TE Vwgh Erkenntnis 2003/5/22 2001/04/0113

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Veröffentlicht am 22.05.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §52;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der M und des WH in B bei J, vertreten durch Dr. Karl Aschaber, Dr. Andreas König und Dr. Andreas Ermacora, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria Theresienstraße 13/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 27. April 2001, Zl. 318.553/3-III/A/9/01, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: Auto L GesmbH & Co KG in B bei J, M 125), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zum Gang des Verwaltungsverfahrens wird zunächst auf die Darstellung im hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/04/0213, sowie in den dort zitierten Vorerkenntnissen hingewiesen. Mit dem Erkenntnis vom 22. März 2000 wurde der im Instanzenzug ergangene Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. Oktober 1999, mit dem der mitbeteiligten Partei die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Kraftfahrzeugwerkstätte erteilt worden war, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die Genehmigung der Betriebsanlage war nämlich - in Abänderung der unterinstanzlichen Genehmigungsbescheide, die das Ein- und Ausfahren von Kraftfahrzeugen durch das südliche Sektionaltor sowie das Öffnen dieses Tores untersagten - unter der Auflage erteilt worden, dass das südliche Sektionaltor nur zum unmittelbaren Ein- und Ausfahren von Kraftfahrzeugen maximal 5 x täglich geöffnet werden dürfe. Solange das Tor geöffnet sei, dürften die durch die Arbeiten in der Betriebsanlage verursachten Geräusche den Wert von 51,5 dB(A) im Freien in 3 m Entfernung vor dem Tor nicht überschreiten. Ein Offenhalten des Tores über die für die Fahrbewegungen unbedingt erforderliche Zeit hinaus sei während der Betriebszeiten unzulässig. Die Gehtüre müsse während der Betriebszeiten geschlossen gehalten werden. Mit der bloßen Vorschreibung eines Immissionsgrenzwertes, ohne gleichzeitig jene konkreten und überprüfbaren Maßnahmen zu nennen, die zur Erreichung dieses Zieles zu setzen seien, werde allerdings - so das hg. Erkenntnis vom 22. März 2000 - keine i.S.d. § 77 Abs. 1 GewO 1994 zur Vermeidung von Immissionen geeignete Auflage vorgeschrieben. Bereits dieser Mangel führe zur Aufhebung des (damals) angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG. Aus Gründen der Prozessökonomie würden jedoch weiters die im hg. Erkenntnis vom 25. November 1997, Zl. 97/04/0111, enthaltenen Ausführungen über die Erforderlichkeit sachverständig fundierter Feststellungen betreffend den Charakter der einzelnen erhobenen Lärmereignisse und die damit verbundenen Lärmspitzen sowie über die Auswirkungen dieser Immissionen ihrer Art und ihren Umfang nach auf den menschlichen Organismus in Erinnerung gerufen.

Mit dem als Ersatzbescheid für den Bescheid vom 19. Oktober 1999 ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 27. April 2001 erteilte der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit der mitbeteiligten Partei im Instanzenzug neuerlich die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Kfz-Werkstätte unter Neufassung der Auflagenpunkte D1 und D2. Diese Auflagenpunkte hätten wie folgt zu lauten:

"D1) Während des Betriebes sind folgende Türen und Fenster geschlossen zu halten: Die Türen zum Lüftungsaggregateraum, die Türe zum Ersatzteillager sowie die Fenster der Gebrauchtwagenaufbereitung, der Lackiervorbereitung, das Fenster des Lacklagers und das des Aggregateraumes.

D2) Das südliche Sektionaltor darf nur zum unmittelbaren Ein- und Ausfahren von Kraftfahrzeugen maximal 5 x täglich geöffnet werden. Solange das Tor geöffnet ist, sind sämtliche mit Lärm verbundenen Arbeiten in der Werkstätte einzustellen. Ein Offenhalten des Tores über die unbedingt für die Fahrbewegungen erforderliche Zeit hinaus ist während der Betriebszeiten unzulässig. Die Gehtüre ist während der Betriebszeiten geschlossen zu halten."

