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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung eines zusätzlichen Honoraranspruchs für im Rahmen einer Lehrpraxis erbrachte Assistenzleistungen; Abgeltung der im Rahmen der Ausbildung erbrachten Leistungen primär durch das Entgelt aus dem ArbeitsverhältnisSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1.1. Der Beschwerdeführer ist praktischer Arzt in Wien. Seine Ordination ist gemäß §7 Abs1 ÄrzteG 1984 als Lehrpraxis anerkannt. Im Oktober 1995 assistierte dem Beschwerdeführer ein in Ausbildung stehender Turnusarzt bei einer Operation. Der Beschwerdeführer verrechnete dem (mitbeteiligten) Sozialversicherungsträger dafür sein eigenes Operationshonorar und das Honorar für die Assistenzleistung des Turnusarztes unter Angabe von dessen Namen und Anschrift.
Der Sozialversicherungsträger zahlte zwar das Operationshonorar des Beschwerdeführers, nicht aber das Honorar für die Assistenzleistung aus. Der Beschwerdeführer begehrte daraufhin zunächst vor der Paritätischen Schiedskommission die Auszahlung dieses Assistenzhonorares an den Turnusarzt, in eventu die Feststellung, daß die Verrechnung dieser Assistenzleistung vertragsgemäß gewesen sei.
Die Paritätische Schiedskommission konnte wegen Stimmengleichheit keine Entscheidung fällen, worauf gemäß §344 Abs3 ASVG die Zuständigkeit auf die nunmehr belangte Landesberufungskommission übergegangen ist.
1.2. Diese wies beide Anträge des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. Juli 1998 ab. Begründend führt die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Bestimmungen des Gesamtvertrages über die Honorierung von Assistenzleistungen seien als Vertrag zugunsten Dritter zu deuten. Grundsätzlich zu recht habe daher der Beschwerdeführer für den Assistenzarzt die Honorarauszahlung beantragt. Der Gesamtvertrag sehe allerdings nur eine Honorierung von Leistungen zur selbständigen Berufsausübung berechtigter Ärzte vor. Voraussetzung für eine Honorierung aus Gesamtvertrag bzw. Honorarordnung sei es, daß der Arzt, dem das Honorar ausgezahlt werden soll, selbst einen Einzelvertrag mit dem Sozialversicherungsträger abgeschlossen habe oder zumindest theoretisch abschließen könne. Diese Voraussetzung träfe auf einen Turnusarzt nach der Legaldefinition in §2 Abs3 Ärztegesetz 1984 nicht zu. Daher sei für von einem Turnusarzt erbrachte Assistenzleistungen ein Honoraranspruch nicht gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
II.1. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Sinne nach die Abweisung der Beschwerde beantragt.
2. Auch die mitbeteiligte Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter hat eine Äußerung erstattet, in der sie ebenfalls die Abweisung der Beschwerde verlangt.
III.Der Verfassungsgerichtshof hat
über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Vorschriften lauten:
1.1. §2 Ärztegesetz 1984 lautete auszugsweise:
"§2. (1) Die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufes ist ausschließlich den Ärzten für Allgemeinmedizin, den Fachärzten und den approbierten Ärzten (§§3 bis 3c) vorbehalten.
(2) Die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufes besteht in der eigenverantwortlichen Ausführung der im §1 Abs2 und 3 umschriebenen Tätigkeiten, gleichgültig, ob solche Tätigkeiten freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt werden.
(3) Die in Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum Facharzt befindlichen Ärzte (Turnusärzte) sind lediglich zur unselbständigen Ausübung der im §1 Abs2 und 3 umschriebenen Tätigkeiten in gemäß §§6 bis 6b als Ausbildungsstätten anerkannten Einrichtungen, im Rahmen von Lehrpraxen (§7) oder in Lehrambulatorien (§7a) unter Anleitung und Aufsicht der ausbildenden Ärzte berechtigt. (...)
(...)"
1.2. §7 Ärztegesetz 1984 lautete auszugsweise:
"§7. (1) Als anerkannte Lehrpraxen ... gelten die Ordinationsstätten jener Ärzte für Allgemeinmedizin und Fachärzte, denen vom Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales nach Anhörung der Österreichischen Ärztekammer die Bewilligung zur Ausbildung von Ärzten zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum Facharzt erteilt worden ist. (...)
(...)
