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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der Marktgemeinde Bisamberg, vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in 2000 Stockerau, Th. Pampichler Straße 1a, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. Oktober 2001, Zl. RU1-V-96033/04, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Josef Mörth in 1010 Wien, Postgasse 2/1/18), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Auf Grund des Antrages vom 21. Mai 1992 wurde dem Mitbeteiligten und seiner Gattin bzw deren Rechtsvorgängerin B. mit Bescheid vom 29. Juni 1992 die Bewilligung zur Vereinigung der Parzellen Nr 90/19 und 90/20 sowie zur Verschiebung der Grundgrenze zwischen den Parzellen Nr 90/20 und 90/21 erteilt. Diese Parzellen liegen nebeneinander am Weg Parzelle Nr 90/10 (öffentliches Gut Lavendelweg). Grundlage dieses Bescheides war der Teilungsplan GZ 11564. Die Bewilligung wurde unter der Bedingung erteilt, dass eine Teilfläche 2 von 39 m2 der Parzelle Nr 90/19 und eine Teilfläche 3 von 116 m2 der Parzelle Nr 90/20 kostenlos in das öffentliche Gut der Beschwerdeführerin abzutreten und mit der Parzelle Nr 90/10 zu vereinigen sei. Weitere Bedingung war, dass eine Servitut (Kanal- und Wasserleitung zu einem dahinter befindlichen Grundstück) für die Beschwerdeführerin in der Breite von 2 m entlang der Grundstücksgrenze der Parzelle 90/21 auf dem Grundstück Nr 90/20 eingetragen werde. Adressiert war der Bescheid an B. als "noch grundbücherlicher Eigentümer" und an den Mitbeteiligten und seine Gattin als "außerbücherliche Eigentümer", allen zu Handen des Planverfassers.
Mit weiterem Bescheid, ebenfalls vom 29. Juni 1992, wurde dem Mitbeteiligten und seiner Gattin als Bauwerber und Grundeigentümer die Bewilligung für den Neubau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück Parzelle Nr 90/21 erteilt. Der Bewilligung lag ein Plan zu Grunde, auf dem diese Parzelle bereits in der Größe laut Teilungsplan aufscheint. Dieses Bauvorhaben wurde ausgeführt, die Endbeschau fand am 4. Februar 1994 statt.
Der Teilungsplan GZ 11564 konnte nicht verbüchert werden, da der Mitbeteiligte und seine Gattin die Zustimmung zur grundbücherlichen Durchführung verweigerten. Auf Grund dieser Weigerung war beim BG Korneuburg ein Verfahren anhängig, welches durch Vergleich vom 4. Oktober 2000 beendet wurde. Dieser lautet:
"1.) Die beklagten Parteien (Mitbeteiligter und Gattin) verpflichten sich, einen Teilungsplan hinsichtlich der streitgegenständlichen Grundstücke EZ 175, Gst. 90/19 und 90/20, EZ 1498, Gst 90/10, beide KG 11023 B, binnen 14 Tagen ab Rechtswirksamkeit dieses Vergleiches in Auftrag zu geben, wobei dieser Teilungsplan die Flächenabtretung wie im Bescheid der Marktgemeinde B vom 29. Juni 1992, Zl 1532-223/M/92 (Beilage ./A), berücksichtigt.
2.) Die Klägerin verzichtet auf die im oben angeführten Bescheid den beklagten Parteien auferlegte Servitut der Kanal- und Wasserleitung betreffend das Grundstück 90/20."
Wie sich aus dem daraufhin erstellten Teilungsplan vom 20. November 2000, GZ 16359, ergibt, ist er mit dem bereits im Jahr 1992 erstellten Teilungsplan im Hinblick auf die in das öffentliche Gut abzutretenden Teilflächen Nr 7 und 8 (früher: 2 und 3) und auch die Grenzverschiebung zwischen den Grundstücken Nr 90/20 und 90/21 ident. Die Vereinigung der Grundstücke Nr 90/19 und 90/20 ist aber nicht mehr vorgesehen, vielmehr ist auch zwischen diesen sowie dem Grundstück Nr 90/18 lediglich eine Grenzverschiebung geplant.