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Verbot "lärmintensiver Arbeiten" mache wohl eine Unterscheidung zwischen lärmintensiven und weniger lärmenden Arbeiten erforderlich. Würden jedoch mit Lärm verbundene Arbeiten verboten, so ließen sich von diesem Verbot nicht erfasste leise Arbeiten (z.B. händisches Aufpolieren eines Fahrzeuges, Schreibarbeiten) davon eindeutig unterscheiden. Die Einhaltung einer solchen Auflage sei zweifelsfrei zu erkennen. Im Übrigen sei von den beschwerdeführenden Parteien ebenso wie von weiteren Nachbarn in der Verhandlung am 26. April 1994 erklärt worden, dass die Öffnung des südlichen Sektionaltores zum Aus- und Einfahren mit Pkws dann nicht als störend empfunden werde, wenn während dieses Vorganges nicht gearbeitet werde. Dies müsse auch für den Fall gelten, dass Arbeiten vorgenommen würden, die keinen Lärm erregten. Der medizinische Amtssachverständige habe auf der Grundlage näher beschriebener Lärmmessungen sowie der Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen des Bundesministeriums vom 6. März 1998 betreffend die Charakteristik der mit dem Öffnen und Schließen des Rolltores, somit mit dem Aus- und Einfahren der Kraftfahrzeuge einhergehenden Geräusche mit näherer Begründung ausgeführt, dass die zu erwartenden Lärmimmissionen nicht als gesundheitsschädlich zu beurteilen seien, weil ihre Intensität weit unter jenem Bereich liege, bei dem man von einer Gesundheitsgefährdung sprechen könne. Stelle man die Störgeräusche zur Beurteilung ihrer Eignung, das Wohlbefinden zu beeinträchtigten, den Umgebungsgeräuschen gegenüber, so lasse sich in Ansehung der Intensität kein signifikanter Unterschied feststellen. Was andererseits die Charakteristik betreffe, so gehörten an- und abschwellende Motorengeräusche durchaus zum ortsüblichen Bild, zumal auch die Umgebungsgeräuschsituation durch Kfz-Geräusche von den umliegenden Verkehrsflächen (Bundesstraße) geprägt sei. Bei einem täglich nur fünfmaligen Auftreten der erwähnten Betriebsgeräusche könne man daher nicht von einer signifikanten Veränderung der ortsüblichen Umgebungsgeräuschsituation sprechen. Die im Zusammenhang mit der Benutzung des südlichen Sektionaltores einhergehenden Lärmimmission gäben daher unter Berücksichtigung des Verbotes sämtlicher mit Lärm verbundener Arbeiten in der Werkstätte, solange das Tor geöffnet sei, zu keiner Gesundheitsgefährdung oder Beeinträchtigung des Wohlbefindens Anlass. Auf der Grundlage dieser sachverständigen Darlegungen sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei beteiligte sich nicht am verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht

"1. auf Absprache über die von den Beschwerdeführern im Verwaltungsverfahren gestellten Beweisanträge auch im Sinne der Eventualanträge und sohin auf Fassung eines gesetzmäßigen Bescheides samt Begründung gemäß § 58 Abs. 2 AVG,

2. auf Berücksichtigung und Auseinandersetzung mit dem im Verwaltungsverfahren eingeholten amtsärztlichen Gutachten und sohin auf Begründung des Bescheides und der Würdigung sämtlicher relevanter Umstände,

3. auf Nichtfeststellung von Tatsachen, die sich aus dem Akt nicht ergeben,

4. auf Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung unter Berücksichtigung der Interessen der Nachbarn insbesondere durch Erteilung von Auflagen, die Gesundheitsgefährdungen hintanhalten sollen, gemäß § 77 iVm § 74 GewO und

5. auf Durchführung eines gesetzmäßigen Verwaltungsverfahrens" verletzt.

