Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und Senatspräsident Dr. Germ sowie Hofrat Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Franz-Christian Sladek und Dr. Michael Meyenburg, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Neustiftgasse 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. März 2000, Zl. 252.267/31- I/1/00, betreffend Ersatz von Ausbildungskosten gemäß § 20 Abs. 4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes (BDG 1979), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stand bis zum 31. Jänner 2000 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; sie war im Bundesministerium für Inneres als "EDV-Administratorin" eingesetzt.
Mit Eingabe vom 27. Jänner 2000 erklärte sie ihren Austritt aus dem Bundesdienst mit 31. Jänner 2000.
Die belangte Behörde teilte der Beschwerdeführerin darauf mit Schreiben vom 31. Jänner 2000 mit, dass ihr Austritt aus dem Bundesdienst gemäß § 21 Abs. 2 BDG 1979 wirksam und das Verfahren betreffend die Leistung des Überweisungsbetrages gemäß § 311 ASVG gleichzeitig eingeleitet worden sei.
Mit Schreiben vom 9. Februar 2000 wurde der Beschwerdeführerin unter Angabe des Datums und der Bezeichnung einzelner Seminare und der Kosten hiefür bekannt gegeben, dass sie insgesamt 168.171,33 S dem Bund an Ausbildungskosten zu ersetzen habe. Um Stellungnahme hiezu binnen 14 Tagen wurde ersucht.
Dieses Schreiben der belangten Behörde wurde nach erfolglosem Zustellversuch beim zuständigen Postamt hinterlegt und nach Ablauf der Hinterlegungsfrist mit dem Vermerk "zurück - nicht behoben" an die belangte Behörde rückgesendet (Einlaufstempel: 29. Februar 2000).
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. März 2000 sprach die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin auf Grund ihres Austrittes aus dem Dienstverhältnis zum Bund gemäß § 20 Abs. 4 BDG 1979 verpflichtet sei, dem Bund Ausbildungskosten in der Höhe von S 168.171,33 zu ersetzen. Die ihr auf Grund ihres Austrittes nach § 26 Abs. 3 Z 1 des Gehaltsgesetzes 1956 (GG) gebührende Abfertigung in der Höhe von S 89.454,20 werde von der obigen Forderung in Abzug gebracht. Der verbleibende Restbetrag von S 78.717,13 sei binnen sechs Wochen rückzuerstatten. Nach Hinweis auf die Austrittserklärung der Beschwerdeführerin und § 20 Abs. 4 BDG 1979 führt die belangte Behörde zur Begründung im Wesentlichen nur aus, dass die Ausbildung der Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 17. Jänner 1996 bis zum 27. November 1998 Kosten in der Höhe von insgesamt S 168.171,33 verursacht habe. Da diese Kosten die in § 20 Abs. 4 BDG 1979 genannte Grenze (das Sechsfache von V/2 = S 158.748,--) überschritten und das Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin innerhalb von fünf Jahren nach der Beendigung der Ausbildung aufgelöst worden sei, seien die Ausbildungskosten dem Bund zu ersetzen. Da der Beschwerdeführerin auf Grund ihres Austrittes eine Abfertigung nach § 26 Abs. 3 Z 1 GG in der Höhe des Vierfachen ihres Monatsbezuges gebühre, sei dieser Betrag von den zu ersetzenden Ausbildungskosten gemäß § 13a GG in Abzug zu bringen und einzubehalten.
Gegen diesen Bescheid wandte sich die Beschwerdeführerin zunächst an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 19. Juni 2000, Zl. B 787/00-4, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Mit der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ergänzten Beschwerde wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens, aber ohne Nachweis über die Zustellung des Schreibens vom 9. Februar 2000 durch Hinterlegung und dessen Rücksendung wegen Nichtbehebung, vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Mit Schriftsatz vom 18. Jänner 2001 teilte die Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgerichtshof mit, dass sie anlässlich einer Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt habe, dass ihr die Erledigung vom 9. Februar 2000, nicht zugestellt worden sei.
Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes teilte die belangte Behörde dazu mit, dass ihre Erledigung vom 9. Februar 2000, nämlich das Parteiengehör zu den entstandenen Ausbildungskosten, beim Postamt hinterlegt und von der Beschwerdeführerin nicht behoben worden sei. Gleichzeitig wurde dem Verwaltungsgerichtshof der Rückschein und das von der Beschwerdeführerin nicht behobene Schreiben der belangten Behörde, das den mit der Gegenschrift vorgelegten Verwaltungsakten nicht angeschlossen war, vorgelegt.
In der dazu eingeholten Stellungnahme der Beschwerdeführerin bringt diese vor, sie habe keine Benachrichtigung, hinsichtlich des Schreibens der belangten Behörde vom 9. Februar 2002 erhalten; auch in anderen Fällen habe es damals Probleme mit der Zustellung gegeben (wird näher ausgeführt).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Wie dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde zu entnehmen ist, erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem subjektiven öffentlichen Recht, Ausbildungskosten nicht entgegen den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zurückzahlen zu müssen und "über ihre Abfertigung ungeschmälert verfügen zu können", verletzt.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, wird das Dienstverhältnis durch Austritt aufgelöst.
