TE Vwgh Erkenntnis 2003/5/22 2003/16/0025

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Veröffentlicht am 22.05.2003
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/16/0026

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde 1.) des W und 2.) der G, beide in L, beide vertreten durch Neumayer & Walter, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien III, Baumannstraße 9/11, gegen die (jeweils am 27. Dezember 2002 zugestellten) Bescheide der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 20. Dezember 2002,

1.) GZ RV527/1-9/20001q und 2.) GZ RV526/1-9/2000, je betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von 1.088,-- EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 1. Dezember 1992 erwarben die beiden Beschwerdeführer - ein Ehepaar - von M die Liegenschaft EZ 641 Grundbuch P je zur Hälfte. In der Vertragsurkunde wurde ein Kaufpreis von S 494.416,-- ausgewiesen.

Mit Bescheid vom 19. Jänner 1993 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in L die Grunderwerbsteuer in Höhe von je S 8.652,-- fest.

Mit einem Vorhalt des Finanzamtes vom 28. November 1995 wurden die Beschwerdeführer ersucht, bestimmte Fragen zur Feststellung der Bauherreneigenschaft zu beantworten.

In einem Schriftsatz vom 27. Dezember 1995 wurde dazu ausgeführt, die Planung des Gebäudes sei von der S GmbH durchgeführt worden. Die Aufträge an die Professionisten seien von den Beschwerdeführern erteilt worden. Das Ansuchen um die ursprüngliche Baubewilligung sei durch die C. GmbH gestellt worden. Im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung seien die Beschwerdeführer noch nicht Besitzer des Grundstücks gewesen. Alle weiteren Ansuchen seien von den Beschwerdeführern gestellt worden. Nach den in den Akten erliegenden Ablichtungen aus den baubehördlichen Akten hat die C GmbH im Mai 1992 um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Reihenhausanlage, bestehend aus 24 eineinhalb-geschoßigen Reihenwohnhäusern, angesucht. Mit Bescheid der Landeshauptstadt L vom 9. Juni 1993 wurde den beiden Beschwerdeführern die Bewilligung zur Abweichung vom genehmigten Bauvorhaben für eine - eine Garage betreffende - Planänderung erteilt.

Mit Bescheiden vom 12. Oktober 1999 wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt und die Grunderwerbsteuer für den in Rede stehenden Rechtsvorgang neu festgesetzt. Dabei wurden die im "Bauvertrag" mit der S GmbH ausgewiesenen Baukosten mit bestimmten Adaptierungen in die Bemessungsgrundlage einbezogen.

In der Begründung der Bescheide wurde insbesondere ausgeführt, die Beschwerdeführer seien in den (von der Verkäuferin abgeschlossenen) "Bauvertrag" mit der S. GmbH eingetreten. Grundlage dieses Vertrages sei die "Projektmappe" der C GmbH. Darin sei ausgeführt worden, dass die C GmbH die Reihenhausanlage konzipiert und auf die Planung wesentlichen Einfluss gehabt habe. Die Bauwerber hätten daher nur geringen Einfluss auf die bauliche Gestaltung nehmen können.

In der Berufung gegen die beiden Grunderwerbsteuerbescheide wurde unter anderem Verjährung eingewendet. Weiters wurde ausgeführt, eine vertragliche Verpflichtung der Beschwerdeführer, in vertragliche Vereinbarungen mit der S GmbH oder der C GmbH einzutreten, existiere nicht. Es habe keine Verpflichtung bestanden, die S GmbH zu beauftragen. Hinsichtlich der Frage, wer welches Bauprojekt durchführe, seien die Beschwerdeführer völlig frei gewesen. Da die S GmbH auf Grund der Tatsache, dass sie die Nebenhäuser gebaut habe, ein gegenüber anderen Konkurrenzofferten wesentlich günstigeres Offert gelegt habe, hätten sich die Beschwerdeführer entschlossen, die S GmbH zu beauftragen. Es seien Kostensteigerungen verrechnet worden und umfangreiche Arbeiten anders ausgeführt worden, und zwar mit anderen Professionisten, während die S GmbH in Bezug auf ein Grundangebot ein konkurrenzlos günstigeres Offert gelegt hätte.

