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E1N;Norm
11994N/PRO/09 EU-Beitrittsvertrag Prot9 Art1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des JW in E, Belgien, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 25. September 2001, Zl. uvs-2001/K10/058-2, betreffend Übertretung gemäß dem Güterbeförderungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
In der Anzeige der Zollwachabteilung Kufstein vom 16. September 2000 ist festgehalten, dass der Beschwerdeführer mit dem näher angeführten Sattelzugfahrzeug samt Sattelanhänger am 15. September 2000 um 12.45 Uhr anlässlich einer Zollkontrolle keine Genehmigung gemäß § 7 Güterbeförderungsgesetz vorlegen habe können. Der Beschwerdeführer habe eine "CEMT EURO 2 Genehmigung (Supergrünes u. sicheres KFZ) mit zugehörigem Fahrtenberichtsheft und zusätzlich ein CEMT Kontrolldokument für 'supergrüne und sichere Kraftfahrzeuge', das erforderliche CEMT Kontrolldokument nicht" vorweisen können.
In der in der Folge an den Beschwerdeführer ergangenen
Aufforderung zur Rechtfertigung wurde dem Beschwerdeführer zur
Last gelegt,
"als Lenker der Sattelzugmaschine mit dem Kennzeichen ... (B)
und des Sattelaufliegers mit dem Kennzeichen ... (NL)
(höchstzulässiges Gesamtgewicht über 7,5 t) am 15.09.2000 eine Transitfahrt im gewerbsmäßigen Güterverkehr durch das Gebiet der Republik Österreich auf der Strecke Autobahn A 12 von Deutschland kommend und nach Italien fahrend durchgeführt zu haben, wobei anlässlich einer Kontrolle der Zollwachabteilung Kufstein/MÜG am 15.09.2000 um 12.45 Uhr auf der A 12 Kontrollstelle im Gemeindegebiet von Kundl entgegen den Bestimmungen des § 7 Güterbeförderungsgesetz keine vollständige CEMT-Genehmigung zur Prüfung vorgelegt werden konnte (das erforderliche CEMT Kontrolldokument konnte nicht vorgelegt werden)."
Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 3 Güterbeförderungsgesetz 1995 begangen. Diese an den Beschwerdeführer zu der Adresse des Unternehmens, für die der Beschwerdeführer tätig war, gerichtete Aufforderung wurde an dieser Adresse am 12. März 2001 übernommen.
Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 23. April 2001 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Lenker der näher angeführten Sattelzugmaschine und des näher angeführten Sattelaufliegers mit dem höchstzulässigem Gewicht über 7,5 t eine Transitfahrt im gewerbsmäßigen Güterverkehr durch das Gebiet der Republik Österreich auf der Strecke Autobahn A 12 von Deutschland kommend und nach Italien fahrend durchgeführt,
"wobei anlässlich einer Kontrolle der Zollwachabteilung Kufstein/MÜG am 15.09.2000 um 12.45 Uhr auf der A 12 Kontrollstelle im Gemeindegebiet von Kundl entgegen den Bestimmungen des Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) 3298/94 in der Fassung der EGVO 1524/96 und EGVO 609/2000, die auf Grund des § 8 Abs. 2 GütbefG sowie des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und Straße, BGBl. Nr. 823/1992, vorgeschriebene Ökokarte mit der erforderlichen Anzahl von geklebten und entwerteten Ökopunkten oder ein im Kraftfahrzeug eingebautes, elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht (Ecotag), nicht zur Prüfung vorgelegt. Der Beschuldigte hat eine CEMT-Genehmigung mit der Nr. 0266 vorgelegt, wobei es sich um eine CEMT EURO 2-Genehmigung handelt, für welche ein CEMT-Kontrolldokument für 'supergrüne und sichere Kraftfahrzeuge' erforderlich ist. Dieses Kontrolldokument konnte aber nicht vorgelegt werden, weshalb die vorgelegte CEMT-Genehmigung nicht gültig" war.
