TE Vwgh Erkenntnis 2004/2/24 2002/01/0600

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Veröffentlicht am 24.02.2004
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

AVG §37;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde der G in K, vertreten durch Mag. Michael Trötzmüller, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Anzengruberstraße 51, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 29. Oktober 2002, Zl. 1W-PERS-5360/5- 2002, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. Oktober 2002 wies die Kärntner Landesregierung den Antrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und den damit verbundenen Antrag auf Erstreckung der Verleihung auf ihr minderjähriges Kind L "gemäß §§ 10 Abs. 1 und 11 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 124/1998" ab.

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid - nach Wiedergabe des Verfahrensverlaufes und der maßgebenden Rechtslage - damit, dass von einer "weiterreichenden" Integration der Beschwerdeführerin am österreichischen Arbeitsmarkt nicht ausgegangen werden könne, weil "eine Vielzahl von oft kurzfristigen Jobs und diverser nur geringfügiger Beschäftigungen" festzustellen seien. Die Beschwerdeführerin weise im Beurteilungszeitraum 32 verschiedene Arbeitgeber, entsprechend viele Unterbrechungszeiträume sowie Bezugszeiten von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe auf. Es werde dabei berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin Alleinerzieherin sei, und es werde die bisher mangelhafte Einkommenssicherung nicht vorweg als Ausschließungsgrund gewertet.

Die Einstellung eines Einbürgerungswerbers gegenüber zur Hintanhaltung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Sicherheit der Allgemeinheit erlassenen Gesetzen komme durch begangene Straftaten zum Ausdruck. Dies gelte zwar nicht hinsichtlich von Parkvergehen, aber sehr wohl hinsichtlich von Verstößen gegen Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienten. Übertretungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, "wie sie im konkreten Fall 3 Mal gesetzt wurden", seien als "schwer wiegende Verstöße gegen Schutznormen zu werten". Der Beschwerdeführerin müsse ein "sorgloser Umgang mit Sicherheitsvorschriften bescheinigt werden". Als Mutter eines unmündigen Kindes hätte sie insbesondere im Ortsgebiet größeres Augenmerk auf die einzuhaltende Geschwindigkeit legen müssen. In diesem Zusammenhang sei auch die vorschriftswidrige Personenbeförderung zu sehen, mit der die Beschwerdeführerin eine bewusste Gefährdung ihres Kindes in Kauf genommen habe; sie habe damit eine weitere Missachtung von Schutznormen gesetzt. Die belangte Behörde gelange folglich zu dem Ergebnis, dass die von der Beschwerdeführerin begangenen Verstöße gegen Verkehrsvorschriften zwar keinen "direkten Ausschließungsgrund im Sinne des § 10 StbG darstellen". Durch die "beschriebene mangelnde Rechtstreue" würden aber in der Gesamtbeurteilung die negativen Aspekte im Persönlichkeitsbild der Beschwerdeführerin überwiegen. Die Erhebungen der Bundespolizeidirektion K hätten neun verwaltungsstrafrechtliche Verurteilungen ans Tageslicht gebracht; die letzten Übertretungen würden aus dem Jahre 2001 datieren. Der seither vergangene Zeitraum sei zu kurz, um eine für die Zukunft positive Verhaltensprognose abgeben zu können. Die belangte Behörde komme zur Auffassung, dass die mangelnde Rechtstreue und ein mangelhaft besicherter Lebensunterhalt "unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Wohles und der öffentlichen Interessen" schwerer wiegen würden als die "nie bestrittene in § 10a StbG definierte Voraussetzung".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 - StbG (in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 124/1998) kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er seinen Hauptwohnsitz seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet hat (Z. 1) und kein Verleihungshindernis nach den Z. 2 bis Z. 8 vorliegt.

Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall die Versagung der Verleihung der Staatsbürgerschaft (nach Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides) nicht mit dem Fehlen notwendiger Verleihungsvoraussetzungen bzw. mit dem Vorliegen eines Verleihungshindernisses begründet, sondern sie hat sich ausschließlich darauf gestützt, dass sie das ihr in § 10 eingeräumte freie Ermessen nicht zugunsten der Beschwerdeführerin habe üben können.

§ 11 StbG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 lautet:

"Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen."

Die im angefochtenen Bescheid dargelegte Begründung erweist sich aus folgenden Erwägungen als rechtswidrig:

Die Behörde kann die Begehung strafbarer Handlungen (strafgerichtliche Verurteilungen oder Verwaltungsstrafen) im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 11 StbG berücksichtigen und als Grund für die Ablehnung des Antrages heranziehen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 7. Oktober 2003, Zl. 2002/01/0168, und vom 21. Jänner 2004, Zl. 2002/01/0296, und die dort angegebene Judikatur).

Die Ermessensübung hätte es aber erfordert, die den Verwaltungsstrafen zu Grunde liegenden Taten (maßgebliche Tathandlungen, nähere Umstände und Zeitpunkte der jeweiligen Tatbegehung) zu ermitteln und danach festzustellen (vgl. hiezu abermals das zitierte hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2003). Solche Feststellungen hat die belangte Behörde allerdings nicht getroffen. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob die von der belangten Behörde (u.a.) aus verhängten Verwaltungsstrafen gezogene Schlussfolgerung zutrifft, Gesichtspunkte des allgemeinen Wohles und der öffentlichen Interessen sprächen gegen die Einbürgerung der Beschwerdeführerin.

Davon abgesehen ist Folgendes zu bemerken: Wie die ErläutRV zur Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1998 (vgl. 1283 BlgNR 20.GP 5 und 9) festhalten, sollte - u.a. durch die Neufassung des § 11 StbG - die Integration des Fremden als das für die Verleihung der Staatsbürgerschaft maßgebliche Kriterium verankert werden, sodass die Staatsbürgerschaftsbehörde bei ihrer Entscheidung nach § 11 StbG vor allem die Integration des Fremden und deren Ausmaß zu beachten hat (vgl. auch dazu das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2004). Mit der Integration der Beschwerdeführerin hat sich die belangte Behörde demgegenüber nur ansatzweise (im Zusammenhang mit der Darstellung der Beschäftigungsverhältnisse) auseinander gesetzt, weshalb ihre Ermessensübung auch von daher nicht dem Gesetz entspricht.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 24. Februar 2004

Schlagworte

Begründung von Ermessensentscheidungen Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002010600.X00

Im RIS seit

01.04.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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