TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/28 2001/14/0029

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Veröffentlicht am 28.09.2004
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Index

L94407 Krankenanstalt Spital Tirol;
32/04 Steuern vom Umsatz;
82/06 Krankenanstalten;

Norm

KAG 1957 §3;
KAG 1957 §5;
KAG Tir 1957 §6;
KAKuG 2001 §3;
UStG 1972 §10 Abs2 Z9;
UStG 1994 §10 Abs2 Z15;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der L H in K, vertreten durch Dr. Albert Feichtner, Dr. Anneliese Lindorfer und Mag. Dr. Bernhard Feichtner, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Josef Pirchl-Straße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 29. Dezember 2000, GZ. RV 565/1-T7/00, betreffend

u. a. Umsatzsteuer für die Jahre 1995 bis 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung, somit hinsichtlich Umsatzsteuer 1995 bis 1997, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt ein so genanntes Vitalcenter im Hotel S.L. Die daraus erzielten Umsätze unterzog sie im Streitzeitraum 1995 bis 1997 zum Teil gemäß § 10 Abs. 2 Z 9 UStG 1972 i.V.m. § 29 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 bzw. § 10 Abs. 2 Z 15 UStG 1994 dem ermäßigten Steuersatz von zehn Prozent.

Anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung vertrat die Prüferin hingegen die Auffassung, dass die von der Beschwerdeführerin im Rahmen des Vitalcenters getätigten Umsätze nicht dem ermäßigten Steuersatz, sondern zur Gänze dem Normalsteuersatz unterliegen würden. Begründend wird in dem mit 6. April 1999 datierten Betriebsprüfungsbericht ausgeführt, dass die Errichtungs- und Betriebsbewilligung für die Kurabteilung im Hotel S.L. mit Bescheid vom 28. Dezember 1967 der E GmbH erteilt worden sei. Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 10. Mai 1971 sei diese private Krankenanstalt in der Rechtsform eines selbständigen Ambulatoriums auf einen neuen Rechtsträger, die K GmbH, übertragen worden. Mit weiterem Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 15. Juni 1990 sei der Antrag der K GmbH auf Verlegung der Kurabteilung in den neu gebauten Vital-Turm genehmigt worden. Auf Grund des Mietvertrages vom 22. Februar 1989 werde das gegenständliche Vitalcenter jedoch nicht von der K GmbH selbst, sondern von der Beschwerdeführerin betrieben. Da die Bewilligung für den Betrieb der Kurabteilung der K GmbH erteilt worden sei, könne nur diese als Anstaltsträger den begünstigten Steuersatz in Anspruch nehmen. Nur diese dürfe nach außen hin als "Kuranstalt" auftreten. Eine stillschweigende Überlassung der Bewilligung an einen Dritten sei nicht möglich. Mangels einer der Beschwerdeführerin erteilten krankenanstaltenrechtlichen Bewilligung seien die von der Beschwerdeführerin in Rechnung gestellten Leistungen zur Gänze dem Normalsteuersatz zu unterziehen.

Das Finanzamt schloss sich der Ansicht der Prüferin an und erließ - nach Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO -

entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 1997 sowie Einkommensteuerbescheide, in denen die Umsatzsteuernachforderungen als Betriebsschulden berücksichtigt wurden.

In der dagegen erhobenen Berufung wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die Feststellung der Prüferin, wonach sich die Errichtungs- und Betriebsbewilligung ausschließlich auf die K GmbH beziehen würde. Verwiesen wurde auf den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22. Juli 1999, mit dem den - nach Hervorkommen der gegenständlichen Problematik gestellten - Anträgen auf Verpachtung und Unterverpachtung der "privaten Krankenanstalt Kurabteilung im Vital-Turm des Hotels ... " an die Beschwerdeführerin gemäß § 6 Tiroler Krankenanstaltengesetz (Tir KAG) Folge gegeben worden sei. Darin werde auch festgehalten, dass die Beschwerdeführerin im sogenannten Vital-Turm neben der Führung des Betriebs der Krankenanstalt gewerberechtlich zu qualifizierende Tätigkeiten (schon bisher) ausgeübt habe und weiterhin ausübe. Weiters werde in der Bescheidbegründung ausgeführt, dass aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar sei, "warum nicht spätestens zum Zeitpunkt der Erlassung des eingangs erwähnten Bescheides (vom 15. Juni 1990) auch die Frage einer allfälligen krankenanstaltenrechtlich relevanten Verpachtung der privaten Krankenanstalt" an die Beschwerdeführerin aufgeworfen worden sei.

