TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/11 2002/07/0006

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Veröffentlicht am 11.09.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde des E in L, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien I, Tuchlauben 17, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 23. November 2001, Zl. WA1-W-20.679/99-01, betreffend Entscheidung nach § 66 Abs. 2 AVG in Angelegenheit wasserpolizeilicher Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bezüglich der Vorgeschichte des Beschwerdefalls wird auf das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 2000/07/0222, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 19. Juli 2000, mit welchem dem Beschwerdeführer als Liegenschaftseigentümer gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 im Instanzenzug der wasserpolizeiliche Auftrag zur Entfernung der auf den Grundstücken Nrn. 345/1 und 167, KG L., stehenden K-Wehr erteilt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Auf Grund dieses Erkenntnisses wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 23. November 2001 der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft W vom 30. Mai 2000, mit dem der gegenständliche wasserpolizeiliche Auftrag in erster Instanz erteilt wurde, gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft W als Wasserrechtsbehörde erster Instanz verwiesen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u.a. ausgeführt, im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof sei vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers erstmals vorgebracht worden, dass die K-Wehr nicht auf den Grundstücken des Beschwerdeführers liege. Diese Auffassung sei damit begründet worden, dass ein Fehler bei der Neuaufnahme von Grundstücksgrenzen erfolgt sei, wodurch irrtümlich diese Wasseranlage als auf den Grundstücken des Beschwerdeführers befindlich angesehen worden sei. Dazu seien auch entsprechende Unterlagen dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt worden. Diese Unterlagen seien u. a. Katasterpläne aus den Jahren 1891, 1953 und 1969, ein Wasserbuchauszug sowie diverse Schriftstücke. Diese Unterlagen würden dazu führen, dass die genaue grundstücksmäßige Lage des K-Wehr ungeklärt sei. Zur Ermittlung der Grundstücksgrenzen seien Erhebungen durchzuführen, weil widersprüchliche Schriftstücke und Pläne vorlägen. Es sei eine Erörterung der Sachlage in der Natur in Rede und Gegenrede betreffend den Verlauf der Grundstücksgrenzen gemeinsam mit den Eigentümern der betroffenen Grundstücke dazu notwendig. Zur Abklärung des Grenzverlaufes seien eventuell auch Ortskundige beizuziehen, um anschließend die Lage der K-Wehr bestimmen zu können. Gleichzeitig seien auch, weil mittlerweile mehr als eineinhalb Jahre seit Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides ergangen seien, der aktuelle Zustand der K-Wehr und die Durchführung der Beseitigungsmaßnahmen zu besprechen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die unmittelbare Beweisaufnahme durch die Berufungsbehörde selbst würden keine Ersparnis an Zeit und Kosten mit sich bringen. Auch kenne die Behörde erster Instanz auf Grund mehrerer bereits durchgeführter örtlicher Verhandlungen die örtlichen Gegebenheiten. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erscheine sohin unvermeidlich, weshalb die Berufungsbehörde kassatorisch vorgehen habe dürfen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. In der Begründung der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, es sei unzutreffend, dass der belangten Behörde erst aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren bekannt sei, dass der Beschwerdeführer behaupte, nicht Eigentümer des Wehranlagengrundstücks zu sein. Seit 1996 bringe er diesen Umstand bei jeder mündlichen Verhandlung vor. Die einzige Neuerung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sei gewesen, dass der Beschwerdeführer dieses Vorbringen erstmals auch mit Planunterlagen untermauern und darstellen habe können.