Sie bringen hiezu im Wesentlichen vor, die Begründung des angefochtenen Bescheides sei mangelhaft, weil lediglich die von der belangten Behörde zuletzt eingeholten Gutachten wiedergegeben worden seien, nicht aber sämtliche Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, obwohl die beschwerdeführenden Parteien auf die Widersprüche zwischen den einzelnen Ermittlungsergebnissen und auf die Unzulänglichkeiten einzelner Stellungnahmen und Gutachten hingewiesen hätten. Der gewerbetechnische Amtssachverständige des Bundesministeriums habe eine ergänzende Stellungnahme erstattet, ohne eine "Befundaufnahme vor Ort" durchzuführen. Trotz eines diesbezüglichen Antrages der beschwerdeführenden Parteien sei kein vollständiges und schlüssiges lärmtechnisches Gutachten eingeholt worden, das nicht nur Aufschluss über die Art der zu erwartenden Immissionen, sondern auch über die Eigenarten der Geräusche gäbe. Im Hinblick auf die Diskrepanz zwischen den vom Gewerbetechniker der belangten Behörde gezogenen Schlussfolgerungen und jenen des erstinstanzlichen gewerbetechnischen Gutachtens hätte die belangte Behörde jedenfalls noch ein weiteres Gutachten zur Abklärung der Sachlage einholen müssen. Gleiches gelte für die Widersprüche zwischen dem von der belangten Behörde und dem von der erstinstanzlichen Behörde eingeholten medizinischen Gutachten. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides rügen die beschwerdeführenden Parteien, dass die Auflage D2 nicht überprüfbar und somit nicht vollstreckbar sei. Eine Überprüfung der Einhaltung dieser Auflage sei in der Praxis nicht möglich, zumal es nach wie vor im Belieben der mitbeteiligten Partei stehe, zu entscheiden, welche Arbeiten mit Lärm verbunden und daher einzustellen seien und welche nicht. Die Auflage sei daher nicht i.S.d. § 77 Abs. 1 GewO 1994 zur Abwehr von Immissionen geeignet. Im Übrigen hätte die belangte Behörde zunächst ein vollständiges gewerbetechnisches Gutachten und anschließend ein medizinisches Gutachten einzuholen gehabt, indem die ÖAL-Richtlinie Nr. 3 hätte berücksichtigt werden müssen, wonach die Grenze der absoluten Unzumutbarkeit einer Immission im Nachbarschaftsbereich bei einer Erhöhung des Basispegels um 10 dB jedenfalls überschritten werde. Zu den numerischen Werten der Lautstärke der erhobenen Störgeräusche hätte - wie vom erstinstanzlichen Gewerbetechniker richtig dargelegt - ein Zuschlag für Impulshaltigkeit in Höhe von 5 dB erfolgen müssen. Unter Berücksichtigung dieses Zuschlages ergäbe sich aber selbst bei den vom medizinischen Sachverständigen der belangten Behörde herangezogenen Messergebnissen vom 27. Mai 1993, dass sowohl beim Öffnen und Schließen des Tores, als auch beim Ausfahren, beim Einfahren, beim Retourfahren sowie beim Pkw im Leerlauf Werte von mehr als 10 dB über dem gemessenen Durchschnittspegel von 47,5 dB vorlägen; diese Lärmimmission sei also unzumutbar, was die belangte Behörde jedoch verkannt habe. Die Umgebungsgeräusche seien vom erstinstanzlichen lärmtechnischen Amtssachverständigen mit einem Basispegel von 41 dB (vor dem Haus der Beschwerdeführer im Erdgeschoss) bzw. durchschnittlich 47,5 dB (vor dem Haus der Beschwerdeführer im ersten Obergeschoss) festgestellt worden. Demgegenüber habe der medizinische Sachverständige der belangten Behörde eine Bandbreite von 47 bis 59 dB als Umgebungsgeräuschpegel angesetzt, ohne eine Befundaufnahme an Ort und Stelle vorgenommen zu haben. Er habe Lärmspitzenpegel, die in Ausnahmefällen gemessen worden seien (Flugzeuge), dem gewöhnlichen Umgebungsgeräuschpegel gleichgesetzt. Bei richtiger Heranziehung des Basispegels wäre auch der medizinische Amtssachverständige der belangten Behörde zum Ergebnis gelangt, dass es zu einer signifikanten Anhebung des bestehenden Umgebungsgeräuschniveaus komme. Obwohl die beschwerdeführenden Parteien die belangte Behörde darauf hingewiesen hätten, sei eine Überarbeitung bzw. Ergänzung des medizinischen Gutachtens unterblieben. Vielmehr sei dieses Gutachten unverändert dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt worden.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994 in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Recht der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen. ...