Dem Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22. Juli 1999 ist weiters zu entnehmen, dass die Genehmigung der (Unter)Verpachtung der Klarstellung der aus krankenanstaltenrechtlicher Sicht relevanten Rechtsverhältnisse diene. Im gegenständlichen Fall sei die K GmbH Eigentümerin der Liegenschaft und die V AG Bestandnehmerin der Hotelliegenschaft (einschließlich der Betriebsanlage für die Krankenanstalt). Die V AG habe mit Zustimmung der K GmbH die Betriebsanlage für die Krankenanstalt an die Beschwerdeführerin unterverpachtet. Nach § 6 Abs. 2 Tir KAG sei die Verpachtung einer Krankenanstalt zu bewilligen, wenn der Pächter die Voraussetzungen nach § 3a Abs. 2 lit. b (Recht zur Benützung der für die Krankenanstalt vorgesehenen Betriebsanlage) und der lit. f leg.cit (Verlässlichkeit) erfülle. Diese gesetzlichen Voraussetzungen lägen vor, sodass den Anträgen der K GmbH, der V AG und der Beschwerdeführerin auf Bewilligung der (Unter)Verpachtung Folge zu geben gewesen sei.

Der Berufung angeschlossen waren weiters die zwischen der K GmbH und der Beschwerdeführerin abgeschlossenen Verträge aus dem Jahr 1982 über die Verpachtung der Kurabteilung im Hotel S.L. und vom 22. Februar 1989 über die Vermietung der Liegenschaftsfläche, auf der die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Vital-Turm errichten sollte.

Vorgelegt wurde weiters der Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 15. Juni 1990 (samt genehmigter Anstaltsordnung). Darin wird begründend ausgeführt, dass die Verlegung einer Krankenanstalt wie eine Neuerrichtung zu beurteilen sei. Im gegenständlichen Fall handle es sich um die Verlegung der Betriebsanlage innerhalb des Areals des Hotels S.L. Für die Kurabteilung sei ein neues Objekt errichtet worden, welches durch einen Gang mit dem Hotel verbunden sei. Im Berechtigungsumfang seien keine wesentlichen Änderungen eingetreten. Die Einrichtungen seien weiterhin vornehmlich zur Behandlung der Hotelgäste bestimmt. Auch in der ärztlichen Leitung sei keine Änderung eingetreten. Bei der am 21. Februar 1990 an Ort und Stelle abgehaltenen mündlichen Verhandlung habe festgestellt werden können, dass den Bestimmungen des § 4 Tir KAG entsprochen werde.

Wie § 1 der gleichzeitig genehmigten Anstaltsordnung zu entnehmen ist, handelt es sich bei der privaten Krankenanstalt im Sinne des § 1 Abs. 3 lit. g Tir KAG um ein Ambulatorium, in dem bestimmte anerkannte Heilmethoden auf dem Gebiet der physikalischen Therapie zur Anwendung kommen. In § 2 der Anstaltsordnung werden die im medizinischen Bereich der Anstalt angebotenen Einrichtungen im Einzelnen erwähnt. § 3 der Anstaltsordnung benennt die ärztliche Leitung der Anstalt sowie die Beschwerdeführerin als für die wirtschaftlichen, administrativen, technischen und personellen Angelegenheiten zuständige Leiterin.