Am 12. Dezember 2000 zeigte der Mitbeteiligte bei der Baubehörde diesen Teilungsplan samt den zugehörigen Einverständniserklärungen der betroffenen Grundstückseigentümer an. Er wies auf die notwendige Abtretung der Teilflächen in das öffentliche Gut und auf § 12 NÖ Bauordnung 1996 hin.
Mit Bescheid vom 12. Februar 2001 verpflichtete die Bürgermeisterin der Beschwerdeführerin als Baubehörde erster Instanz infolge der Anzeige und auf Grundlage des Teilungsplanes GZ 16359 den Mitbeteiligten und seine Gattin zur Abtretung der Teilfläche 7 des Grundstückes Nr 90/19 und der Teilfläche 8 des Grundstückes Nr 90/20 ohne Entschädigung in das öffentliche Gut der Beschwerdeführerin. Als Rechtsgrundlage nannte der Bescheid §§ 10 und 12 NÖ Bauordnung 1996, insbesondere § 12 Abs 1.
Dagegen erhoben sowohl der Mitbeteiligte als auch seine Gattin Berufung. Sie wendeten sich dagegen, die Abtretung entschädigungslos vornehmen zu müssen. Es stehe Ihnen eine Entschädigung zu, da bereits im Zusammenhang mit der 1972 erfolgten Bauplatzschaffung von ihren Rechtsvorgängern die zur Schaffung des Lavendelweges notwendigen Flächen in das öffentliche Gut abgetreten worden seien. Es handle sich daher um die Abtretung zusätzlicher Verkehrsflächen, für die nach § 12 NÖ BO keine (gemeint wohl: eine) Entschädigung zu leisten wäre.
Mit Bescheid vom 11. Juni 2001 wies der Gemeindevorstand die Berufung des Mitbeteiligten ab und bestätigte den Bescheid der Bürgermeisterin. Er begründete seine Entscheidung damit, dass die Anordnung der Abtretung der Grundstücksteilflächen bereits durch den rechtskräftigen Bescheid vom 29. Juni 1992 erfolgt sei. Der vom Mitbeteiligten angefochtene Bescheid sei lediglich in Folge des von den Berufungswerbern vorgelegten neuen Teilungsplanes (welcher aber hinsichtlich der Abtretung ident mit dem Bescheid vom 29. Juni 1992 sei) notwendig gewesen. Nur die teilweise Änderung des § 13 NÖ Bauordnung 1976 durch § 12 NÖ Bauordnung 1996 rechtfertige ein Eingehen in der Sache, da ansonsten res iudicata vorgelegen wäre. Die Grundabtretung sei auf Grund des Antrages erfolgt; dadurch seien drei vollwertige Bauplätze geschaffen worden.
In der dagegen erhobenen Vorstellung machten der Mitbeteiligte und seine Gattin geltend, dass die Berufungsentscheidung Sachverhaltsfeststellungen bezüglich des Bescheides vom 29. Juni 1992 enthalte, die ohne formelles Beweisverfahren getroffen und den beteiligten Parteien nicht vorgehalten worden seien. Der Bescheid vom 29. Juni 1992 sei weder ergangen noch in Rechtskraft erwachsen. Er sei niemals rechtswirksam zugestellt worden. Als Bescheidadressatin sei die ursprüngliche Liegenschaftseigentümerin angeführt worden, obgleich sie zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr Eigentümerin gewesen sei. Im gerichtlichen Vergleich sei vom Mitbeteiligten und seiner Gattin keinesfalls die Verpflichtung übernommen worden, die gegenständlichen Flächenabtretungen entschädigungslos vorzunehmen. Bereits anlässlich der Schaffung der Bauplätze im Jahr 1972 sei die erforderliche entschädigungslose Grundabtretung erfolgt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung des Mitbeteiligten Folge gegeben, der Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Die Vorstellung der Gattin des Mitbeteiligten wurde als unzulässig zurückgewiesen. Die belangte Behörde ging in ihrer Begründung, gestützt auf § 11 Abs 1 NÖ Bauordnung 1976, davon aus, dass die Grundabteilungsbewilligung vom 29. Juni 1992 jedenfalls 1994 erloschen sei, weil keine Baubewilligung erwirkt worden und das Grundstück Nr 90/20 unbebaut geblieben sei. Wenngleich somit der gegenständliche Bescheid vom 29. Juni 1992 rechtskräftig geworden sei, könne er infolge seines Erlöschens nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, dass die nunmehrige Grundabtretung entschädigungslos zu erfolgen habe. Die Gemeindebehörden würden daher im fortgesetzten Verfahren zu klären haben, ob ein Entschädigungsanlass im Sinne des § 12 Abs 3 NÖ Bauordnung 1996 vorliege oder ob für die abzutretenden Grundflächen den Vorstellungswerbern keine Entschädigung gebühre. Der angefochtene Bescheid habe das Recht des Vorstellungswerbers auf eine nachvollziehbare Entscheidung verletzt. Im fortgesetzten Verfahren müsse auf die Abtretung aus 1972 eingegangen und beachtet werden, dass in der NÖ Bauordnung das Ausmaß der entschädigungslos abzutretenden Flächen im Gegensatz zur NÖ Bauordnung 1976 von 12 m auf 7 m herabgesetzt worden sei.