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 zumutbar sind, ist gemäß § 77 Abs. 2 GewO 1994 danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

Die Feststellung, ob die (sachverhaltsbezogenen) Voraussetzungen für die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage vorliegen, ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben. Während sich der gewerbetechnische Sachverständige über die Art und das Ausmaß der zu erwartenden Immissionen zu äußern hat, ist es Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen, die Auswirkungen der Emissionen auf die Nachbarschaft zu beurteilen. Dabei gehört es grundsätzlich zu den Aufgaben des gewerbetechnischen Sachverständigen, sich in einer die Schlüssigkeitsprüfung ermöglichenden Weise nicht nur über das Ausmaß, sondern auch über die Art der zu erwartenden Immissionen zu äußern und in diesem Zusammenhang darzulegen, ob und gegebenenfalls welche Eigenart einem Geräusch (z.B. Impulscharakter, besondere Frequenzzusammensetzung, Informationshältigkeit) unabhängig von seiner Lautstärke anhaftet. Demgegenüber hat der ärztliche Sachverständige auch dann, wenn hinsichtlich der Klangcharakteristik subjektive Wahrnehmungen von Bedeutung sein können, vor allem von den objektiven durch den gewerbetechnischen Sachverständigen in seinem Gutachten aufgenommenen Beweisen auszugehen (vgl. die im vorliegenden Verwaltungsverfahren bereits ergangenen hg. Erkenntnisse, insbesondere jenes vom 25. November 1997, Zl. 97/04/0111, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die Erstbehörde hat nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten ein messtechnisches Gutachten (23. September 1992) eingeholt, dem zufolge der Umgebungslärm durch einen Basispegel von 41 dB (im Obergeschoss des Hauses der beschwerdeführenden Parteien von 44 dB) gekennzeichnet sei, wobei Spitzenpegel durch Autos auf der Bundesstraße bis 56 dB (58 dB im Obergeschoss) erhoben worden seien. Der Umgebungsgeräuschpegel werde vor allem durch den Verkehr auf der Bundesstraße und der Autobahn bestimmt, wobei der Verkehrslärm durch das Betriebsgebäude wesentlich abgeschirmt werde. Da die Südseite des Betriebes noch nicht habe befahren werden können, seien für den Lärm vorbeifahrender Fahrzeuge Erfahrungswerte herangezogen und die Reflexion an der Gebäudewand mit berücksichtigt worden. Demnach sei für die Vorbeifahrt eines Pkws in einer Entfernung von 6 m mit ca. 10 bis 15 km/h ein Spitzenpegel bis 68 dB anzunehmen. Dieser Wert liege deutlich über den Spitzenpegeln des Verkehrslärms, wobei die dadurch bewirkbare Störwirkung wesentlich von der Anzahl der Fahrbewegungen abhänge.

