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L10102 Stadtrecht Kärnten;Norm
AVG §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde 1. der Mag. Karin Santa und 2. des Dr. Gabor Santa, beide in Wien, beide vertreten durch Steiner & Steiner Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Weihburggasse 18-20/50, gegen den Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bausache (weitere Partei gem. § 8 AVG: Dr. Maria Nicolini, Klostergasse 3, 9020 Klagenfurt), zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit § 62 Abs. 2 VwGG, § 73 Abs 2 AVG und § 91 Abs. 4 Klagenfurter Stadtrecht wird der Antrag der Beschwerdeführer vom 7. Mai 2002 auf Übergang der Entscheidungspflicht bezüglich des Antrages, der weiteren Partei die Beseitigung des ohne Baubewilligung errichteten Bauwerkes, jedenfalls aber die Beseitigung des Teiles des Daches dieses Bauwerkes, der an das Mauerwerk der Beschwerdeführer unmittelbar anstößt, aufzutragen, zurückgewiesen.
Die Landeshauptstadt Klagenfurt hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nachdem der Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt über den oben wiedergegebenen Antrag vom 13. Februar 2001 (Sachantrag) nicht entschieden hatte, richteten die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17. Oktober 2001 an den Stadtsenat der Landeshauptstadt Klagenfurt den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über ihren Sachantrag.
Nachdem auch der Stadtsenat über den Sachantrag nicht entschieden hatte, richteten sie mit Schreiben vom 7. Mai 2002 an die belangte Behörde den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über den Sachantrag, da die belangte Behörde das oberste Organ in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Landeshauptstadt Klagenfurt und damit sachlich in Betracht kommende Oberbehörde sei.
Nachdem auch der Gemeinderat nicht entschieden hatte, machten die Beschwerdeführer mit der vorliegenden, am 31. Dezember 2002 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerde die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend. Sie beantragten, der Verwaltungsgerichtshof wolle in Stattgebung ihrer Säumnisbeschwerde an Stelle der belangten Behörde in der Sache selbst entscheiden und der weiteren Partei die Beseitigung des auf dem Grundstück Nr. 398 ohne Baubewilligung errichteten Bauwerks, jedenfalls aber die Beseitigung des Teiles des Daches dieses Bauwerkes auftragen, der an ihr Mauerwerk unmittelbar anstoße.
Der Verwaltungsgerichtshof räumte mit Verfügung vom 3. Jänner 2003 der belangten Behörde ein, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen. Diese Frist wurde mit Verfügung vom 27. Mai 2003 um 8 Wochen verlängert. Der Bescheid wurde nicht nachgeholt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Diese Voraussetzung ist auf Seiten der Beschwerdeführer zu bejahen, weil § 31 Abs. 3 und 4 Kärntner Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 62 (BO) unter den dort genannten Einschränkungen den Nachbarn Parteistellung im Bauauftragsverfahren zubilligt.
Gemäß § 27 VwGG kann Säumnisbeschwerde erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden kann, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Diese Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.
Diese (zeitlichen) Voraussetzungen liegen hier vor: Gemäß § 34 Abs. 1 Klagenfurter Stadtrecht, LGBl. Nr. 70/1998 (K-STR) ist der Gemeinderat das oberste Organ in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches. Er hat über den an ihn gerichteten Devolutionsantrag vom 7. Mai 2002 bis zum Einlangen der Beschwerde am 31. Dezember 2002 nicht entschieden und damit seine Entscheidungspflicht verletzt; von der Möglichkeit der Nachholung hat er nicht Gebrauch gemacht. Die vorliegende Säumnisbeschwerde ist daher zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof hat demnach an Stelle der säumigen Behörde über den an sie gerichteten Devolutionsantrag zu entscheiden.
§ 73 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 lautet:
"§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
(3) Für die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen."
Bei der an Stelle der säumigen Behörde vom Verwaltungsgerichtshof zu treffenden Entscheidung ist zunächst zu prüfen, ob die Beschwerdeführer zu Recht eine Verletzung der Entscheidungspflicht des zuvor angerufenen Stadtsenates der Landeshauptstadt Klagenfurt geltend gemacht haben. Ein Devolutionsantrag ist nämlich nur zulässig, wenn die der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde nachgeordnete Verwaltungsbehörde eine ihr obliegende Entscheidungspflicht verletzt hat; trifft dies nicht zu, ist der Antrag zurückzuweisen (siehe die Nachweise bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1671). Es ist daher zu prüfen, ob der angerufene Stadtsenat jene Oberbehörde war, an die die Entscheidungspflicht auf Grund des ersten Devolutionsantrages übergegangen ist.
§ 91 K-STR lautet:
"Entscheidung über Berufungen
(1) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches entscheidet über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters und des Magistrates der Stadtsenat, soweit nicht nach Abs. 4 der Bauberufungskommission eine Zuständigkeit zukommt.