Mit Berufungsvorentscheidungen des Finanzamtes U je vom 22. Mai 2000 wurde die Berufung hinsichtlich Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen; hinsichtlich Grunderwerbsteuer wurde der Berufung teilweise stattgegeben und die Abgabenschuld neu festgesetzt. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die C GmbH habe eine "Projektmappe" für die Reihenhausanlage Wohnpark P II verfasst. Jeder Liegenschaftserwerber - wie die Verkäuferin Magdalena R. - habe mit der C GmbH einen Vertrag abgeschlossen, wonach die C GmbH die erforderlichen Vorarbeiten in rechtlicher, technischer, wirtschaftlicher und finanzieller Natur in die Wege geleitet habe, um das Bauvorhaben zu realisieren. Die Reihenhauswerber hätten ihr Einverständnis erklärt, dass das seitens der C GmbH namhaft gemachte Bauunternehmen zu den vertraglich bestimmten Preisen und dem Leistungsverhältnis laut Informationsmappe, welche dem Reihenhauswerber bekannt sei, von der C GmbH mit der Errichtung des Reihenhauses beauftragt werde. Die C GmbH sei berechtigt, ein anderes Bauunternehmen zu bestimmen, jedoch lediglich zu den Qualitäts- und Preisvereinbarungen dieses Vertrages. Von der Verkäuferin M sei am 16. Juni 1992 ein Bauvertrag über die Errichtung eines Reihenhauses abgeschlossen worden. Als Grundlage dieses Vertrages habe unter anderem die Projektmappe P II gegolten. Darin sei ausgeführt worden, dass die C GmbH in Zusammenarbeit mit Architekten, Baumeistern und anderen notwendigen Professionisten die Reihenhausanlage konzipiert und auf die Planung und den damit verbundenen günstigen Baupreis wesentlichen Einfluss habe. Der Leistungsumfang sei laut Leistungsbeschreibung der Projektmappe vorgegeben gewesen. Der Bauvertrag sei weder von der C GmbH noch von M aufgekündigt worden. Es sei davon auszugehen, dass die Verträge von den Beschwerdeführern anlässlich des Grunderwerbs zu übernehmen gewesen seien. Dies gehe auch daraus hervor, dass bei der Schlussrechnung eine Anzahlung an die C GmbH berücksichtigt worden sei. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens wurde ausgeführt, das Finanzamt habe erst im Jahre 1995 auf Grund einer Anfrage vom vorliegenden Sachverhalt Kenntnis erlangt.

Gegen die Berufungsvorentscheidungen wurde der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt. Darin wurde unter anderem ausgeführt, hinsichtlich der zentralen Frage, ob ein Vertrag der S. GmbH mit der Verkäuferin übernommen worden sei, seien keine Erhebungen vorgenommen worden. Dass Anzahlungen von dritter Seite zu berücksichtigen seien, ergebe sich daraus, dass sonst eine Bereicherung eintreten würde.

Mit den beiden angefochtenen Bescheiden wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und die Abgabenfestsetzung abgeändert. In der Begründung wurde ausgeführt, der C GmbH sei mit Bescheid vom 25. Mai 1992 die Bewilligung zur Errichtung einer Reihenhausanlage, bestehend aus 24 eineinhalbgeschoßigen Wohnhäusern erteilt worden. In der Folge sei die S GmbH mit der Errichtung der Wohnanlage beauftragt worden. Es sei davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführer in ein Vertragsgeflecht einbinden ließen, das sichergestellt habe, dass der Erwerb Grund und Boden sowie das geplante Wohnhaus umfasst habe. Es sei nicht von Bedeutung, ob die Beschwerdeführer den Bauvertrag von der Verkäuferin "übernommen" hätten.

In der Beschwerde gegen diese Bescheide erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Unterlassung der Wiederaufnahme des Verfahrens sowie auf richtige Bemessung der Grunderwerbsteuer verletzt.