In ihrer dagegen erhobenen, auf Art 119a Abs 9 B-VG gestützten Beschwerde verwies die Beschwerdeführerin auf die bezüglich des teilungsgegenständlichen Grundstückes Nr 90/21 erteilte Baubewilligung, sodass von einem Erlöschen der Teilungsbewilligung aus 1992 keine Rede sein könne. Dort wie auch im Vergleich hätte sich der Mitbeteiligte zur entschädigungslosen Abtretung verpflichtet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für das durch die gegenständliche Anzeige eingeleitete Verfahren gelangen folgende Bestimmungen der Bauordnung für Niederösterreich 1996 idF LGBl Nr 8200-6 (BO) zur Anwendung:
"§ 10 Änderung von Grundstücksgrenzen im Bauland
(1) Änderungen von Grundstücksgrenzen im Bauland sind vor ihrer Durchführung im Grundbuch der Baubehörde anzuzeigen...
§ 12 Grundabtretung für Verkehrsflächen
(1) Die Eigentümer sind verpflichtet, Grundflächen, die zwischen den Straßenfluchtlinien liegen und nicht mit einem Gebäudeteil bebaut sind, in das öffentliche Gut der Gemeinde abzutreten, wenn
1. die Änderung von Grundstücksgrenzen (§ 10), ausgenommen in Aufschließungszonen, oder die Herstellung von Einfriedungen (§ 15 Abs. 1 Z. 17), angezeigt wird, oder
2. eine Baubewilligung im Bauland für einen Neu- oder Zubau eines Gebäudes, ausgenommen Gebäude für öffentliche Ver- und Entsorgungseinrichtungen mit einer Grundrissfläche bis zu 25 m2 und einer Gebäudehöhe bis zu 3 m, oder für die Herstellung einer Einfriedung gegen öffentliche Verkehrsflächen oder für die Herstellung einer Abstellanlage für Kraftfahrzeuge auf bisher unbebauten Grundstücken erteilt wird.
Erfolgt eine Anzeige nach Z. 1 und ist durch einen Bebauungsplan keine Straßenfluchtlinie festgelegt, ist im Bescheid, mit dem die Grundabtretung vorgeschrieben wird, die Straßenfluchtlinie und deren Niveau zu bestimmen.
Die Grundflächen sind frei von in Geld ablösbaren Lasten und geräumt von baulichen Anlagen, Gehölzen und Materialien zu übergeben. Die grundbücherliche Durchführung ist von dem zur Grundabtretung verpflichteten Eigentümer zu veranlassen. Die Baubehörde hat dem Eigentümer mit Bescheid die Grundabtretung aufzutragen.
(2) Keine Entschädigung für die abzutretende Grundfläche gebührt, wenn an beiden Seiten der Verkehrsfläche Bauland angrenzt bis zur Mitte der Verkehrsfläche, höchstens bis zur Breite von 7 m, oder nur an einer Seite Bauland angrenzt bis zur ganzen Breite der Verkehrsfläche, höchstens 14 m. Wenn an zwei oder mehreren Seiten eines Grundstücks Grundflächen abzutreten sind, dann gilt dieselbe Regelung.
