TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/20 2003/06/0114

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Veröffentlicht am 20.04.2004
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42 Abs1 idF 1998I/I158;
AVG §42 Abs2 idF 1998I/I158;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des H R in 8010 G, vertreten durch Dr. Werner Stauder, Rechtsanwalt in Graz, Murgasse 14, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 10. Juni 2003, Zl. A 17 - 7.346/2003 - 1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. DI K E und 2. M E, beide in G, beide vertreten durch Hofstätter & Kohlfürst OEG, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Marburgerkai 47), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und den mitbeteiligten Parteien zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligten Parteien (kurz: Bauwerber) sind Eigentümer eines Grundstückes in Graz, welches mit seiner nördlichen Seite zu etwa zwei Drittel (im östlichen Teil) an das Grundstück Nr. 369/5, mit dem weiteren (kleineren, westlichen) Teil seiner nördlichen Grenze sowie mit seiner gesamten westlichen Seite an das Grundstück Nr. 369/1 des Beschwerdeführers grenzt. Im Bereich dieser westlichen Grenze befindet sich auf dem Grundstück des Beschwerdeführers ein Tennisplatz (welcher den Akten zufolge von den Bauwerbern genutzt wird). Auf dem Grundstück der Bauwerber befinden sich mehrere Gebäude, darunter eines im westlichen Bereich beim Tennisplatz (welches, wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, zum Teil über die Grenze auf das Grundstück des Beschwerdeführers ragt). Gegenstand dieses Bauverfahrens ist aber ein anderes Gebäude im Bereich der nördlichen Grundgrenze, welches weitaus überwiegend gegenüber dem Grundstück Nr. 369/5 situiert ist (nur ein kleiner, als "Gartenhaus" bezeichneter Teil befindet sich zum Teil auch gegenüber dem Grundstück des Beschwerdeführers).

Mit dem am 5. Februar 2003 bei der Behörde eingelangten Baugesuch vom 23. Jänner 2001 beantragten die Bauwerber die Erteilung der baubehördlichen Genehmigung für Zu- und Umbaumaßnahmen betreffend dieses Haus (dem Lageplan zufolge ist nur der Teil des Gebäudes betroffen, der gegenüber dem Grundstück Nr. 369/5 liegt).

Mit Erledigung vom 11. Februar 2003 wurde die Bauverhandlung für den 26. Februar 2003 anberaumt; hiezu wurde auch der Beschwerdeführer geladen. Die Ladung/Kundmachung enthält folgenden Hinweis:

"Als Beteiligte beachten Sie bitte, dass Einwendungen gegen den Gegenstand der Verhandlung, die nicht spätestens am Tage vor der Verhandlung der Behörde bekannt gegeben oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung mehr finden und angenommen wird, dass Sie dem Gegenstand der Verhandlung zustimmen.

Außerdem wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 42 AVG nur die Nachbarn Parteistellung behalten, die spätestens am Tage vor der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erheben."

In der Bauverhandlung erklärte der Beschwerdeführer, der in Begleitung seines Sohnes erschienen war: "Wir behalten uns die Prüfung des Bauvorhabens bezüglich Grundstücksabständen und Bebauungsdichte vor".

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 28. Februar 2003 wurde den Bauwerbern die angestrebte Bewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen erteilt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Bauverhandlung wurde als unzulässig zurückgewiesen, was damit begründet wurde, dass es sich dabei um keine Einwendungen im Sinne des § 26 Abs. 1 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (Stmk. BauG) handle.

Dagegen erhob der nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführer Berufung, in welcher er auf sein fortgeschrittenes Alter verwies und vorbrachte, nach nunmehr erfolgter anwaltlicher Beratung und Einsicht in den Bauakt sei er der Auffassung, dass das Bauvorhaben sehr wohl in seine Nachbarrechte eingreife und dass er durch den angefochtenen Bescheid in seinen Nachbarrechten beeinträchtigt werde. Im Einzelnen würden seine Anrainerrechte durch das Vorhaben und den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid wie folgt beeinträchtigt:

Die Bauwerber seien seiner Auffassung nach noch nicht bücherliche Eigentümer des Grundstückes. Selbst wenn sie aber bereits grundbücherliche Eigentümer sein sollten, so wären sie dennoch nicht zur Antragstellung legitimiert "weil sich der gegenständliche Tennisplatz" auf seinem Grundstück befinde. Dieses Grundstück werde den Bauwerbern nur auf Grund vertraglicher Regelung zur Benützung zur Verfügung gestellt (wurde näher ausgeführt). Durch die beabsichtigte Bauführung "wird daher massiv in meine Nachbarrechte eingegriffen".

Dazu komme, "dass die Rechtmäßigkeit der Errichtung der auf meinen Grundstücken errichteten Baulichkeiten (= Tennisplatz) vorab geklärt werden müsste, denn nur auf eine rechtmäßig erteilte Bewilligung kann ein 'neuer Baubescheid' gegründet werden".