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 3 und Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 i.d.F. der Verordnungen (EG) Nr. 1524/96 und Nr. 609/2000 begangen. Gemäß § 23 Abs. 1 und 2 Güterbeförderungsgesetz 1995 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 in der angeführten Fassung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von fünf Tagen) verhängt.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. September 2001 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die als erwiesen angenommene Tat zu lauten habe wie folgt:
"Der Beschuldigte J... W... hat am 15.9.2000 als Lenker des
Sattelkraftfahrzeuges, bestehend aus dem Sattelzugfahrzeug mit dem
amtlichen Kennzeichen ... (B) und dem Sattelanhänger mit dem
amtlichen Kennzeichen ... (NL) mit einem höchstzulässigen
Gesamtgewicht über 7,5 t, wie bei einer Kontrolle der
Zollwachabteilung Kufstein/MÜG am 15.9.2000 um 12.45 Uhr auf der
A 12-Kontrollstelle im Gemeindegebiet von Kundl festgestellt
worden ist, ohne einen Umweltdatenträger zu benutzen, ein
ökopunktepflichtige Transitfahrt durch das Gebiet der Republik
Österreich von Deutschland kommend in Richtung Italien auf der
Strecke von Kufstein/Kiefersfelden bis zum Kontrollort
durchgeführt und hat dabei entgegen der Bestimmung des Art. 1
Abs. 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 i.d.g.F. kein
ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine
österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die
betreffende Fahrt mitgeführt, wobei die vorgelegte CEMT-
Genehmigung mit der Nummer 0266 nicht ausreichte, da es sich um
eine CEMT EURO 2 Genehmigung handelte, für welche ein CEMT-
Kontrolldokument für supergrüne und sichere Kraftfahrzeuge
erforderlich ist, wobei ohne Vorlage dieses Kontrolldokumentes die
vorgelegte CEMT-Genehmigung nicht gültig war."
Weiters habe die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides wie folgt zu lauten:
"§ 23 Abs. 1 Ziff. 8 des GütbefG, BGBl. Nr. 593/1995 i.d.F. BGBl. I Nr. 17/1998 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 i.d.g.F."
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593 (GütbefG), ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und eine Bewilligung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (nunmehr Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) für den Verkehr nach, durch oder aus Österreich erhalten haben; eine Bewilligung ist jedoch nicht erforderlich, wenn eine anders lautende Anordnung nach Abs. 6 ergangen ist oder wenn eine Vereinbarung gemäß § 8 besteht.
Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 3 und Z. 8 GütbefG i.d.F. BGBl. Nr. 17/1998 begeht - abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen - eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu ahnden ist, wer
"...
3. als Unternehmer Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Bewilligung durchführt oder Gebote oder Verbote von zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht einhält;
...
8. unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist;
... ."
Gemäß § 23 Abs. 2 zweiter Satz GütbefG in der angeführten Fassung hat die Geldstrafe bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 Z. 3 und Z. 7 bis 9 mindestens S 20.000,-- zu betragen.
Gemäß Art. 1 des dem EU-Beitrittsakt beigefügten Protokolles Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich (BGBl. Nr. 45/1995) gilt als Transitverkehr durch Österreich jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen (lit. c), als Straßengütertransitverkehr durch Österreich jeder Transitverkehr, der mit Lastkraftwagen durchgeführt wird, unbeschadet ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind (lit. e).
Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission und der (am 11. April 2000 in Kraft getretenen) Verordnung (EG) Nr. 609/2000 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs
"die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:
a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder
b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder
c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder
d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist. ...
(1a) Transitfahrten unter den in Anhang C genannten Bedingungen oder im Rahmen von im österreichischen Hoheitsgebiet gültigen CEMT-Genehmigungen sind von der Ökopunkteregelung ausgenommen."
Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist.
Gemäß § 31 Abs. 2 VStG beträgt die Verjährungsfrist bei Verwaltungsübertretungen, die nicht Übertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben sind, sechs Monate. Diese Frist ist gemäß § 31 Abs. 2 zweiter Satz VStG von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
Gemäß § 32 Abs. 1 VStG ist Beschuldigter die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluss der Strafsache.
Gemäß § 32 Abs. 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Mit der an den Beschwerdeführer gerichteten Aufforderung zur Rechtfertigung (zur Post gegeben mit internationalem Rückschein am 10. November 2000) wurde eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG gesetzt, in der dem Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 3 GütbefG wegen Nichteinhaltung des § 7 GütbefG vorgehalten wurde. Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer demgegenüber nicht nur eine Verwaltungsübertretung des § 23 Abs. 1 Z. 3 GütbefG, sondern auch des § 23 Abs. 1 Z. 8 GütbefG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 i.d.F. der Verordnungen (EG) Nr. 1524/96 und Nr. 609/2000 angelastet. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nur mehr eine Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 GütbefG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 2 Abs. 1 der angeführten Verordnung (EG) Nr. 3298/94 in der geltenden Fassung zur Last gelegt.
Der Vorwurf der Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 GütbefG erfolgte erstmals in dem erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 23. April 2001, das am 26. April 2001 zur Post gegeben wurde. Schon im Entscheidungszeitpunkt dieses erstinstanzlichen Straferkenntnisses war aber die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist (gerechnet vom Zeitpunkt der Tat am 15. September 2000, mit dem die strafbare Handlung abgeschlossen war) abgelaufen. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde somit gegen § 31 Abs. 1 VStG verstoßen, nach dem die Verfolgung einer Person unzulässig ist, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 und 3 vorgenommen worden ist.
Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung, BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf den in der angeführten Verordnung festgesetzten Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand der obsiegenden Partei abzuweisen.
Wien, am 27. Mai 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002030001.X00Im RIS seit
02.07.2004