(3) Eine Entschädigung gebührt für jene Grundfläche, die über das im Abs. 2 angeführte Ausmaß oder, wenn eine Straßenfluchtlinie neu festgelegt und zuvor schon im vollen, damals gesetzmäßigen Ausmaß für dieselbe Verkehrsfläche abgetreten wurde, nunmehr zusätzlich abzutreten ist."
Im Beschwerdefall wurde von der Baubehörde ein Auftrag im Sinne des § 12 Abs 1 letzter Satz NÖ BO unter Anwendung des § 12 Abs 2 NÖ BO erteilt. Gegen die aufhebende Vorstellungsentscheidung bringt die Beschwerdeführerin zunächst vor, die belangte Behörde sei auf die Tatsache, dass sich der Mitbeteiligte sowie dessen Gattin mit gerichtlichem Vergleich zur unentgeltlichen Flächenabtretung verpflichtet hätten, nicht eingegangen.
Dieser Vergleich spielt im gegebenen Zusammenhang schon deshalb keine Rolle, weil gerade die Frage der Entschädigung vom Vergleich nicht erfasst wurde.
Die Beschwerdeführerin, die bestimmte Rechtsfolgen aus der Bewilligung vom 29. Juni 1992 ableitet, bekämpft zunächst die Rechtsauffassung der belangten Behörde, diese Bewilligung sei mangels Ausnutzung erloschen. Die belangte Behörde habe ihre Ermittlungstätigkeit lediglich auf das für die Parzellen Nr 90/19 und 90/20 anhängige Bauverfahren beschränkt, Ermittlungen hinsichtlich der Parzelle Nr 90/21 seien nicht gepflogen worden. Für diese sei aber eine baubehördliche Bewilligung erteilt, das Bauverfahren ausgeführt und genehmigt worden, sodass die Grundabteilungsbewilligung vom 29. Juni 1992 nicht erloschen sein könne.
§ 11 NÖ Bauordnung 1976 sah vor, dass die Bewilligung der Grundabteilung erlischt, wenn die Grundabteilung nicht binnen zwei Jahren ab der Rechtskraft des Bescheides bei Gericht beantragt wird. Wenn allerdings auf Grund einer solchen Bewilligung eine Baubewilligung erteilt wurde, erlischt die Bewilligung der Grundabteilung erst zugleich mit (Erlöschen) der Baubewilligung.
Keiner dieser Erlöschenstatbestände ist eingetreten, weil unter Inanspruchnahme der neuen Bauplatzgröße eine Baubewilligung für das Grundstück Nr 90/21 im Jahr 1992 erteilt worden ist und die Baubewilligung auch ausgenutzt wurde und somit nicht erloschen ist. Dies gilt für alle im Grundabteilungsbescheid genannten, wenn auch von der gegenständlichen Baubewilligung nicht direkt betroffenen, Grundstücke. Eine Trennung einer Verwaltungssache nach mehreren Punkten ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung über jeden dieser Punkte ohne Einfluss auf die Entscheidung über alle anderen Punkte ist, sodass jeder Punkt als Hauptfrage für sich entschieden werden kann (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2, § 59 AVG, 974). Dies war im gegenständlichen Fall nicht möglich, da die Veränderungen der drei Grundstücke in einer wechselseitigen Beziehung zueinander stehen. Der Grundabteilungsbescheid vom 29. Juni 1992 ist daher nicht nach den einzelnen betroffenen Grundstücken teilbar und somit auf Grund der Baubewilligung für das Grundstück Parzelle Nr 90/21 nicht erloschen.
Dementsprechend hält die belangte Behörde in der Gegenschrift ihre diesbezügliche Rechtsauffassung offenbar nicht mehr aufrecht, verweist aber darauf, dass auf Grund des durch die neue Anzeige vom 12. Dezember 2000 eingeleiteten Verfahrens, die Folgen der Grundabtretung neu, also unabhängig vom Bescheid vom 29. Juni 1992, zu beurteilen waren.