Das geplante Bauvorhaben beeinträchtige seine subjektivöffentlichen Rechte in mehrfacher Hinsicht. Zwischen den beiden Grundstücken bestehe keine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Feuermauer. Schon deshalb wäre das Baugesuch abzuweisen. Dazu komme, dass die Bauwerber die Grenze zwischen ihrem und seinem Grundstück "durch Überbauten verletzt" hätten. Eine diesbezügliche Bauverhandlung habe in den letzten Jahrzehnten nicht stattgefunden. Es sei daher davon auszugehen, dass die Überbauung der Grundstücksgrenze durch die Bauwerber nicht rechtmäßig erfolgt sei. Auf eine rechtswidrige (also ohne baubehördliche Bewilligung) erfolgte Bauführung könne daher nicht aufgebaut werden. Wenn er diesbezügliche Einwendungen bei der Bauverhandlung nicht vorgebracht habe, so deshalb, weil er damals anwaltlich nicht vertreten gewesen und vom Verhandlungsleiter auf diese Rechts- und Sachlage nicht hingewiesen worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer weder rechtzeitig vor noch in der Bauverhandlung Einwendungen im Rechtssinn erhoben habe, womit er seine Parteistellung verloren habe. Das Vorbringen in der Bauverhandlung, "wir behalten uns die Prüfung des Bauvorhabens bezüglich Grundstücksabstände und der Bebauungsdichte vor" stelle keine Einwendungen im Rechtssinn dar. Im Übrigen werde auch sonst in der Berufung keine Verletzung von Nachbarrechten geltend gemacht.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligten Bauwerber, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die belangte Behörde hat über Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofes ergänzend die in der Beschwerde genannten Akten A 10/3 C-36967/2003 (= A 17-7.435/2003) und A 17-7.709/2003 vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998, die Parteistellung behalten hat.

Gemäß § 26 Abs. 1 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

2.

die Abstände (§ 13);

3.

den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);

4.

die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);

5.

die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);

              6.              die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."

Es trifft zu, dass der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, er behalte sich die Prüfung des Bauvorhabens bezüglich der Grundstücksabstände und der Bebauungsdichte vor, keine Einwendungen im Rechtssinn erhoben hat, weil das Vorbringen allenfalls als Ankündigung, möglicherweise Einwendungen dieser Art erheben zu wollen, zu deuten ist, was aber nicht ausreicht (ein Verhandlungsteilnehmer kann den Eintritt der Rechtsfolgen des § 42 AVG nicht dadurch abwenden, dass er sich vorbehält, Einwendungen zu erheben: siehe dazu die in Hauer / Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, in E 30 zu § 42 Abs. 1 und  2 AVG angeführte hg. Judikatur). Da in der Ladung zur Bauverhandlung auch darauf hingewiesen wurde, dass der Nachbar nur dann die Parteistellung behalte, wenn er spätestens am Tage vor der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt, hat demnach der Beschwerdeführer mangels rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen seine Parteistellung als Nachbar verloren.

Das Berufungsvorbringen und, dem folgend, das Beschwerdevorbringen, kann aber auch dahin verstanden werden, dass der Beschwerdeführer meine, es werde unzulässigerweise die gemeinsame Grenze überbaut, das Gebäude demnach auch auf seinem Grund errichtet, womit er nicht einverstanden sei. Insofern tritt er nicht als Nachbar auf (weil ein Nachbar begrifflich Eigentümer eines anderen Grundstückes als jenes ist, das bebaut werden soll), sondern als Grundeigentümer.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ergänzend Einsicht in die in der Beschwerde genannten Akten A 17-7.709/2003 bzw. A 10/3-C- 36967/2003 genommen. Diese beziehen sich auf das in der Beschwerde genannte Gebäude, welches sich allerdings im Bereich des Tennisplatzes befindet (und den Akten zufolge teilweise auf dem Grundstück des Beschwerdeführers errichtet wurde). Hier geht es aber um ein anderes Gebäude, nämlich um das Wohnhaus im Bereich der nördlichen Grenze. Dass das verfahrensgegenständliche Gebäude teilweise auf dem Grundstück des Beschwerdeführers errichtet wäre oder aber mit dem hier gegenständlichen Vorhaben das Grundstück des Beschwerdeführers teilweise in Anspruch genommen werden solle, ist dem Berufungsvorbringen (wie im Übrigen auch dem Beschwerdevorbringen) nicht zu entnehmen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003 (hinsichtlich der mitbeteiligten Bauwerber im Rahmen des eingeschränkten Kostenbegehrens).

Wien, am 20. April 2004

Schlagworte

Baurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003060114.X00

Im RIS seit

13.05.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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