Unter Hinweis auf die aktenkundigen Bescheide der Tiroler Landesregierung wies das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Die Beschwerdeführerin sei erst seit 22. Juli 1999 im Besitz der Bewilligung zum Betrieb der privaten Krankenanstalt. Wenn dessen unangeachtet schon im Streitzeitraum nicht die K GmbH, sondern die Beschwerdeführerin nach außen hin "als Krankenanstalt" aufgetreten sei, stünde der ermäßigte Steuersatz für diese Umsätze nicht zu. Darüber hinaus würden die von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen auch nicht dem wirtschaftlichen Bild einer Krankenanstalt entsprechen. Dem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach handle es sich um ein reines Wellness- und Beautyinstitut, das "Schönheit und gute Figur verkauft und nicht Gesundheit", sodass auch bei bzw. nach erteilter Bewilligung der Normalsteuersatz anzuwenden sei.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In einem ergänzenden Schriftsatz entgegnete sie den Vorhaltungen des Finanzamtes, dass sowohl Therapien im Bereich der physikalischen Medizin als auch kosmetische Behandlungen angeboten sowie ein Friseursalon und eine Teebar betrieben würden. Die medizinischen Therapien würden von Mitarbeitern durchgeführt und der Beschwerdeführerin von der ärztlichen Leiterin der Krankenanstalt monatlich in Rechnung gestellt. Nach außen erfolge die Verrechnung durch die Beschwerdeführerin, wobei die Umsätze getrennt ausgewiesen und die Kosmetik- und Friseurumsätze ohnedies dem Normalsteuersatz unterworfen worden seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies auch die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach dem Tiroler Krankenanstaltengesetz bedürften Krankenanstalten zu ihrer Errichtung und zu ihrem Betrieb einer Bewilligung der Landesregierung. Bewilligungspflichtig sei auch die Verlegung einer Krankenanstalt an einen anderen Betriebsort sowie u.a. deren Verpachtung. Sowohl das UStG 1972 als auch das UStG 1994 würden an das Krankenanstaltenrecht anknüpfen, sodass - abgesehen von dem bei Ruppe (UStG2, Tz. 416/5 und 416/8 zu § 6) erwähnten Sonderfall eines Betriebsbeginnes vor Erteilung der Bewilligung - das Vorliegen einer Bewilligung unabdingbare Voraussetzung für die Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes nach § 10 Abs. 2 Z 9 UStG 1972 bzw. § 10 Abs. 2 Z 15 UStG 1994 sei. Da die Beschwerdeführerin erst auf Grund ihres Antrages vom 11. März 1999 auf Genehmigung der Unterverpachtung der Krankenanstalt, welchem mit Bescheid der Landesregierung vom 22. Juli 1999 entsprochen worden sei, eine krankenanstaltenrechtliche Bewilligung zum Betrieb der Krankenanstalt innehabe, stünde der ermäßige Steuersatz für die Umsätze der Streitjahre 1995 bis 1997 auch dann nicht zu, wenn die Leistungen tatsächlich dem Bereich der Heilbehandlung zuzurechnen gewesen seien. Die Kurabteilung im Hotel S.L. werde von der Beschwerdeführerin bereits seit 1982 betrieben, sodass in den Streitjahren auch nicht mehr von "ausnahmsweise vor Erteilung der Bewilligung getätigten Umsätzen" gesprochen werden könne, für welche nach Ruppe (a.a.O.) der ermäßigte Steuersatz zustehen solle. Welche der von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen ihrer Art nach tatsächlich als Heilbehandlung anzusehen seien, könne solcherart dahingestellt bleiben.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Leistungen der Krankenanstalten sind nach dem UStG 1994 (unecht) steuerbefreit, sofern sie von Körperschaften öffentlichen Rechts oder gemeinnützigen Rechtsträgern geführt werden (§ 6 Abs. 1 Z 18 und 25). Die Befreiungsvorschrift ist erst ab 1997 anzuwenden. Bis dahin galt weiterhin § 10 Abs. 2 Z 9 UStG 1972 (i.V.m. § 29 Abs. 2 UStG 1994).