(3) Der Lehrpraxisinhaber ist zur Ausbildung des Turnusarztes mit dem Ziel der Vorbereitung auf die Tätigkeit als niedergelassener Arzt verpflichtet. Im Rahmen einer Lehrpraxis darf jeweils nur ein Arzt ausgebildet werden. Diese praktische Ausbildung hat - ausgenommen die Fälle des §6 Abs3 erster Satz - im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zum Lehrpraxisinhaber zu erfolgen und mindestens 35 Wochenstunden untertags zu umfassen.
(...)"
1.3. §6 Abs3 erster Satz Ärztegesetz 1984 lautete:
"§6. (...)
(3) Die Anerkennung einer Krankenanstalt als Ausbildungsstätte für die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin kann auch bei Fehlen von Abteilungen oder Organisationseinheiten auf den Gebieten Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Kinder- und Jugendheilkunde sowie Neurologie oder Psycihatrie erteilt werden, sofern eine praktische Ausbildung auf diesen Gebieten durch Fachärzte als Konsiliarärzte ... im Rahmen der Krankenanstalt oder, unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses zur Krankenanstalt, im Rahmen von anerkannten fachärztlichen Lehrpraxen gewährleistet ist."
1.4. §338 Abs1 ASVG lautet auszugsweise:
"§338. (1) Die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung (des Hauptverbandes) zu den freiberuflich tätigen Ärzten, Dentisten, Hebammen, Apotheken, freiberuflich tätigen klinischen Psychologen, freiberuflich tätigen Psychotherapeuten, Pflegepersonen, die medizinische Hauskrankenpflege gemäß §151 erbringen, und anderen Vertragspartnern werden durch privatrechtliche Verträge nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen geregelt. (...)"
1.5. §342 ASVG lautet auszugsweise:
"§342. (1) Die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge haben nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen insbesondere folgende Gegenstände zu regeln:
(...)
3.
die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte, insbesondere auch ihre Ansprüche auf Vergütung der ärztlichen Leistung;
4.
die Vorsorge zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Behandlung und Verschreibweise;
(...)
(2) Die Vergütung der vertragsärztlichen Tätigkeit ist grundsätzlich nach Einzelleistungen zu vereinbaren. Die Vereinbarungen über die Vergütung der ärztlichen Leistungen sind in Honorarordnungen zusammenzufassen; diese bilden einen Bestandteil der Gesamtverträge. Die Gesamtverträge sollen eine Begrenzung der Ausgaben der Träger der Krankenversicherung für die vertragsärztliche Tätigkeit (einschließlich der Rückvergütungen bei Inanspruchnahme der wahlärztlichen Hilfe (§131)) enthalten."
2. Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde sehen die einschlägigen Bestimmungen des Gesamtvertrages, die als Honorarordnung auch Bestandteil des Einzelvertrages zwischen der mitbeteiligten Partei und dem Beschwerdeführer sind, eine gesonderte Honorierung notwendiger und zweckentsprechender Assistenzleistungen vor. Der Honoraranspruch ist nach den Feststellungen der belangten Behörde vom Vertragsarzt unter Angabe von Name und Adresse seines Assistenten für diesen geltend zu machen.
Nach der Systematik des Gesamtvertrages kommt aber nach Ansicht der belangten Behörde unter Berücksichtigung des §2 Ärztegesetz 1984 ein solcher Honoraranspruch nur für zur selbständigen Berufsausübung berechtigte Ärzte in Betracht. Ein Anspruch auf Entgelt nach der Honorarordnung besteht daher nach Auffassung der belangten Behörde zugunsten von in Ausbildung stehenden Ärzten nicht.
3. Dieser Rechtsauffassung tritt der Beschwerdeführer entgegen. Die Beschwerde versucht zunächst darzustellen, daß bei "vernünftiger und verfassungskonformer Auslegung" der einschlägigen Bestimmungen die Assistenzleistung durch einen Turnusarzt in einer Lehrpraxis erlaubt sei. Sodann wendet sie sich gegen die im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommende Auffassung, mit dem Assistenzarzt entstehe durch faktische Erbringung der Assistenzleistung ein Vertragsverhältnis zum Vertragspartner des Vertragsarztes, der die Leistung am Versicherten hauptverantwortlich ausführt und für den Assistenzarzt verrechnet. Diese Auffassung sei dem ASVG fremd und daher gesetzwidrig und jedenfalls willkürlich. Für die Honorierung könne es bei verständiger Würdigung des Gesamtvertrages vielmehr überhaupt nicht darauf ankommen, ob der Assistenzarzt selbst einen Einzelvertrag mit dem konkret in Anspruch genommenen oder auch nur irgendeinem Sozialversicherungsträger abgeschlossen habe. Im übrigen sei die von der belangten Behörde vertretene Auffassung "auch mit den allgemeinen Grundsätzen der Honorierung ärztlicher Leistungen im Rahmen des Sozialversicherungssystems nicht in Einklang zu bringen." Würde nämlich durch in Ausbildung stehende Ärzte erbrachten Assistenzleistungen kein Honorierungsanspruch gegenüberstehen, so könnten assistenzpflichtige Behandlungen in Lehrpraxen niemals adäquat abgegolten werden. Aus diesen Gründen habe die belangte Behörde durch ihre Auslegung den einschlägigen Bestimmungen einen gleichheitswidrigen Gehalt unterstellt und gegenüber dem Beschwerdeführer Willkür geübt. Der gleichfalls erhobene Vorwurf einer Verletzung des Beschwerdeführers in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums wird in der Beschwerde nicht näher untermauert.
4. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet:
4.1. Zunächst ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß die Erlaubtheit der Assistenzleistung weder von der belangten Behörde noch von der mitbeteiligten Versicherungsanstalt bestritten wurde und daß der angefochtene Bescheid darüber nicht abspricht. Seine diesbezüglichen Ausführungen gehen daher ins Leere. Aber auch mit seinem übrigen Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht:
4.2. Nach §338 ASVG regelt der Gesamtvertrag, als dessen Teil die Honorarordnung auch Bestandteil der jeweiligen Einzelverträge wird, (u.a.) die Beziehungen der Sozialversicherungsträger "zu den freiberuflich tätigen Ärzten". Es erscheint daher aus verfassungsrechtlicher Sicht eine Auslegung nicht denkunmöglich, wonach Adressat der im Gesamtvertrag enthaltenen Honorarordnung nur jener Arzt sein kann, der über die Berechtigung zur freiberuflichen Berufsausübung verfügt, und der Gesamtvertrag, auch in Form von Regelungen im Sinne eines Vertrages zugunsten Dritter, nur insoweit Rechtsverhältnisse zu gestalten vermag.
Gemäß §2 Abs2 Ärztegesetz 1984 besteht die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufes in der eigenverantwortlichen Ausübung ärztlicher Tätigkeiten, gleichgültig, ob freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses. Gemäß §7 Abs3 Ärztegesetz 1984 hat die Ausbildung in einer Lehrpraxis ausschließlich im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zum Lehrpraxisinhaber zu erfolgen.
Es ist daher nicht denkunmöglich, wenn die belangte Behörde (unter Einbeziehung der unbedenklichen Auslegung des §338 ASVG) im Ergebnis annimmt, daß einem Turnusarzt für von ihm erbrachte Assistenzleistungen keine Honorarleistung des Sozialversicherungsträgers zusteht.
4.3. Durch eine solche Auslegung wird auch kein gleichheitswidriges oder mit dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums in Widerspruch stehendes Ergebnis erzielt:
4.3.1. Der in einer Lehrpraxis in Ausbildung stehende Arzt übt seine Tätigkeit definitionsgemäß nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses aus. Die im Rahmen dieser Ausbildung erbrachten Leistungen werden daher primär durch das aus dem Arbeitsverhältnis zustehende Entgelt abgegolten. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist also die Annahme der belangten Behörde, daß für im Rahmen einer Lehrpraxis erbrachte Assistenzleistungen kein zusätzlicher Anspruch nach der Honorarordnung besteht, aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich.
4.3.2. Daher ist auch der Einwand des Beschwerdeführers unberechtigt, die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung würde im Ergebnis eine adäquate Abgeltung assistenzpflichtiger Leistungen in Lehrpraxen vereiteln, wird doch der Turnusarzt für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft, wenn auch unter Berücksichtigung des Zieles der Ausbildung, entlohnt. Der Entgeltleistungspflicht des Lehrpraxisinhabers stehen im übrigen die Vorteile aus dem Betrieb einer solchen Praxis gegenüber.
5. Die von der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung erweist sich demnach insgesamt als nicht denkunmöglich. Die belangte Behörde hat durch den angefochtenen Bescheid keine Willkür geübt. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen. Dies auch dann nicht, wenn die belangte Behörde nach der Vorschrift des Art133 Z4 B-VG eingerichtet und die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Überprüfung ihrer Entscheidung ausgeschlossen ist (vgl. VfSlg. 13762/1994 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).
6. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne
mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Ärzte, Berufsrecht, SozialversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B1997.1998Dokumentnummer
JFT_10008987_98B01997_00