TE Vwgh Erkenntnis 2004/8/24 2003/01/0125

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Veröffentlicht am 24.08.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §8;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
MRK Art3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der N in G, geboren 1981, vertreten durch Dr. Gernot Gstirner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Reitschulgasse 16, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. November 2002, Zl. 233.033/0-IX/27/02, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er die gegen Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides (Feststellung nach § 8 AsylG) erhobene Berufung abweist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, stammt aus dem Kosovo, gehört der albanischen Volksgruppe an und reiste am 8. September 2002 in das Bundesgebiet ein. Ihren in der Folge gestellten Asylantrag begründete sie bei ihrer Einvernahme durch das Bundesasylamt am 23. September 2002 im Wesentlichen damit, dass sie im Heimatland kein Einkommen und keine Möglichkeit gehabt habe, ihr Kind - die Beschwerdeführerin war bei der besagten Einvernahme schwanger - aufzuziehen. Aus diesem Grund sei sie zu ihrem Verlobten nach Österreich geflüchtet, dies sei ihr Fluchtgrund. Im Falle einer Rückkehr in den Kosovo hätte sie kein Geld für ihr Kind, ihre dort verbliebenen Eltern und Verwandten hätten "nicht viele" finanzielle Mittel.

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2002 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Zugleich sprach es aus, dass die "Zurückweisung, Zurückschiebung" der Beschwerdeführerin "in die autonome Provinz Kosovo der Bundesrepublik Jugoslawien" gemäß § 8 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Es stellte fest, dass die Beschwerdeführerin "das Gebiet Kosovo" aus rein wirtschaftlichen Gründen verlassen habe. Im Hinblick darauf und angesichts der weiters getroffenen Feststellungen zur Situation im Kosovo komme weder die Zuerkennung von Asyl noch die Gewährung von Abschiebeschutz in Betracht.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wiederholte die Beschwerdeführerin, dass sie nach Österreich geflüchtet sei, um mit ihrem - mittlerweile am 2. Oktober 2002 in Graz geborenen - Kind bei ihrem Verlobten, dem Vater ihres Kindes, sein zu können; die wirtschaftliche Lage im Kosovo ermögliche keine angemessene Versorgung des Kindes. Im Fall der Rückkehr bestünde keine Möglichkeit, auch nur die für die Deckung der ganz alltäglichen Bedürfnisse notwendigen Mittel zu verdienen, sie (die Beschwerdeführerin) geriete in eine völlig ausweglose Situation, in der ihr "jegliche Existenzgrundlage" entzogen wäre.

Mit Bescheid vom 28. November 2002 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin - ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung - gemäß §§ 7, 8 AsylG ab. Sie führte aus, dass es der Beschwerdeführerin ausgehend von den der Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverhaltsannahmen des Bundesasylamtes nicht gelungen sei, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen, zumal nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie nach einer Rückkehr in den Kosovo - ihre Eltern verfügten im Heimatort über eine kleine Landwirtschaft - in ihrer Existenz gefährdet wäre. Aus diesem Grund könne auch nicht erkannt werden, dass die Beschwerdeführerin im Kosovo einer Bedrohungssituation im Sinn des § 57 FrG ausgesetzt wäre. Soweit sie angegeben habe, dass sie kein Geld für ihre Tochter haben werde, sei darauf hinzuweisen, dass der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin, der Vater ihrer Tochter, - gemäß dem der Berufung angeschlossenen Vaterschaftsanerkenntnis lebe er als Konventionsflüchtling in Österreich und sei hier als Innenausbauer beschäftigt - für seine Tochter unterhaltspflichtig sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Soweit die Beschwerde die Entscheidung nach § 7 AsylG bekämpft, kann ihr kein Erfolg beschieden sein. Die allein geltend gemachte "Existenzgefährdung" stellt nämlich, selbst wenn sie gegeben wäre, ohne Bezug zu einem Konventionsgrund - einen solchen hat die Beschwerdeführerin nie behauptet - keinen asylrelevanten Sachverhalt dar.

2. Hinsichtlich der Abweisung der gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesasylamtes (Feststellung nach § 8 AsylG) erhobenen Berufung ergibt sich ein anderes Ergebnis. Zunächst hat die belangte Behörde außer Acht gelassen, dass die von ihr bestätigte erstinstanzliche Entscheidung spruchgemäß nur eine Aussage über die Zulässigkeit der Zurückweisung und Zurückschiebung der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat enthält, während gemäß § 8 AsylG insbesondere auch über die Zulässigkeit der Abschiebung zu erkennen gewesen wäre. Davon abgesehen erweist sich der Abspruch nach § 8 AsylG aber vor allem deshalb als mangelhaft, weil dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin erst wenige Wochen vor Bescheiderlassung entbunden hatte, nicht ausreichende Beachtung beigemessen wurde. Zunächst blieb ungeprüft, ob eine allfällige Abschiebungsmaßnahme als solche gegenüber der Beschwerdeführerin und ihrem zwei Monate alten Baby mit Art. 3 EMRK in Einklang zu bringen wäre (zu diesem Gesichtspunkt vgl. das eine hochschwangere Beschwerdeführerin betreffende hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2003, Zl. 2002/01/0556). Aber auch die im Herkunftsstaat selbst zu erwartende Situation wurde nicht ausreichend analysiert: Der erstinstanzliche Bescheid enthält zwar umfangreiche Feststellungen zur allgemeinen Lage im Kosovo, geht jedoch mit keinem Wort auf die besondere Situation von Müttern mit Kleinkindern ein. Der bekämpfte Bescheid übernimmt die Feststellungen des Bundesasylamtes, ohne diese jedoch um solche zu ergänzen, die der spezifischen Lage der Beschwerdeführerin und ihres Kleinkindes - was im Übrigen die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung erfordert hätte - gerecht werden. Mit dem bloßen Hinweis darauf, dass der in Österreich als Konventionsflüchtling lebende und als Innenausbauer beschäftigte Lebensgefährte der Beschwerdeführerin für die Tochter unterhaltspflichtig sei, hat die belangte Behörde die sie treffende Verpflichtung, konkret auf die Situation der Beschwerdeführerin und ihrer Tochter im Fall einer Rückkehr in den Kosovo einzugehen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 2003, Zl. 2001/01/0361), nicht ausreichend erfüllt, und zwar schon deshalb nicht, weil mit diesem Hinweis keine Aussage über die Unterkunftsmöglichkeiten im Kosovo getroffen wird.

3. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid in seinem § 8 AsylG betreffenden Spruchpunkt wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 24. August 2004

Schlagworte

Begründung von Ermessensentscheidungen Besondere Rechtsgebiete Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003010125.X00

Im RIS seit

21.09.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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