Aus medizinischer Sicht wurde im amtsärztlichen Gutachten zum Lärm durch Fahrbewegungen entlang der Süd- und Westseite des Betriebes der mitbeteiligten Partei ausgeführt, es seien zwar für die Beurteilung der Zumutbarkeit Spitzenpegel unbedingt notwendig, dennoch müsse die zu erwartende Lärmentwicklung durch Fahrzeugbewegungen an der Süd- und Westseite auch über einen längeren Zeitraum gesehen beurteilt werden. Nicht zuletzt sei die Beurteilung der Zumutbarkeit aus medizinischer Sicht auch wesentlich abhängig von der Anzahl der Fahrbewegungen. Entsprechend der Widmung des Gebietes als Mischgebiet werde unter Zugrundelegung der ÖAL-Richtlinie Nr. 3 der obere Grenzwert für die maximal zulässigen Lärmspitzenpegel für die Zeit von 06.00 bis 18.00 Uhr mit 75 dB und für die Zeit von 18.00 bis 22.00 Uhr bis 70 dB ermittelt. Dies sei allerdings nur für einzelne und kurzfristig auftretende Schallpegelspitzen zulässig. Die mit 68 dB angegebenen Spitzenpegel durch einen vorbeifahrenden Pkw an der Südseite der Betriebsanlage würden also den für einzelne und kurzfristig auftretende Lärmspitzen höchstzulässigen Grenzwert bereits erreichen. Käme es noch zu wiederholtem Vorbeifahren von Pkws im Laufe des Tages, so wäre neben den Schallpegelspitzen auch die Ermittlung eines durch vorbeifahrende Pkws bedingten äquivalenten Dauerschallpegels notwendig. Da Fahrbewegungen an der Südseite der Betriebsanlage nunmehr möglich seien, könnten lärmtechnische Messungen mit Erfassung der gesamten Lärmentwicklung der Fahrbewegungen durchgeführt und unter Einbeziehung der tatsächlich zu erwartenden Anzahl von Fahrbewegungen die tatsächlich zu erwartende Lärmimmission ermittelt werden. Erst anschließend sei eine endgültige Aussage über die Zumutbarkeit bzw. Gesundheitsgefährdung möglich.

Dem in der Folge eingeholten messtechnischen Gutachten vom 9. September 1993 zufolge betrage der Basispegel (L 95) 44 dB und der durchschnittliche äquivalente Dauerschallpegel der Umgebungsgeräusche (LeqU) 47,5 dB. Auf der Bundesstraße vorbeifahrende Kraftfahrzeuge hätten Spitzen bis 56 dB und durchschnittliche Schallpegel zwischen 42 und 52 dB bewirkt, wobei eine Vorbeifahrt im Durchschnitt 10 Sekunden betragen habe. Ein Flugzeug habe Schalldruckpegel zwischen 48 und 55 dB und Spitzen bis 59 dB bewirkt, bei einer messtechnischen Erfassbarkeit von ca. 25 Sekunden. Vorbeifahrende Züge schließlich hätten Spitzen bis 58 dB mit durchschnittlichen Schalldruckpegeln zwischen 48 und 52 dB und einer durchschnittlichen Hörbarkeitsdauer von ca. 25 bis 30 Sekunden bewirkt. Während der Messungen seien auch Fahrbewegungen (Ein- und Ausfahrten in die Spenglerei) simuliert worden. Diese hätten folgende Schalldruckpegel ergeben:

- Hupen -

Spitze über 70 dB

 

- Öffnen und Schließen
des Tores -

Schalldruckpegel zwischen 48 und 53 dB, Spitzen bis 55 dB mit einer durchschnittlichen Dauer des Öffnungs- und Schließvorganges von 12 Sekunde

 

- Ausfahrt aus der
Spenglerei -

Schalldruckpegel zwischen 50 und 58 dB, Spitzen bis 59 dB, Dauer 20 Sekunden

 