§ 10 Abs. 2 Z 9 UStG 1972 lautete:

"Die Steuer ermäßigt sich auf 10 von Hundert für

...

die Umsätze der Kranken- und Pflegeanstalten, der Alters-, Blinden- und Siechenheime sowie jener Anstalten, die eine Bewilligung als Kuranstalt oder Kureinrichtung nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften über natürliche Heilvorkommen und Kurorte besitzen, soweit es sich um Leistungen handelt, die unmittelbar mit der Kranken- oder Kurbehandlung oder unmittelbar mit der Betreuung der Pfleglinge im Zusammenhang stehen."

§ 10 Abs. 2 Z 9 UStG 1972 begünstigt somit Krankenanstalten ohne Rücksicht darauf, ob sie von öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder gemeinnützigen Rechtsträgern geführt werden.

Seit 1. Jänner 1997 unterliegen Krankenanstalten, die nicht von Körperschaften öffentlichen Rechts oder gemeinnützigen Rechtsträgern geführt werden, also nicht steuerbefreit sind, nach der durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 756/1996 neu eingeführten Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z 15 UStG 1994 (weiterhin unverändert) dem ermäßigten Steuersatz. Die gemeinschaftsrechtliche Grundlage hiefür bildet Anhang H Z 16 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie 77/388/EWG.

§ 10 Abs. 2 Z 15 UStG 1994 lautet:

"Die Steuer ermäßigt sich auf 10% für

...

die Umsätze der Kranken- und Pflegeanstalten, der Alters-, Blinden- und Siechenheime sowie jener Anstalten, die eine Bewilligung als Kuranstalt oder Kureinrichtung nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften über natürliche Heilvorkommen und Kurorte besitzen, soweit es sich um Leistungen handelt, die unmittelbar mit der Kranken- oder Kurbehandlung oder unmittelbar mit der Betreuung der Pfleglinge im Zusammenhang stehen, und sofern die Umsätze nicht unter § 6 Abs. 1 Z 18 oder 25 fallen."

Was unter dem Begriff der "Kranken- und Pflegeanstalt" zu verstehen ist, ergibt sich - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 14. Dezember 1987, 86/15/0026, Slg. Nr. 6.278/F, ausgeführt hat - aus dem Krankenanstaltengesetz (KAG, in der Stammfassung BGBl. Nr. 1/1957, seit BGBl. I Nr. 65/2002 Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz). Begünstigt sind nur Anstalten, die nicht bloß in der Form von Krankenanstalten schlechthin betrieben werden, sondern denen auch die Rechtsstellung von Krankenanstalten iSd KAG zukommt. Nach § 3 KAG bedürfen Krankenanstalten sowohl zu ihrer Errichtung wie auch zu ihrem Betrieb einer Bewilligung der Landesregierung.

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass (schon in den Streitjahren) für die im so genannten Vital-Turm in der Form eines selbständigen Ambulatoriums betriebene private Krankenanstalt eine Bewilligung nach dem Tiroler Krankenanstaltengesetz (LGBl. Nr. 5/1958, Tir KAG) vorlag. Außer Streit steht weiters, dass die aus dem Betrieb der Kurabteilung erzielten Umsätze nicht vom Rechtsträger der Krankenanstalt, sondern von der Beschwerdeführerin als tatsächliche Betreiberin (Pächterin) des Unternehmens erzielt worden sind. Nach § 5 KAG bedarf die Verpachtung einer Krankenanstalt der Bewilligung der Landesregierung. Diese Bewilligung wurde erst im Jahr 1999 erteilt. Strittig ist alleine, ob dieser Umstand der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die dem Betrieb der Krankenanstalt zuzurechnenden Umsätze von vornherein entgegenstand.

Nach Ansicht der belangten Behörde kommt die Steuersatzbegünstigung des § 10 Abs. 2 Z 15 UStG 1994 (bzw. § 10 Abs. 2 Z 9 UStG 1972) nur für jene Krankenanstalten in Betracht, für die dem betreibenden Unternehmer sämtliche krankenanstaltenrechtlichen Bewilligungen (zumindest im zeitlichen Nahbereich der getätigten Umsätze) vorliegen. Die Bewilligung der Verpachtung sei unabdingbare Voraussetzung für die Inanspruchnahme des begünstigten Steuersatzes. Sie stützt sich dabei auf die Ausführungen in Ruppe, UStG2, Tz. 416/12 zu § 6.