(2) Gegen Bescheide des Stadtsenates und der Bauberufungskommission (§ 91a) in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches ist eine Berufung unzulässig.
(3) In den behördlichen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches gilt - soweit Abs. 4 nicht anderes bestimmt - der Stadtsenat als Oberbehörde hinsichtlich des Bürgermeisters und des Magistrates.
(4) Der Bauberufungskommission (§ 91a) obliegt die Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters in den baurechtlichen, ortsbildschutzrechtlichen, raumplanungsrechtlichen und feuer- oder gefahrenpolizeirechtlichen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches. Sie ist in diesem Zuständigkeitsrahmen auch Oberbehörde hinsichtlich des Bürgermeisters.
(5) Gegen Bescheide des Bürgermeisters in den Angelegenheiten des vom Land übertragenen Wirkungsbereiches steht, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Berufung an die Landesregierung offen."
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag, gerichtete an den Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt, wird (inhaltlich) die Erteilung eines Auftrages nach § 36 BO begehrt. Behörde ist nach § 3 BO in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Bürgermeister. Berufungsbehörde ist in baurechtlichen Angelegenheiten - dass eine solche hier vorliegt, kann keinem Zweifel unterliegen - gemäß § 91 Abs. 4 K-STR die Bauberufungskommission; in diesem Zuständigkeitsrahmen ist sie auch Oberbehörde hinsichtlich des gemäß § 3 BO zuständigen Bürgermeisters. Da nach § 91 Abs. 3 K-STR in allen anderen, also nicht in Abs. 4 genannten Angelegenheiten der Stadtsenat Oberbehörde gegenüber dem Bürgermeister ist, kann von einer bloß unrichtigen Bezeichnung keine Rede sein; der Devolutionsantrag wurde an eine Behörde gerichtet, die in Bauangelegenheiten gerade nicht Oberbehörde ist. Zur Entscheidung über den ersten Devolutionsantrag war der Stadtsenat somit keinesfalls zuständig; die Frage, ob der Stadtsenat mit einer Zurückweisung oder mit einer Weiterleitung nach § 6 AVG (die auf Grund der Neufassung des § 73 Abs. 2 AVG durch BGBl. I Nr. 158/1998 möglich ist) hätte vorgehen müssen, kann aber hier dahingestellt bleiben.
Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen. Dieser Verpflichtung zur Weiterleitung, die auf Grund der Neufassung des § 73 Abs. 2 AVG durch BGBl. I Nr. 158/1998 nicht mehr ausgeschlossen ist, ist der Stadtsenat nicht nachgekommen. Eine Weiterleitungspflicht besteht nämlich (auch) dann, wenn der Antragsteller den Übergang der Entscheidungspflicht auf eine Behörde geltend macht, die nicht die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde ist. Auch in diesem Fall ist der Devolutionsantrag gemäß § 6 AVG an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde weiter zu leiten und bewirkt (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) mit seinem Einlangen bei dieser den Übergang der Zuständigkeit auf sie (hg. Erkenntnis vom 25. September 2002, Zl. 2002/12/0235).
In diesem Erkenntnis wurde unter Hinweis auf die Vorjudikatur weiters betont, dass eine Säumnisbeschwerde (hier: ein weiterer Devolutionsantrag) aber nur dann zulässig ist, wenn die belangte (hier: die nachgeordnete) Behörde verpflichtet war, über den bei ihr eingebrachten Antrag mittels Bescheides zu entscheiden. Die Entscheidungspflicht trifft danach im Anwendungsbereich der amtswegigen Überweisungspflicht nach § 6 AVG nur die sachlich zuständige Behörde. Da dem Stadtsenat hier eine Zuständigkeit zur bescheidmäßigen Entscheidung über den Devolutionsantrag vom 17. Oktober 2001 nicht zukam, konnte er im gegenständlichen Fall auch keine Entscheidungspflicht verletzt haben.
Der mit dem zweiten Devolutionsantrag angerufene Gemeinderat ist gemäß § 34 Abs. 1 K-STR das oberste Organ in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches und somit bei Geltendmachung der Entscheidungspflicht beider Behörden zu einer Entscheidung berufen.
Diese Entscheidung, die an Stelle des Gemeinderates der nunmehr zuständige Verwaltungsgerichtshof zu treffen hat, kann, wie oben ausgeführt, nur in einer Zurückweisung des an den Gemeinderat gerichteten Devolutionsantrages bestehen, weil für den von den Beschwerdeführern angerufenen Stadtsenat eine Entscheidungspflicht in der Sache nicht bestand.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am 9. November 2004
Schlagworte
Allgemein Weiterleitung an die zuständige Behörde auf Gefahr des EinschreitersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002051525.X00Im RIS seit
08.12.2004