Mit Art. I Z. 1 der BDG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 287/1988, wurden dem § 20 BDG 1979 folgende Bestimmungen als Abs. 4 und Abs. 5 angefügt:
"(4) Ein Beamter hat dem Bund im Fall der Auflösung des Dienstverhältnisses nach Abs. 1 Z. 1 bis 5 die Ausbildungskosten zu ersetzen, wenn die Ausbildungskosten für die betreffende Verwendung am Tag der Beendigung dieser Ausbildung das Sechsfache des Gehaltes eines Beamten der Gehaltsstufe 2 der Dienstklasse V zuzüglich allfälliger Teuerungszulagen übersteigen. Der Ersatz der Ausbildungskosten entfällt, wenn das Dienstverhältnis mehr als 5 Jahre (bei Militärpiloten mehr als 8 Jahre) nach der Beendigung der Ausbildung geendet hat oder das Dienstverhältnis aus den im § 10 Abs. 4 Z. 2 und 5 angeführten Gründen gekündigt worden ist. Bei Ermittlung der Ausbildungskosten sind
1.
die Kosten einer Grundausbildung,
2.
die Kosten, die dem Bund aus Anlass der Vertretung des Beamten während der Ausbildung erwachsen sind, und
3. die dem Beamten während der Ausbildung zugeflossenen Bezüge, mit Ausnahme der durch die Teilnahme an der Ausbildung verursachten Reisegebühren,
nicht zu berücksichtigen.
(5) Die dem Bund gemäß Abs. 4 zu ersetzenden Ausbildungskosten sind von der Dienstbehörde mit Bescheid festzustellen, die im Zeitpunkt des Ausscheidens des Beamten aus dem Dienstverhältnis zuständig gewesen ist. Der Anspruch auf Ersatz der Ausbildungskosten verjährt nach 3 Jahren ab der Auflösung des Dienstverhältnisses. Die §§ 13a Abs. 21 und 13e Abs. 4 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, sind sinngemäß anzuwenden."
Diese Bestimmungen sind gemäß Art. 7 Abs. 1 Z. 3 der genannten Novelle mit 1. Oktober 1988 in Kraft getreten. Mit Art. I Z. 2 der BDG-Novelle 1989, BGBl. Nr. 346/1989, wurde im Abs. 4 die Bezeichnung "Militärpiloten" in "Piloten" geändert.
In der Beschwerde wird zunächst im Wesentlichen ausgeführt, das gegenständliche Verwaltungsverfahren sei ohne Verständigung der Beschwerdeführerin durchgeführt worden; man habe ihr auch nicht die Möglichkeit zur Stellungnahme geboten. Weiters sei die Berechnungsweise des Ersatzes der Ausbildungskosten ohne detaillierte Aufstellung und ohne jeglichen Hinweis, um welche Ausbildungskosten es sich überhaupt gehandelt habe, nicht nachvollziehbar. Aus diesem Grund sei sie in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Die Grundlage der Ausbildungskosten werde im angefochtenen Bescheid nicht dargelegt und sei für die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar.
Schon aus diesem Grund kommt der Beschwerde Berechtigung zu.
Auch im Dienstrechtsverfahren ergehende Bescheide sind, sofern es sich nicht um Dienstrechtsmandate handelt oder die Voraussetzungen des § 10 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes vorliegen, entsprechend den Vorschriften der §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG zu begründen. Die im § 8 Abs. 1 DVG enthaltene Vorschrift, dass die Behörde auch die zum Vorteil der Partei dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen habe, stellt eine Betonung des das Verwaltungsverfahren ganz allgemein beherrschenden Grundsatzes der Amtswegigkeit dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 1977, Slg. 9324/A).
Wie die Beschwerdeführerin zu Recht aufgezeigt hat, enthält der angefochtene Bescheid keine Spezifizierung oder Konkretisierung der durch die Beschwerdeführerin rückzuerstattenden Ausbildungskosten von insgesamt S 168.171,33, die nur verhältnismäßig gering über der im Gesetz vorgesehenen Grenze für die Rückerstattung solcher Ausbildungskosten liegen. Auch auf Grund der vorgelegten Verwaltungsakten ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde zu dem im Bescheid genannten Rückerstattungsbetrag im Einzelnen gekommen ist. Grundlage für den Rückerstattungsbetrag war das Vorhalteschreiben der belangten Behörde vom 9. Februar 2000, das hinterlegt und - mit dem Vermerk "nicht behoben" - an die belangte Behörde zurückgelangt ist. Ohne dies in der Begründung des angefochtenen Bescheides anzugeben, ist die belangte Behörde offensichtlich davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführerin das genannte Schreiben vom 9. Februar 2000 ordnungsgemäß zugestellt worden ist und ihr daher die Unterlassung von Einwendungen im Parteiengehör zur Last fällt.
Ungeachtet der Frage der ordnungsgemäßen Gewährung des Parteingehörs mangelt es dem angefochtenen Bescheid an jeglicher Begründung für die Höhe des Rückforderungsbetrages. Einer solchen hätte es aber schon zur Ermöglichung der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof auch dann bedurft, wenn das fragliche Parteiengehör rechtmäßig gewährt worden wäre.
Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die von der Beschwerdeführerin entrichtete Gebühr von S 2.500,-- war mit dem Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde auch der Frage der Zustellung des Schreibens vom 9. Februar 2000 nachzugehen haben, um zu klären, ob das Parteiengehör ausreichend gewährt worden ist.
Wien, am 3. Juli 2002
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000120208.X00Im RIS seit
20.09.2002Zuletzt aktualisiert am
06.06.2014