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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des Dr. S in K, vertreten durch Mag. Manuela Strinzel-Kohler, Rechtsanwältin in Kremsmünster, Papiermühlstraße 9, gegen den Bescheid des Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 1. Juli 2003, Jv 2123-33/03, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 991,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Wirtschaftstreuhänder, brachte am 8. Jänner 2003 beim Arbeits- und Sozialgericht Wien in der Rechtssache 23 Cga 226/01z eine Berufung ein. Die Gerichtsgebühren gemäß TP 2 GGG in Höhe von 848 EUR wurden nicht entrichtet.
Mit Zahlungsauftrag vom 21. Mai 2003 wurden die Pauschalgebühr nach TP 2 in Höhe von 848 EUR, eine Einhebungsgebühr von 7,-- EUR sowie ein Mehrbetrag nach § 31 Abs. 1 GGG in Höhe von 290 EUR vorgeschrieben.
In dem gegen den Zahlungsauftrag erhobenen Berichtigungsantrag wurde ausgeführt, auf der Berufungsschrift sei die Anmerkung über den Gebühreneinzug irrtümlich unterblieben. Für derartige Fälle sei die Erlassung einer Zahlungsaufforderung vorgesehen. Die Pauschalgebühr sei inzwischen eingezahlt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berichtigungsantrag abgewiesen. Die Bestimmung des § 14 GEG sei eine "Kannbestimmung". Der Kostenbeamte habe daher den Zahlungsauftrag unter Anwendung der zwingenden Bestimmung des § 31 GGG zu erlassen gehabt.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Unterlassung der Einhebung eines Mehrbetrages und einer Einhebungsgebühr verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Gebührenverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 14 Abs. 1 GEG kann der Kostenbeamte vor Erlassung des Zahlungsauftrages den Zahlungspflichtigen auffordern, fällig gewordene Gerichtsgebühren oder Kosten binnen 14 Tagen zu entrichten (Zahlungsaufforderung). Eine Zahlungsaufforderung soll insbesondere dann ergehen, wenn mit der Entrichtung des Betrages gerechnet werden kann.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid zutreffend davon aus, dass die Erlassung einer Zahlungsaufforderung im § 14 GEG nicht zwingend angeordnet ist. Dies bedeutet aber, dass ihre Erlassung dem Ermessen der Behörde anheimgestellt ist. Im Sinne der allgemeinen Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens, die bei der Vorschreibung von Gerichtsgebühren heranzuziehen sind (vgl. Tschugguel/Pötscher, Die Gerichtsgebühren7, § 6 GEG, E 2, und die dort wiedergegebene hg. Rechtsprechung), sind solche Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Nach dem zweiten Satz des § 14 Abs. 1 GEG ist bei der Übung des Ermessens insbesondere zu berücksichtigen, ob mit der Entrichtung des geschuldeten Betrages durch den Zahlungspflichtigen gerechnet werden kann. Im Beschwerdefall ist den vorgelegten Akten kein Umstand zu entnehmen, auf Grund dessen der Kostenbeamte annehmen konnte, dass der Betrag vom Beschwerdeführer nicht entrichtet werden würde.
Ermessensentscheidungen sind insoweit zu begründen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1995, Zl. 95/16/0151). Dabei ist ein zweitinstanzlicher, ein Rechtsmittel abweisender Bescheid so zu werten, als ob die Rechtsmittelbehörde einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen hätte, der fortan an die Stelle dieses Bescheides tritt und dessen Wirksamkeit völlig verdrängt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl. 96/16/0023).
Im angefochtenen Bescheid erfolgte keine Begründung für die getroffene Ermessensentscheidung, an Stelle einer Zahlungsaufforderung sofort einen Zahlungsauftrag zu erlassen. Damit wird aber die Nachprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Gesetzmäßigkeit gehindert, sodass die Behörde Verfahrensvorschriften verletzt hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 600 ff und die dort wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 16. Oktober 2003
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Ermessen VwRallg8 Verfahrensbestimmungen ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003160118.X00Im RIS seit
12.11.2003