Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1997 §34 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1981, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 10. Juli 2002, Zl. III 4033-52/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 10. Juli 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37, 38 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein bis 29. April 2012 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 9. Juli 1998 wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 2 Z. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe in der Höhe von 150 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden, weil er gemeinsam mit sechs Mittätern in verabredeter Verbindung am 8. Dezember 1997 in Wattens drei Personen durch Versetzen von Schlägen mit einem Baseballschläger und Gürteln verletzt habe. Die Täter hätten in Schwaz beschlossen, gemeinsam nach Wattens zu fahren, um dort die "Nazis", womit drei namentlich genannte "Skinheads" gemeint gewesen seien, zu verprügeln, wobei ein Täter ein Nunchaku, ein anderer Täter eine Eisenkette und der Beschwerdeführer einen Baseballschläger als Schlagwerkzeug mit sich geführt hätten. Der Beschwerdeführer habe mit dem Baseballschläger den Angegriffenen auch tatsächlich Schläge versetzt.
Am 27. März 2002 sei der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB und der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs. 1 leg. cit. zu einer Geldstrafe in der Höhe von 300 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer die K. wie folgt am Körper verletzt habe:
zwischen Anfang März und 10. Mai 2001 in drei Fällen durch Versetzen von Schlägen mit der flachen Hand in das Gesicht, welche jeweils Schwellungen zur Folge gehabt hätten;
etwa Mitte April (2001) dadurch, dass er sie an den Haaren gezogen, ins Gesicht geschlagen, zu Boden geworfen, am Hals erfasst, gewürgt und gegen die Wand gedrückt habe, wodurch das Opfer Würgemale am Hals erlitten habe;
am 11. Mai 2001, indem er sie an den Haaren erfasst, ihr mit der flachen Hand und der Faust ins Gesicht geschlagen, sie am Hals erfasst und gegen die Wand gedrückt habe, wodurch K. eine Schädelprellung, Schwellungen, ein Hämatom am Aug und einen Trommelfellriss erlitten habe;
am 19. Oktober 2001 durch Packen am Hals, Würgen und Zubodenwerfen, was Würgemale am Hals, blaue Flecken im Brustbereich und an den Oberarmen zur Folge gehabt habe. Weiters habe er K. am 23. Oktober 2001 durch die Äußerung: "Du Schlampe! Du kannst die Mafia und die Polizei holen! Ich bringe die um! Ich habe vor gar nichts Angst!" gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Das gesamte Fehlverhalten zeige deutlich die negative Einstellung des Beschwerdeführers zur Rechtsordnung. Es entstehe der Eindruck, dass er nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und sein Verhalten den Gesetzen anzupassen. Daraus ergebe sich die berechtigte Folgerung, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Die rechtskräftigen Verurteilungen erfüllten den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG.
Ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 liege vor. Dieser Eingriff mache das Aufenthaltsverbot nicht unzulässig. Die sich im Gesamtfehlverhalten manifestierende Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.
Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen schwer, jedoch höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots, weshalb die Erlassung dieser Maßnahme auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Die Rechte anderer (auf körperliche Unversehrtheit) hätten einen großen öffentlichen Stellenwert, großes öffentliches Gewicht. Der Beschwerdeführer sei seit 1991 behördlich erlaubt im Bundesgebiet niedergelassen, allerdings mit einer etwa einjährigen Unterbrechung von 1997 bis 1998. Er habe vor seiner Einreise nach Österreich in der Türkei vier Klassen Volksschule besucht. Nach seiner Einreise habe er in Österreich die Volksschule ab der dritten Klasse und danach die Hauptschule bis zur zweiten Klasse besucht. Nach diesem Schulbesuch habe er etwa zwei Jahre den Beruf des angelernten Malers ausgeübt. Nunmehr sei er seit etwa einem Jahr wieder als Hilfsarbeiter beschäftigt. Etwa 1993 sei die Stiefmutter des Beschwerdeführers mit dessen drei Geschwistern in die Türkei zurückgekehrt. Auch die leibliche Mutter des Beschwerdeführers lebe in der Türkei. Diese Personen dürften bzw. wollten jedoch mit dem Beschwerdeführer keinen Kontakt haben. Der Vater des Beschwerdeführers lebe als gut integrierter Gastarbeiter in Schwaz. 1999 habe sich der Beschwerdeführer allerdings nach einem Familienstreit (nach seinen Angaben wäre er vom Vater bzw. von einem Onkel "ständig geschlagen" worden) von seinem Vater und dem Onkel, bei dem er kurzfristig gewohnt habe, getrennt und lebe seither allein in Innsbruck. Er sei im Bundesgebiet dementsprechend integriert. Die soziale Komponente der Integration werde allerdings durch die Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt. Der Beschwerdeführer sei volljährig, ledig und für niemanden sorgepflichtig.
Ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund gemäß §§ 38 und 35 FrG liege nicht vor.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf Grund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2.1. Der Beschwerdeführer hat am 8. Dezember 1997 gemeinsam mit sechs anderen Tätern drei Personen durch Versetzen von Schlägen mit einem Baseballschläger verletzt.
Zum Vorbringen, der Beschwerdeführer sei einem "Gruppenzwang" ausgesetzt gewesen, seine Gruppe sei zuvor von den Skinheads attackiert worden, ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer nach dem Spruch des rechtskräftigen Urteils als einziger einen Baseballschläger mit sich geführt und damit den Angegriffenen Schläge versetzt hat sowie dass die Täter bereits vor ihrer Abreise nach Wattens beschlossen haben, dort die "Nazis" zu verprügeln.
Trotz rechtskräftiger Verurteilung - und Androhung fremdenrechtlicher Maßnahmen mit dem aktenkundigen Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 7. August 1998 - ist der Beschwerdeführer neuerlich einschlägig straffällig geworden. Abgesehen davon, dass er am 21. November 2000 eine andere Person durch Schläge in das Gesicht vorsätzlich verletzt hat (die aktenkundig deswegen erfolgte rechtskräftige Verurteilung vom 19. März 2001 wurde im Bescheid der Behörde erster Instanz festgestellt), hat er Frau K. gefährlich bedroht und mehrmals vorsätzlich am Körper verletzt.
2.2. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, bei der Drohung habe es sich nur um eine "situationsbedingte Unmutsäußerung" gehandelt, ist ihm die Rechtskraft der Verurteilung wegen gefährlicher Drohung entgegenzuhalten.
2.3.1. Weiters führt der Beschwerdeführer ins Treffen, dass er vor den Tätlichkeiten gegen K. von dieser "auf das äußerste gereizt wurde und sie es geradezu darauf angelegt hatte, dass er gegen sie tätlich vorgeht". Er habe sich deshalb in einer Ausnahmesituation befunden. Die Tat stehe "im aufrechten Widerspruch zu seinem sonstigen tadellosen Verhalten".
2.3.2. Der Beschwerdeführer hat über den Zeitraum von Anfang März 2001 bis 23. Oktober 2001 K. dreimal mit der flachen Hand in das Gesicht geschlagen, was jeweils eine Schwellung zur Folge hatte. In drei weiteren Angriffen hat er sie an den Haaren erfasst, zu Boden oder gegen die Wand gedrückt, ins Gesicht geschlagen (auch mit der Faust) und gewürgt. Dabei hat er ihr Würgemale, eine Schädelprellung, Schwellungen, ein Hämatom am Aug, blaue Flecken im Brustbereich und an den Oberarmen sowie einen Trommelfelleinriss zugefügt. Dafür, dass der Beschwerdeführer vor diesen Taten jeweils von der Verletzten provoziert worden sei, gibt es in der bei den Verwaltungsakten erliegenden Ausfertigung des Strafurteils keine Anhaltspunkte, insbesondere wurde derartiges nicht als mildernd gewertet.
2.4. Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, dass vom Gericht bisher nur Geldstrafen verhängt worden seien, ist ihm zu entgegnen, dass die Behörde die Frage des Gerechtfertigtseins des Aufenthaltsverbotes unabhängig von den die Strafbemessung begründenden Erwägungen des Gerichtes und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zlen. 99/18/0015, 0033).
2.5. Aus der Vielzahl der gleichartigen Straftaten des Beschwerdeführers ist ersichtlich, dass es sich bei ihm um einen gewaltbereiten Menschen handelt. Im Hinblick darauf ist der seit Begehung der bisher letzten Straftat am 23. Oktober 2001 verstrichen Zeitraum von etwa neun Monaten viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können.
Die Ansicht der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, begegnet im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Gewaltdelikten keinen Bedenken.
3.1. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde den rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 1991 mit einer einjährigen Unterbrechung von 1997 bis 1998 berücksichtigt. Weiters hat sie dem Beschwerdeführer zugute gehalten, dass er in Österreich zwei Klassen Volksschule und zwei Klassen Hauptschule besucht hat sowie im Anschluss an den Schulbesuch zwei Jahre berufstätig war und nunmehr wieder seit einem Jahr einer Arbeit nachgeht. Auch den inländischen Aufenthalt des Vaters und eines Onkels, mit welchen Personen der Beschwerdeführer allerdings nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, hat die Behörde berücksichtigt. Unstrittig leben die Mutter, die Stiefmutter und die Geschwister des Beschwerdeführers in der Türkei. Wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat, wird die aus der Aufenthaltsdauer von zunächst etwa sechs Jahren bis zur Ausreise in die Türkei und etwa vier Jahren seit der Wiedereinreise nach dem einjährigen Heimataufenthalt abzuleitende Integration des Beschwerdeführers in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die in Rede stehenden Straftaten erheblich gemindert. Der in der Beschwerde vorgebrachte inländische Aufenthalt von insgesamt drei Onkeln und etwa 20 Cousins bewirkt keine vorliegend den Ausschlag gebende Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers.
3.2. Beim weiteren Vorbringen, der Beschwerdeführer habe während seines Aufenthalts in Österreich "stets" - und nicht nur zwei Jahre nach Beendigung der Schulausbildung sowie nunmehr wieder seit einem Jahr - gearbeitet; er habe in Österreich seit vier Jahren - mit einer Unterbrechung während der Beziehung zu K. -
eine Lebensgefährtin, die er zu heiraten beabsichtige, handelt es sich um im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerungen (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).
3.3.1. Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang als Verfahrensmangel geltend, dass die belangte Behörde seinen Bewährungshelfer nicht einvernommen und sein Lebensumfeld nicht genauer "durchleuchtet" habe. Bei einem mängelfreien Ermittlungsverfahren wäre die Beziehung zur langjährigen Lebensgefährtin und der Umstand, dass er "seit Jahren einer geregelten Arbeit nachgeht", hervorgekommen.
3.3.2. Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 25. April 2002 ausgeführt, nach Beendigung der Schulausbildung zwei Jahre gearbeitet zu haben und nunmehr wieder seit acht Monaten in einem Beschäftigungsverhältnis zu stehen. Außer seinem Vater lebten nur drei Onkeln in Österreich. Andere Angehörige habe er nicht im Inland. Entsprechende Angaben sind auch in der Berufung enthalten. Dass er Kontakt zu einem Bewährungshelfer habe, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Nach dem Inhalt der bei den Verwaltungsakten erliegenden Urteilsausfertigungen wurde vom Gericht anlässlich keiner der drei Verurteilungen Bewährungshilfe angeordnet.
Schon aus diesen Gründen stellt es keinen Verfahrensmangel dar, dass die belangte Behörde den Bewährungshelfer nicht vernommen und keine weiteren Ermittlungen über das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft und die Dauer der Berufstätigkeit durchgeführt hat.
3.4. Den insgesamt dennoch sehr beachtlichen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus seinen Straftaten resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen bei einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber. Auf Grund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer trotz einschlägiger Verurteilung rückfällig geworden ist und mehrere gleichartige Straftaten begangen hat, kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3.5. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe mit seinen Verwandten in der Türkei keinen Kontakt, insbesondere bestehe zu seiner Stiefmutter und den Stiefbrüdern schon seit Jahren keine Verbindung, ist auszuführen, dass durch § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 2001, Zl. 2000/18/0202).
4.1. In der Beschwerde wird geltend gemacht, dass der Niederlassungsbehörde im Zeitpunkt der Erteilung der letzten Niederlassungsbewilligung am 1. Februar 2002 der Verdacht der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers bereits bekannt gewesen sein müsse, zumal nur kurze Zeit später die Hauptverhandlung vor dem Gericht stattgefunden habe. Sei aber der ausstellenden Behörde zum Zeitpunkt der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung die strafbare Handlung des Fremden bereits bekannt, so sei es rechtswidrig, ein Aufenthaltsverbot auf diese strafbare Handlung zu stützen.
4.2. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder Z. 2 wegen des maßgeblichen Sachverhaltes unzulässig wäre.
Gemäß § 34 Abs. 1 FrG können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn (Z. 1) nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre.
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend ein Fremdengesetz (685 BlgNR 20. GP, 74) wird mit § 34 Abs. 1 Z. 1 FrG dem Umstand Rechnung getragen, dass entweder die Behörde - aus welchem Grund auch immer - vom Bestehen eines Versagungsgrundes (erst nachträglich) Kenntnis erlangt hat, der der Erteilung eines Aufenthaltstitels bereits zum Zeitpunkt der ursprünglichen Erteilung entgegengestanden wäre oder nachträglich ein Versagungsgrund eintritt, der die Versagung des Aufenthaltstitels rechtfertigt.
Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist daher unzulässig, wenn der Niederlassungsbehörde der Aufenthaltsverbotsgrund bei Erteilung der Niederlassungsbewilligung bereits bekannt war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 99/18/0259). Dies gilt auch für den Fall, dass der Niederlassungsbehörde zwar die Begehung der den Aufenthaltsverbotsgrund bildenden Straftat, nicht jedoch die Verurteilung des Fremden - etwa weil eine solche noch gar nicht erfolgte - bekannt ist (vgl. dazu auch das eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 FrG trotz Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach Begehung der als "Versagungsgrund" die Ausweisung tragenden Straftat betreffende hg. Erkenntnis vom 14. November 2000, Zl. 99/18/0060).
4.3. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer die den Grund für die Verhängung des Aufenthaltsverbots bildenden Straftaten bis zum 23. Oktober 2001 begangen. Unstrittig wurde ihm zuletzt am 1. Februar 2002 - also nicht ganz zwei Monate vor der Verurteilung vom 27. März 2002 - eine weitere Niederlassungsbewilligung erteilt. Anders als im dem zitierten hg. Erkenntnis Zl. 99/18/0060 zu Grunde liegenden Fall handelt es sich jedoch vorliegend beim Beschwerdevorbringen, die Niederlassungsbehörde habe bei Erteilung der Niederlassungsbewilligung von den Straftaten des Beschwerdeführers bereits Kenntnis gehabt, mangels eines entsprechenden Vorbringens im Verwaltungsverfahren um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung.
Im Unterschied zu dem Fall, der dem zitierten Erkenntnis Zl. 99/18/0259 zu Grunde lag, ergeben sich vorliegend aus dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Niederlassungsbewilligung in Kenntnis des Aufenthaltsverbotsgrundes erteilt worden sei, hat doch die Bundespolizeidirektion Innsbruck die Frage der Niederlassungsbehörde nach dem allfälligen Vorliegen von Sichtvermerksversagungsgründen oder sonstigen sicherheitspolizeilichen Bedenken gegen den Beschwerdeführer aktenkundig am 6. Dezember 2001 damit beantwortet, dass "fremdenpolizeilich keine Bedenken gem. § 10 Abs. (1) Zif. 1 und Abs. (2) Zif. 3 und 4" vorliegen.
Es ist daher unbedenklich, dass die belangte Behörde nicht zum Ergebnis gekommen ist, dass § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 34 Abs. 1 Z. 1 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbots entgegenstehe.
5. Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 27. Februar 2003
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002180179.X00Im RIS seit
05.05.2003