Diese Ausführungen überzeugen aus folgenden Gründen nicht:

Zunächst ist klarzustellen, dass sich die Aussage von Ruppe, a. a.O., auf die Umsätze von "Kuranstalten und Kureinrichtungen" bezieht. Für diese Anstalten stellt die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z 15 UStG 1994 (bzw. § 10 Abs. 2 Z 9 UStG 1972) ausdrücklich auf das Vorliegen einer Bewilligung "als Kuranstalt oder Kureinrichtung nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften über natürliche Heilvorkommen und Kurorte" ab. Für die zuvor genannten "Umsätze der Kranken- und Pflegeanstalten" findet sich eine entsprechende materiellrechtliche Tatbestandsvoraussetzung nicht.

Dass im Zeitpunkt der Umsatzerzielung die nach dem KAG (bzw. den dazu ergangenen Ausführungsgesetzen der Länder) vorgesehenen Bewilligungen vorliegen müssten, kann auch dem angeführten Erkenntnis vom 14. Dezember 1987 nicht entnommen werden. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof vielmehr ausgeführt, dass eine Bewilligung zum Betrieb des damals strittigen Massageinstitutes auch nachträglich nicht erteilt worden sei und mangels ärztlicher Präsenz auch nicht hätte erteilt werden können.

Gegen den Standpunkt der belangten Behörde spricht aber auch, dass im Falle der Verpachtung einer Krankenanstalt nach § 6 Tir KAG lediglich das Benützungsrecht des neuen Betreibers an den Betriebsanlagen sowie dessen persönliche Eignung zu prüfen sind. Die objektiven Merkmale und Voraussetzungen einer Krankenanstalt wie Anstaltszweck, Leistungsangebot, Vorliegen einer Anstaltsordnung und die ausreichende Ausstattung mit ärztlichem und sonstigem Personal werden keiner neuerlichen Prüfung unterzogen. Dem Pächter einer Krankenanstalt wird auch keine eigene Betriebsbewilligung erteilt, es erfolgt lediglich die Bewilligung der Verpachtung. Die Genehmigung bleibt dem Verpächter erhalten (vgl. Steiner, Krankenanstaltenrechtliche Bewilligung als abnutzbarer Teil des Firmenwerts? Probleme bei der entgeltlichen Übertragung von Krankenanstalten, SWK 2001, 773). Unter dem Begriff der "Krankenanstalt" wird die Einrichtung als solche bezeichnet. Auch die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z 15 UStG 1994 (§ 10 Abs. 2 Z 9 UStG 1972) knüpft an den Begriff der Krankenanstalt als solchen an. Die Krankenanstalt selbst ist jedoch nicht Steuersubjekt, sondern der dahinter stehende Rechtsträger bzw. sonstige Betreiber der Krankenanstalt. Die Bestimmungen begünstigen somit nicht bestimmte Unternehmer, sondern bestimmte Leistungen, nämlich die typischen im Rahmen einer Krankenanstalt im Sinne des KAG erbrachten Leistungen (vgl. Huber/Leitner, Ermäßigter Umsatzsteuersatz bei Krankenanstalten, SWK 1994, 515).

Das im Vital-Turm betriebene Ambulatorium entspricht nach dem Bewilligungsbescheid der Tiroler Landesregierung den Erfordernissen einer Krankenanstalt im Sinne des Tir KAG. Dass die Verpachtung der Krankenanstalt an die Beschwerdeführerin im Streitzeitraum (noch) nicht bewilligt war, vermag an der Rechtsstellung des Ambulatoriums als Krankenanstalt nichts zu ändern. Folglich hätte die belangte Behörde die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Krankenanstalt erbrachten Leistungen, soweit sie - was im fortgesetzten Verfahren festzustellen sein wird - unmittelbar mit der Krankenbehandlung im Zusammenhang standen, nicht versagen dürfen. Indem die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet. Dieser war daher im Umfang seiner Anfechtung, somit hinsichtlich Umsatzsteuer, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. September 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001140029.X00

Im RIS seit

22.10.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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