Es sei auch nicht ersichtlich - so die Beschwerde weiter -, wie eine mündliche Verhandlung zur Klärung von Grundstücksgrenzen beitragen könne. Die aktuellen Grundstücksgrenzen seien aus dem Grundbuch ersichtlich. Dass diese aktuellen Grenzen gerade im Bereich der K-Wehr unrichtig seien, erweise sich bereits aus den vom Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten (und mithin: amtsbekannten) Plandokumenten. Diese Plandokumente seien überdies alle den öffentlichen Büchern entnommen und sohin auch für die Behörde jederzeit leicht zugänglich. Sie alle würden zeigen, dass das Grundstück des Beschwerdeführers Nr. 167 in der ersten Auflage des Katasterplans (1891) eben jenen Teil, auf dem sich die Wehranlage damals befunden habe und derzeit befinde, gerade nicht umfasst habe. Die K-Wehr sei ursprünglich nämlich auf einem Teil des Grundstücks Nr. 164 gestanden, das im Eigentum der Gemeinde L gewesen sei. Erst der im Jahre 1953 neu aufgenommene Katasterplan zeige das Grundstück des Beschwerdeführers Nr. 167 plötzlich um eben jenen Teil des Grundstücks Nr. 164 vergrößert, auf dem sich die Wehranlage befinde. Wie und warum es zu dieser Grundarrogation gekommen sei, lasse sich nicht mehr nachvollziehen. Insbesondere würden sich im Grundbuch bzw. in den grundbücherlichen Urkundensammlungen keinerlei Hinweise auf eine Schenkung bzw. einen Verkauf des in Rede stehenden Grundstücksteils finden. Daraus sei abzuleiten, dass es bei der Neuaufnahme der Grundstücksgrenze im Jahre "1993" (offenbar gemeint: 1953) schlicht zu einem Zeichenfehler gekommen sei. Unklar sei, wie eine mündliche Verhandlung zur Klärung dieses Sachverhaltes beitragen solle. Die erstinstanzliche Behörde werde "nur schwerlich Augenzeugen oder beteiligte Personen aus dem Jahr 1891 bzw. 1953 auffinden", die ihr hinsichtlich dieser Grundstücksarrogation dienliche Auskünfte geben könnten. Für einen Blick ins Grundbuch bzw. die dazugehörigen Urkundensammlungen sei eine Zurückverweisung an die Bezirkshauptmannschaft W jedoch nicht notwendig.

Gleiches gelte für die Begründung, dass eine mündliche Verhandlung notwendig sei, um den nunmehrigen Zustand der K-Wehr und die Durchführung der Beseitigungsmaßnahmen zu besprechen. Verfahrensgegenständlich sei allein die Frage der Beseitigung der K-Wehr. Es sei daher vollkommen unerheblich, in welchem Zustand sich diese Wehranlage nunmehr befinde. Sei sie voll intakt, so sei die gesamte Wehranlage zu entfernen; sei sie verfallen, seien lediglich die verbleibenden Teile der Wehranlage zu beseitigen. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass Ausgangspunkt des gesamten Beseitigungsverfahrens der Umstand gewesen sei, dass die K-Wehr auf Grund des andrängenden Geschiebes gekippt - und mithin funktionsunfähig geworden - sei. An diesem Umstand habe sich seither nichts geändert.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 66 Abs. 2 AVG lautet:

"Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen."

Nicht jeder Verfahrensmangel berechtigt nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Berufungsbehörde, von einer Aufhebung gemäß § 66 Abs. 2 AVG Gebrauch zu machen; vielmehr ist eine solche nach dieser Gesetzesstelle nur dann zulässig, wenn sich der Mangel nicht anders als mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung beheben lässt. Die Berufungsbehörde hat zu begründen, warum die Fortsetzung des Verfahrens nicht durch die Berufungsbehörde, sondern nur im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde vorgenommen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 2000, Zl. 99/07/0195, m.w.N.).

