TE Vfgh Erkenntnis 2001/3/8 B1723/00

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Veröffentlicht am 08.03.2001
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Index

20 Privatrecht allgemein
20/03 Sachwalterschaft

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art129a Abs1 Z2
KAG §24
UnterbringungsG §3
UnterbringungsG §8
UnterbringungsG §12
UnterbringungsG §33

Leitsatz

Keine Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die vom UVS Tirol zurückgewiesene Beschwerde gegen die Überstellung der Beschwerdeführerin von der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck in die Landesnervenklinik Rankweil; keine Beendigung der Unterbringung durch die Überstellung; Zuständigkeit des Gerichtes zur Überprüfung der Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit der Durchführung einer Überstellung einer untergebrachten Person aus einer Krankenanstalt in eine andere

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin war vom 13.3.2000 bis 17.4.2000 aufgrund ihrer schizophrenen Psychose stationär in der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck untergebracht; dieser Unterbringung lag eine polizeiärztliche Bescheinigung gem. §8 Unterbringungsgesetz, BGBl. Nr. 155/1990 idgF, (im folgenden kurz: UbG) zugrunde. Sie war zu diesem Zeitpunkt in der

19. Schwangerschaftswoche schwanger. Das Bezirksgericht Innsbruck sprach mit Beschlüssen vom 16.3.2000 und 30.3.2000 aus, daß die Unterbringung bis 27.4.2000 zulässig sei. Da jedoch in der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck keine Station für die Langzeitbehandlung psychotischer Patienten existiert, wurde zunächst beim nächstgelegenen Psychiatrischen Krankenhaus in Hall bezüglich einer Übernahme der Beschwerdeführerin angefragt. Da dieses eine Übernahme aus Kapazitätsgründen ablehnte, wurde eine Überstellung der Beschwerdeführerin nach Rankweil/Vorarlberg in das dortige Landesnervenkrankenhaus veranlaßt. In der Folge sei von der Krankenanstalt Innsbruck versucht worden, ein polizeiärztliches Parere einzuholen; der zuständige Polizeiarzt sei aber der Ansicht gewesen, daß das ursprüngliche Einweisungsparere auch für die Überstellung gültig sei. Daraufhin sei die Beschwerdeführerin am 17.4.2000 in Begleitung von Gendarmeriebeamten "problemlos und geordnet" in das Landeskrankenhaus Rankweil überstellt worden.

2. Gegen diesen Überstellungsakt hat die Beschwerdeführerin Beschwerde gem. Art129a Abs1 Z2 B-VG an den UVS in Tirol erhoben. Es wurde die Feststellung beantragt, daß die Beschwerdeführerin dadurch, daß sie gegen ihren Willen am 17.4.2000 von der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck ins LKH Rankweil überstellt worden sei, insoweit in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden sei, als der Transfer ohne Vorliegen eine rechtswirksamen "§8 UbG - Bescheinigung" und daher rechtswidrig erfolgt sei. Der UVS in Tirol hat die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen, da nach Ansicht des UVS zur Überprüfung des Überstellungsvorganges das Bezirksgericht Innsbruck zuständig sei; die Transferierung habe nicht zu einer Aufhebung der Unterbringung geführt.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf persönliche Freiheit verletzt, da der UVS in Tirol zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert hätte. Konkret bringt die Beschwerdeführerin vor, daß die erstmalige Einlieferung in eine psychiatrische Klinik als bei den UVS bekämpfbarer Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert werde; da das Gesetz kein abweichendes Verfahren für die Überstellung aus Krankenanstalten vorsehe, unterlägen auch Transferierungen dem Regime der §§8-9 UbG. Die Zurechnung der Transferierung zu einer Verwaltungsbehörde ergebe sich bereits daraus, daß der Überstellungsakt auf der Basis der polizeiärztlichen Bescheinigung durchgeführt worden und daß dem Einsatz der Sicherheitsorgane offenkundig ein Auftrag der BH Innsbruck-Gesundheitsamt zugrundegelegen sei. Überdies impliziere die Überstellung die Entlassung aus der ersten Anstalt (und somit die Aufhebung der ersten Unterbringung) sowie die Neuaufnahme in die zweite Krankenanstalt, weshalb auch ein neues gerichtliches Unterbringungsverfahren durch das für die zweite Anstalt örtlich zuständige Gericht durchgeführt hätte werden müssen. Ein solches Verfahren erstrecke sich aber nicht auch auf die Überstellung. Die Transferierung könne auch nicht als Teil der ersten Unterbringung in der Innsbrucker Klinik aufgefaßt werden, da ein Patient während der Überstellung nicht in der Anstalt untergebracht sei.