- Fahrzeug -

im Leerlauf -

Schalldruckpegel zwischen 50 und 54 dB

 

bei Einfahrt in die Spenglerei -

Schalldruckpegel zwischen 50 und 52 dB, Spitzen bis 60 dB, Dauer 13 Sekunden

bei Retourfahrt zum ursprünglichen Standort -

Schalldruckpegel zwischen 47 und 58 dB mit Spitzen bis 60 dB, Dauer 10 Sekunden

Der äquivalente Dauerschallpegel einer solchen Einfahrt inklusive Öffnung und Schließen des Tores betrage durchschnittlich 53 dB für die Dauer von 50 Sekunden mit den angeführten Spitzen. Der äquivalente Dauerschallpegel einer Ausfahrt aus der Spenglerei inklusive Öffnen und Schließen des Tores betrage durchschnittlich 54 dB für die Dauer von ca. 50 Sekunden mit den angeführten Spitzen. Der Beurteilungspegel solcher Ein- und Ausfahrten seien mit dem jeweiligen äquivalenten Dauerschallpegel ident, d.h. der Beurteilungspegel einer Einfahrt in die Spenglerei betrage Lr = 53 dB und der Beurteilungspegel einer Ausfahrt aus der Spenglerei betrage Lr = 54 dB. Allerdings bestehe bei solchen Ein- und Ausfahrten die Gefahr erhöhter Emissionen aus der Spengerlei.

Auf der Grundlage dieses Gutachtens wurde von der medizinischen Amtssachverständigen am 8. Oktober 1993 ausgeführt, die Ein- und Ausfahrten zusammen mit Öffnen und Schließen seien Vorgänge, die sich auf einen Zeitraum von ca. einer Minute erstreckten und zu einer Abfolge von unterschiedlichen Geräuschen führten. Diese Geräusche bewirkten nicht nur Schalldruckpegel, die deutlich höher seien als die Umgebungsgeräuschpegel, sondern auch Geräuschcharaktere, die sich sehr wohl von den Umgebungsgeräuschen unterscheiden würden, wodurch die subjektive Wahrnehmbarkeit verstärkt werde. Verbunden mit diesen Geräuschen der Fahrbewegungen seien zusätzliche informationshaltige Geräusche durch gleichzeitig stattfindende Gespräche sowie Lärmentwicklungen aus der Betriebsanlage bei geöffnetem Tor, die die Lärmimmissionssituation beim Nachbarn zusätzlich verstärkten. Aus medizinischer Sicht sei daher jegliches Ein- und Ausfahren über das südliche Sektionaltor sowie das Öffnen des Tores mit unzumutbarer Belästigung verbunden.

Auf der Grundlage des messtechnischen Gutachtens vom 9. September 1993 und auf der Grundlage der vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten am 6. März 1998 beschriebenen Charakteristik der durch das Öffnen und Schließen des Sektionaltores sowie der Ein- und Ausfahrt von Kraftfahrzeugen bewirkten Geräusche gelangte der von der belangten Behörde beigezogene medizinische Sachverständige zum Ergebnis, die bei täglich maximal fünfmaligen Ein- und Ausfahrten von Kraftfahrzeugen durch das südliche Sektionaltor bei den Beschwerdeführern zu erwartenden Lärmimmissionen lägen unter der Voraussetzung, dass es nicht gleichzeitig zu Lärmemissionen aus der Werkstätte komme, in Ansehung ihrer Intensität weit unter jenem Bereich, bei dem man von einer Gesundheitsgefährdung sprechen könne und es lasse sich auch weder betreffend die Intensität, noch betreffend die Charakteristik ein signifikanter Unterschied zur ortsüblichen Umgebungsgeräuschsituation feststellen.