Durch § 66 Abs. 4 AVG sollte gesichert werden, dass ein im Stadium der Berufung befindliches Verfahren möglichst auch zu einer Berufungsentscheidung in der Sache führt. Die Verweisung des Verfahrens in ein von der unteren Instanz zu besorgendes Stadium soll daher nur ausnahmsweise möglich sein. Es soll vermieden werden, dass die mit dem Zurücktritt eines Verfahrens in ein früheres Stadium verbundenen Rechtsfolgen, wie etwa die Wiedereröffnung des Instanzenzuges, zu einer Verlängerung des Verfahrens führen. Sind daher Ergänzungen des bisher durchgeführten Ermittlungsverfahrens notwendig, so hat die Berufungsbehörde die Frage zu prüfen, ob der für die Erledigung der Sache maßgebende Sachverhalt nur in Form von Rede und Gegenrede aller an der Sache beteiligten und aller sonst für seine Ermittlung (Erhebung der Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise) in Betracht kommenden Personen festgestellt werden kann und diese Personen daher gleichzeitig versammelt werden müssen, oder ob sich zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens ein einfacherer Weg anbietet (vgl. zum Ganzen das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 23. November 2000, m.w.N.).

Da im Beschwerdefall die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Liegenschaftseigentümer des in Rede stehenden wasserpolizeilichen Auftrags zur Voraussetzung hat, dass der Beschwerdeführer tatsächlich auch Eigentümer jener Liegenschaft (bzw. jenes Liegenschaftsteiles) ist, auf der (dem) sich die gegenständliche Wehranlage befindet, ist auf Grund des vom Beschwerdeführer vorgebrachten - und nachträglich durch Vorlage entsprechender Unterlagen ergänzten - Einwandes, dass dies nicht der Fall sei, auch die Frage des Eigentums an dem gegenständlichen Liegenschaftsteil zu klären.

Wenngleich die beschwerdeführende Partei - insbesondere auf Grund der erfolgten Vorlage von näher genannten Planunterlagen im Zuge des zu hg. Zl. 2000/07/0222 anhängig gewesenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - die Unvermeidlichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu widerlegen versucht, lassen diese Unterlagen für sich allein noch nicht erkennen, weshalb der in Rede stehende Grundstücksteil - entgegen den aktuellen Planunterlagen - nicht dem Beschwerdeführer gehören sollte. Vielmehr wird es zur Abklärung des tatsächlichen Grenzverlaufes des dem Beschwerdeführer gehörenden Grundstücks allenfalls auch der Beiziehung von ortskundigen Personen und anderer Beweismittel bedürfen, zumal die Planunterlagen aus den verschiedenen Jahren - wie der Beschwerdeführer selbst darlegt - inhaltlich widersprüchlich sind und aktuell nach Darstellung des Beschwerdeführers auch keine Urkunden, die einen Rechtsgrund für die Veränderung der Grundstücksgrenze belegen könnten, auffindbar sind. Es erscheint daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde unter diesen Umständen von der Unvermeidlichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausgeht, zumal die zu ergänzende Beweisaufnahme und die dabei erzielten Ergebnisse voraussichtlich auch mit möglichen anderen Eigentümern des in Rede stehenden Liegenschaftsteiles zu erörtern sein werden. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Unvermeidlichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch wegen der von der belangten Behörde ins Treffen geführten Zeitspanne seit Erlassung des ursprünglichen Beseitigungsauftrages und der möglicherweise erfolgten Änderungen in Bezug auf die gegenständliche Wehranlage gegeben ist.

Auch die von der belangten Behörde angestellten Überlegungen betreffend die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Wasserrechtsbehörde erster Instanz lassen nicht erkennen, dass die belangte Behörde das ihr nach § 66 Abs. 2 AVG zustehende Ermessen in rechtswidriger Weise ausgeübt hätte, zumal von der belangten Behörde die voraussichtlich notwendigen ergänzenden Erhebungen vor Ort und die Vertrautheit der Behörde erster Instanz mit den örtlichen Gegebenheiten als wesentliche Argumente für die gewählte Vorgangsweise angeführt wurden.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 11. September 2003

Schlagworte

Anwendungsbereich des AVG §66 Abs4 Inhalt der Berufungsentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002070006.X00

Im RIS seit

03.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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