Die belangte Behörde verfasste eine Gegenschrift und legte Teile der Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Von zentraler Bedeutung für die Tragfähigkeit der Begründung eines Bescheides ist die zusammenhängende Darstellung des von der Behörde festgestellten Sachverhalts. Das der zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung methodisch folgende Begründungselement eines Bescheides hat in der Darstellung der behördlichen Überlegungen zur Beweiswürdigung zu bestehen. In den zu diesem Punkt der Bescheidbegründung zu treffenden Ausführungen sind jene Erwägungen der Behörde darzustellen, welche sie bewogen, einen bestimmten Sachverhalt als erwiesen anzunehmen. Das dritte tragende Element der Bescheidbegründung schließlich hat in der Darstellung der rechtlichen Beurteilung der Behörde zu bestehen, nach welcher sie die Verwirklichung welcher Tatbestände durch den festgestellten Sachverhalt als gegeben erachtet (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 28. Mai 1997, Zl 94/13/0200).

Diesen Erfordernissen entspricht der angefochtene Bescheid in keiner Weise:

Dem Bescheid der belangten Behörde ist nicht zu entnehmen, welchen Sachverhalt sie als erwiesen angenommen hat. Abgesehen von rechtlichen Ausführungen, die sich - ohne konkrete Zitierung - offenkundig auf die hg Rechtsprechung stützen, hat die belangte Behörde nicht dargelegt, welche konkreten Umstände sie als neue Tatsachen angesehen hat, auf die von der Abgabenbehörde die Wiederaufnahme des Verfahrens gestützt worden ist. Dass die Beschwerdeführer nicht Bauherren seien, ist keine neue Tatsache, sondern eine rechtliche Schlussfolgerung. Wann der Behörde ein Werkvertrag bzw ein Bauauftrag bekannt geworden ist, wird von der belangten Behörde nicht dargestellt.

Die belangte Behörde hat weiters in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht konkret dargestellt, auf Grund welcher Umstände anzunehmen war, dass die Beschwerdeführer ein Grundstück mit einem bestimmten, darauf zu errichtenden Gebäude erworben haben. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid weder die konkreten Projektunterlagen für die offenkundig errichtete Reihenhausanlage - die allenfalls indiziert hätten, dass die Beschwerdeführer beim Erwerb des Grundstücks bereits in ein nicht wesentlich abänderliches Gesamtkonzept der Anlage eingebunden waren - noch die Umstände des Erwerbs durch die Beschwerdeführer näher dargestellt und daraus die für die abgabenrechtliche Beurteilung maßgeblichen Schlüsse gezogen. Ferner hat es die belangte Behörde unterlassen, die von den Abgabenbehörden zu dem in Rede stehenden Reihenhausobjekt unternommenen Ermittlungshandlungen - wie sie aus einem die Beschwerde ergänzenden Schriftsatz der Beschwerdeführer vom 9. Mai 2003 ersichtlich sind - und den dabei festgestellten Sachverhalt darzustellen. Die diesbezüglichen Akten wurden dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt.

Überdies haben die Abgabenbehörden keine Ermittlungen über das von den Beschwerdeführern erstattete Sachverhaltsvorbringen angestellt. So wurden etwa keine Ermittlungen über die von den Beschwerdeführern nach ihrem Vorbringen eingeholten "Konkurrenzofferte" und den Umfang der von der vorgegebenen Planung abweichenden Ausführung des vorliegenden Reihenhauses vorgenommen.

Damit hat die belangte Behörde aber Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können; die letztgenannte Voraussetzung musste dabei auch deswegen angenommen werden, weil es die belangte Behörde unterlassen hat, wesentliche Teile der Verwaltungsakten - wie die gesamten Projektunterlagen der Reihenhausanlage und dgl mehr - dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben.

Die Kosten waren gemäß §§ 47 ff iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001 im beantragten Ausmaß zuzusprechen.

Wien, am 22. Mai 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003160025.X00

Im RIS seit

18.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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