebiete Diverses Instanzenzug Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Besondere Rechtsgebiete Diverses sachliche Zuständigkeit sachliche Zuständigkeit in einzelnen Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002210024.X00

Im RIS seit

29.10.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten