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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §127 Abs8 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der More Fun Gastronomiebetriebs GmbH in Eckartsau, vertreten durch Dr. Preschitz - Dr. Stögerer, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Neubaugasse 3/10, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 24. September 2002, Zl. BOB - 121/02, betreffend Baueinstellung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 28. November 2001 wurde der Beschwerdeführerin "nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden", gemäß § 71 der Bauordnung für Wien in Verbindung mit § 119a leg. cit. auf jederzeitigen Widerruf die Bewilligung zur Errichtung einer "Überdachung (Stahlfachwerkskonstruktion als Flugdach mit Glaskuppelkonstruktion)" beim Lokal "La Rumba" auf einem näher bezeichneten Grundstück der "Copa Cagrana" in Kaisermühlen erteilt.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 28. Mai 2002 wurde die Einstellung der Bauführung "zur Herstellung von ca. 32 Stahlsäulen (teilweise rechteckiger Grundriss ca. 10 x 30 cm bzw. ca. 8 x 15 cm, teilweise runder Grundriss Durchmesser ca. 25 cm) in Rahmenkonstruktion (umschriebene Aufstellungsfläche ca. 27 x 20 m und einer Höhe von ca. 6 m) (...) gemäß § 127 Abs. 8 lit. a der Bauordnung für Wien" auf dem vorgenannten Grundstück angeordnet. Zum Zeitpunkt der Erhebung am 27. Mai 2002 seien bereits folgende Bauarbeiten durchgeführt worden: Aufstellung der Stahlrahmenkonstruktion. Die Bauführung sei ohne Baubewilligung ausgeführt worden.
In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, der Bauführung liege die Baugenehmigung vom 28. November 2001 zu Grunde. Die geringfügigen Abweichungen ergäben sich aus bautechnischer Notwendigkeit und aus dem Wunsch der Stadt Wien nach verstärktem Anrainerschutz. Die Umkehrfläche (Auskragzone) sei um einige Meter verlegt worden; eine nachträgliche Zustimmung der Magistratsabteilung 45 liege hiefür vor. Dies sei deshalb erfolgt, um die Tanzfläche besser lärmtechnisch abschirmen zu können. Im Wesentlichen entspräche die Bauführung der Baugenehmigung, die leichten Abänderungen könnten jederzeit mittels Austauschplanes ergänzt werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführerin habe weder die Bauführung zur Herstellung der gegenständlichen Stahlsäulen noch den Umstand, dass diese Bauführung von der Baubewilligung vom 28. November 2001 abweiche, bestritten. Die errichtete Stahlkonstruktion weise keine Gemeinsamkeiten mit dem Genehmigungsbescheid auf. Es handle sich somit um ein aliud, für welches eine Bewilligung nach § 60 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien erforderlich sei, da die errichtete Konstruktion auf Grund der unbestrittenen Angaben im erstinstanzlichen Bescheid eine Aufstellungsfläche von ca. 27 x 20 m und eine Höhe von ca. 6 m aufweise, somit die Kriterien eines bewilligungspflichtigen Flugdaches erfülle. Die Verlegung der Umkehrfläche (Auskragzone) um einige Meter bedürfe jedenfalls einer Baubewilligung, da jede Baubewilligung sich auf ein durch seine Lage bestimmtes Bauvorhaben beziehe und das Gebäude daher an jener Stelle zu errichten sei, an welcher es baubehördlich bewilligt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Fortsetzung der bereits genehmigten Bauführung verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Hiezu wird ausgeführt, dass nur minimale Abänderungen erfolgt seien, wobei diese Änderungen lediglich räumlich seien, nicht aber Art und Umfang der geplanten und bewilligten Bauführung beträfen. Die Änderungen seien nur deshalb vorgenommen worden, weil der Liegenschaftseigentümer, die Stadt Wien, ausdrücklich auf einer entsprechenden Änderung im Sinne des Anrainerschutzes bestanden habe. Die Bauführung habe sich lediglich um ca. 75 cm verschoben, ohne dass das Projekt verändert worden wäre. Auch die Baufluchtlinien seien nicht beeinträchtigt. Im angefochtenen Bescheid fehlten Feststellungen darüber, welche Änderungen vorgenommen worden seien.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdeverfahren sind folgende Bestimmungen der Bauordnung für Wien (BO) maßgeblich:
"Ansuchen um Baubewilligung
§ 60.
(1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Baubehörde zu erwirken:
a) Neu-, Zu- und Umbauten. Unter Neubau ist die Errichtung
neuer Gebäude zu verstehen; ... Ein einzelnes Gebäude ist eine
raumbildende bauliche Anlage, die in ihrer Bausubstanz eine körperliche Einheit bildet und nicht durch Grenzen eines Bauplatzes oder Bauloses oder durch Eigentumsgrenzen geteilt ist, ausgenommen die zulässige Bebauung von Teilen des öffentlichen Gutes. ... Flugdächer mit einer bebauten Fläche von mehr als 25 m2 oder einer lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von mehr als 2,50 m gelten als Gebäude. ...
...
c) Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auch die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage; ...
...
Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben
§ 73.
(1) Beabsichtigte Abweichungen von Bauplänen, die nach diesem Gesetz ausgeführt werden dürfen, sind wie Änderungen an bestehenden Baulichkeiten zu behandeln, wobei die Abweichungen den Umfang des § 60 Abs. 1 lit. c nicht überschreiten dürfen; dadurch wird die Gültigkeitsdauer der ursprünglichen Baubewilligung bzw. Kenntnisnahme nicht verlängert. ...
...
Überprüfungen während der Bauführung
§ 127.
...
(8) Die Bauführung darf nicht weitergeführt werden, wenn
a) ein Bau ohne Baubewilligung oder ohne Kenntnisnahme der Bauanzeige oder entgegen den Bestimmungen des § 70a ausgeführt wird;
...
(8a) Wird die Bauführung entgegen Abs. 8 weitergeführt und erlangt die Behörde davon Kenntnis, hat sie den Bau einzustellen. Darüber ist möglichst binnen drei Tagen an den Bauherrn, den Bauführer oder den sonst Verantwortlichen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen; einer Berufung gegen diesen Bescheid kommt die aufschiebende Wirkung nicht zu.
(9) Ist der Tatbestand für eine Baueinstellung nach Abs. 8 offenkundig nur für einen Teil eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage verwirklicht und ist aus diesem Grunde die Fortführung der Bauarbeiten an einem anderen Teil des Gebäudes oder der baulichen Anlage technisch möglich und keinesfalls mit einer Gefährdung von Menschen verbunden, kann die Behörde die Baueinstellung auf diesen Teil des Gebäudes oder der baulichen Anlage beschränken; andernfalls erstreckt sich die Baueinstellung auf das gesamte Bauvorhaben."
Die hier zu beurteilende, auf § 127 Abs. 8 lit. a BO gestützte Baueinstellung erfolgte deshalb, weil die von der beschwerdeführenden Partei vorgenommene Aufstellung der Stahlrahmenkonstruktion (ca. 32 näher beschriebene Stahlsäulen in Rahmenkonstruktion) ohne Baubewilligung erfolgt sei. Die Ausführung des Vorhabens stimme nicht mit der vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, erteilten Baubewilligung vom 28. November 2001 überein.
Der Tatbestand des § 127 Abs. 8 lit. a BO ist bereits dann erfüllt, wenn von dem bewilligten Vorhaben derart abgewichen wird, dass dafür eine Baubewilligung neuerlich erforderlich wäre (vgl. hiezu Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften, 4. Auflage, Anm. 7 zu § 127 BO, S. 698). Für die Frage der Rechtmäßigkeit einer Baueinstellung kommt es nicht auf die Bewilligungsfähigkeit eines baulichen Vorhabens sondern nur darauf an, dass die bauliche Maßnahme einer Bewilligung bedarf (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1992, Zl. 92/05/0029).
Weicht - wie von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angenommen - das ausgeführte Vorhaben von einer bereits erteilten Baubewilligung ab, so sind für die Klärung der Frage, ob für die vorgenommene Bauführung eine neuerliche Baubewilligung erforderlich ist, nachvollziehbare Feststellungen darüber notwendig, wie sich das zur Ausführung (gelangte bzw.) gelangende Bauvorhaben vom bewilligten unterscheidet. Insoweit daher eine Abweichung vom bewilligten Bauvorhaben festgestellt wird, hat die Behörde die für die Anordnung der Baueinstellung maßgeblichen Unterscheidungsmerkmale zwischen dem bewilligten und dem in Angriff genommenen Bau mit hinreichender Deutlichkeit aufzuzeigen. Nur so lässt sich abschließend beurteilen, ob und inwieweit ein Bau ohne Baubewilligung im Sinne des § 127 Abs. 8 lit. a BO errichtet wird. Schließlich muss sich aus den zu treffenden Feststellungen rechtlich beurteilen lassen, ob der Tatbestand für die Baueinstellung nach § 127 Abs. 8 BO offenkundig nur für einen Teil des Baues als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Abs. 9 dieser Gesetzesstelle verwirklicht ist.
Zutreffend rügt die beschwerdeführende Partei unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, dass konkrete Feststellungen im aufgezeigten Sinn über die von ihr im Vergleich zur genannten Baubewilligung vorgenommenen baulichen Änderungen im angefochtenen Bescheid fehlen.
Aus diesen Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Zu den Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift verweist der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass die Baubewilligung für ein durch seine Lage bestimmtes Vorhaben erteilt wird, sodass für jedes Verrücken des Bauvorhabens eine neuerliche Baubewilligung erwirkt werden muss. Es bedarf daher auch näherer Feststellungen darüber, inwiefern das von der beschwerdeführenden Partei ausgeführte Bauvorhaben lagemäßig vom bewilligten Bauvorhaben abweicht. Zu beachten ist aber auch dass Einzelfälle denkbar sind, in denen (allein) durch eine geringfügige Verschiebung eines Bauwerkes nicht vom Vorliegen eines rechtlichen "aliud" auszugehen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. Juli 2001, Zl. 2001/05/0072, und vom 21. Mai 1996, Zl. 96/05/0049); ob im Beschwerdefall allein eine Verschiebung der Lage des bewilligten Bauvorhabens vorliegt, oder auch in der Ausführung des bewilligten Vorhabens selbst eine wesentliche Abweichung erfolgt ist, kann der Verwaltungsgerichtshof mangels nachvollziehbarer Feststellungen im angefochtenen Bescheid derzeit nicht beurteilen.
Aus diesen Gründen war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 3. April 2003
Schlagworte
Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4Baubewilligung BauRallg6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002051438.X00Im RIS seit
28.05.2003Zuletzt aktualisiert am
11.01.2013