Gemäß § 12 Abs 1 BO sind die Eigentümer verpflichtet, Grundflächen, die zwischen den Straßenfluchtlinien liegen und nicht mit einem Gebäudeteil bebaut sind, in das öffentliche Gut der Gemeinde abzutreten, wenn die Änderung von Grundstücksgrenzen (§ 10 BO) angezeigt wird. Nach § 10 NÖ Bauordnung 1976 bedurfte jede Veränderung von Grundstücksgrenzen einer Bewilligung durch die Baubehörde. Die bloße Anzeigepflicht einer Änderung von Grundstücksgrenzen sieht erst § 10 BO vor. Hinsichtlich der Entschädigung des Grundeigentümers für die abzutretende Grundfläche wurde in § 12 BO das Ausmaß für entschädigungslos abzutretende Flächen im Vergleich zur NÖ Bauordnung 1976 herabgesetzt. Bezüglich der Entschädigung für zusätzlich abzutretende Flächen für Verkehrsflächen sehen aber sowohl die NÖ BO als auch die NÖ Bauordnung 1976 entsprechende Regelungen vor.
Res iudicata gemäß § 68 Abs 1 AVG liegt vor, wenn seit Erlassung des ersten Bescheides die maßgebende Sach- und Rechtslage in den entscheidungswichtigen Punkten unverändert geblieben ist. Die Sache verliert hingegen ihre Identität, wenn in den entscheidungsrelevanten Fakten bzw in den die Entscheidung tragenden Normen wesentliche, das heißt die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende, Änderungen eintreten. Es kann dabei nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (hg. Erkenntnis vom 21. Mai 2001, Zl 2000/17/0217). So steht es einem Bauwerber etwa frei, bei einer für ihn günstigeren Rechtslage ein inhaltlich gleiches Baugesuch einzubringen. In einem solchen Fall stünde nicht einmal bei Unterlassung der Zurückziehung des ersten Baugesuches einem zweiten Baugesuch res iudicata entgegen, weil infolge der geänderten Rechtslage in rechtlicher Hinsicht eine andere Sache vorliegt (vgl hg Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl 98/06/0212).
Eine alle Erfordernisse des § 10 NÖ BO erfüllende Anzeige hat der Mitbeteiligte, gestützt auf den Teilungsplan GZ 16359, erstattet. Dieser Teilungsplan entspricht zwar weitestgehend jenem aus dem Jahr 1992, doch ist darin nicht mehr die Vereinigung der Grundstücke 90/19 und 90/20 vorgesehen, sondern lediglich die Verschiebung der Grundstücksgrenzen zwischen diesen Grundstücken.
Richtig zeigt die belangte Behörde auf, dass sich die Gemeindebehörden mit dem vom Mitbeteiligten geltend gemachten Einwand, es liege eine gegenüber 1972 zusätzliche Abtretung von Verkehrsflächen vor, nicht auseinander gesetzt hätten. Da somit nicht festgestellt wurde, ob eine solche zusätzliche Abtretung gegeben ist oder nicht, kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass auf Grund der möglicherweise sodann tragend werdenden Herabsetzung des Ausmaßes der entschädigungslos abzutretenden Flächen eine andere rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes im Dezember 2000 als im Jahr 1992 zu erfolgen hatte. Durch die Anzeige der Änderung der Grundstücksgrenzen im Dezember 2000 und der zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Änderung der Rechtsnormen durch die NÖ Bauordnung 1996 liegt ein geänderter Sachverhalt vor, der von der Behörde nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage zu beurteilen ist. Im gegebenen Zusammenhang ist daher neben den weiteren Voraussetzungen nach § 12 Abs 2 oder 3 NÖ BO die Frage zu prüfen, ob es sich um eine zusätzliche Abtretung für Verkehrsflächen handelt oder vielmehr die Bestimmungen hinsichtlich des Ausmaßes der entschädigungslos abzutretenden Grundflächen zur Anwendung gelangen.
Da die belangte Behörde somit zu Recht den Berufungsbescheid aufgehoben hat, erwies sich die Beschwerde als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs 2. Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand gebührt nur dann, wenn der Mitbeteiligte tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 49 Abs 1 VwGG idF BGBl. I Nr. 158/1998).
Wien, am 18. Mai 2004
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter AbspruchMaßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftMaßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseRechtskraft Besondere Rechtsgebiete BaurechtBaubewilligung BauRallg6Zurückweisung wegen entschiedener SacheIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001051152.X00Im RIS seit
16.06.2004Zuletzt aktualisiert am
08.08.2009