Mit ihrem gegen diese Schlussfolgerung erhobenen Beschwerdevorbringen zeigen die beschwerdeführenden Parteien keinen Umstand auf, der es als rechtswidrig erscheinen ließe, das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten dem angefochtenen Bescheid zu Grunde zu legen. Soweit die beschwerdeführenden Parteien nämlich rügen, es hätten dem medizinischen Gutachten auch die Messergebnisse vom 27. August 1992 zu Grunde gelegt werden müssen, übersehen sie, dass betreffend die Ein- und Ausfahrten durch das südliche Sektionaltor 1992 (noch) keine Messergebnisse, sondern lediglich eine Berechnung der zu erwartenden Schallpegelspitzen vorlagen. Die Rüge, es hätte zu den numerischen Werten der Lautstärke der erhobenen Störgeräusche ein Zuschlag für Impulshaltigkeit in Höhe von 5 dB hinzugezählt werden müssen, übersieht, dass nach dem lärmtechnischen Gutachten vom 9. September 1993 wohl für die Beurteilung der Emissionen aus der Spenglerei ein Zuschlag von 5 dB wegen Impulshaltigkeit für erforderlich erachtet wurde, nicht aber für die Feststellung des Beurteilungspegels der durch Ein- und Ausfahrten bewirkten Lärmemissionen. Die Notwendigkeit der Vergabe eines entsprechenden Zuschlages ist auch auf der Grundlage der sachverständig beschriebenen Geräuschcharakteristik nicht ersichtlich. Soweit die beschwerdeführenden Parteien aber Widersprüche zwischen dem von der Erstbehörde eingeholten medizinischen Gutachten und dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Gutachten behaupten, ist ihnen zu entgegnen, dass das medizinische Gutachten der Erstbehörde auf dem Standpunkt steht, die durch Ein- und Ausfahrten bewirkten Lärmemissionen würden zu den durch den Betrieb der Werkstätte bewirkten Lärmimmissionen hinzutreten. Das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Gutachten basiert jedoch entsprechend der - in der Folge vorgeschriebenen Auflage D2 - auf der Sachverhaltsvoraussetzung, dass während der Ein- und Ausfahrten durch das südliche Sektionaltor sämtliche mit Geräusch verbundenen Arbeiten eingestellt werden und daher keinerlei Lärm aus der Werkstätte nach außen dringt.

Die beschwerdeführenden Parteien sind auch mit ihrer Auffassung nicht im Recht, die Auflage D2 ("Solange das Tor geöffnet ist, sind sämtliche mit Lärm verbundenen Arbeiten in der Werkstätte einzustellen.") sei keine i.S.d. § 77 Abs. 1 GewO 1994 geeignet Auflage. Im Gegensatz zu ihrer Auffassung lässt sich nämlich jederzeit und aktuell überprüfen, ob während der Öffnungszeiten des Tores Lärm aus der Werkstätte nach außen dringt. Von den erwähnten "Arbeiten in der Werkstätte" ist jeglicher Betrieb in der Werkstätte umfasst. Es bestehen daher auch keine Bedenken, dass die Auflage nicht zweifelsfrei erkennen lasse, welche Tätigkeiten einzustellen sind und welche nicht. Vielmehr ist bei geöffnetem Tor jeder hörbare Betrieb der Werkstätte untersagt; es liegt keineswegs im Belieben der mitbeteiligten Partei zu entscheiden, welche Arbeiten mit Geräuschentwicklung verbunden sind und welche nicht.

Die Auffassung, die Einhaltung der Auflage sei nicht überprüfbar und sie sei auch nicht vollstreckbar, ist nicht nachzuvollziehen; besteht doch insoweit keinerlei Unterschied zu einer Auflage des Inhalts, während des Betriebes bestimmte Fenster der Betriebsanlage geschlossen zu halten.

Der Rüge der beschwerdeführenden Parteien, die von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen hätten keine Erhebungen an Ort und Stelle vorgenommen und es seien in fachlicher Hinsicht andere - und nach Auffassung der beschwerdeführenden Parteien unzutreffende - Beurteilungsgrundlagen herangezogen worden als von der medizinischen Sachverständigen der Erstbehörde, ist zu entgegnen, dass dieses Vorbringen zum einen fachlich nicht untermauert ist und zum anderen, dass die beschwerdeführenden Parteien nicht auch dargelegt haben, zu welchem konkreten anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Berücksichtigung der von den beschwerdeführenden Parteien vorgebrachten Aspekte gelangt wäre.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 22. Mai 2003

Schlagworte

Sachverständiger Aufgaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001040113.X00

Im RIS seit

30.07.2003

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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