3.1. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsauffassung verteidigt. Die Beschwerdeführerin sei nur zur Behandlung in eine andere Anstalt überwiesen worden, ohne daß eine Entlassung erfolgt sei, weshalb die §§36 ff UbG anwendbar seien. Der Transport sei von der Universitätsklinik für Psychiatrie veranlaßt worden.

3.2. Das Bezirksgericht Innsbruck legte die bezughabenden Akten vor und schloß sich in seiner Äußerung der in der Beschwerde geäußerten Meinung, daß der UVS in Tirol zur Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit des Überstellungsvorganges berufen sei, an.

3.3. Auch der Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck legte die Akten vor und erstattete eine Äußerung.

4. Die Rechtslage stellt sich folgendermaßen dar:

Die §§1 bis 3, sowie 8 bis 12, 33, und 35 bis 37 des Bundesgesetzes vom 1. März 1990 über die Unterbringung psychisch Kranker in Krankenanstalten (Unterbringungsgesetz - UbG), BGBl. Nr. 155/1990 idgF lauten wie folgt:

"Schutz der Persönlichkeitsrechte

§1. (1) Die Persönlichkeitsrechte psychisch Kranker, die in eine Krankenanstalt aufgenommen werden, sind besonders zu schützen. Die Menschenwürde psychisch Kranker ist unter allen Umständen zu achten und zu wahren.

(2) Beschränkungen von Persönlichkeitsrechten sind nur zulässig, soweit sie im Verfassungsrecht, in diesem Bundesgesetz oder in anderen gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich vorgesehen sind.

Geltungsbereich

§2. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten für Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie (im folgenden Anstalt), in denen Personen in einem geschlossenen Bereich angehalten oder sonst Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen werden (im folgenden Unterbringung).

Voraussetzungen der Unterbringung

§3. In einer Anstalt darf nur untergebracht werden, wer

1. an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und

2. nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann.

Unterbringung ohne Verlangen

§8. Eine Person darf gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet.

§9. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt (§8) zu bringen oder diesen beizuziehen. Bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person in eine Anstalt zu bringen oder dies zu veranlassen. Wird eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt, so darf die betroffene Person nicht länger angehalten werden.

(2) Bei Gefahr im Verzug können die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person auch ohne Untersuchung und Bescheinigung in eine Anstalt bringen.

(3) Der Arzt und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben unter möglichster Schonung der betroffenen Person vorzugehen und die notwendigen Vorkehrungen zur Abwehr von Gefahren zu treffen. Sie haben, soweit das möglich ist, mit psychiatrischen Einrichtungen außerhalb einer Anstalt zusammenzuarbeiten und erforderlichenfalls den örtlichen Rettungsdienst beizuziehen.

§10. (1) Der Abteilungsleiter und ein weiterer Facharzt haben die betroffene Person unverzüglich zu untersuchen. Sie darf nur aufgenommen werden, wenn nach übereinstimmenden, unabhängig voneinander erstellten ärztlichen Zeugnissen die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen.

(2) Das Ergebnis der Untersuchung ist in der Krankengeschichte zu beurkunden; die ärztlichen Zeugnisse sind dieser als Bestandteil anzuschließen.

(3) Der Abteilungsleiter hat den aufgenommenen Kranken ehestens über die Gründe der Unterbringung zu unterrichten. Er hat ferner unverzüglich den Patientenanwalt (§13) und, wenn der Kranke nicht widerspricht, einen Angehörigen sowie auf Verlangen des Kranken auch dessen Rechtsbeistand von der Unterbringung zu verständigen.

§11. Der §10 ist sinngemäß anzuwenden, wenn

1. bei einem sonst in die Anstalt aufgenommenen, in seiner Bewegungsfreiheit nicht beschränkten Kranken Grund für die Annahme besteht, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen, oder

2. ein auf Verlangen Untergebrachter das Verlangen widerruft oder nach Ablauf von sechs Wochen nicht erneut erklärt oder die zulässige Gesamtdauer der Unterbringung auf Verlangen abgelaufen ist und jeweils Grund für die Annahme besteht, daß die Voraussetzungen der Unterbringung weiterhin vorliegen.

Zuständigkeit des Gerichtes und Verfahren

§12. (1) Zur Besorgung der nach diesem Bundesgesetz dem Gericht übertragenen Aufgaben ist das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel die Anstalt liegt. Dies gilt auch bei Kranken, hinsichtlich deren ein Pflegschaftsverfahren bei einem anderen Gericht anhängig ist.

(2) Das Gericht entscheidet im Verfahren außer Streitsachen.

Beschränkungen der Bewegungsfreiheit

§33. (1) Beschränkungen des Kranken in seiner Bewegungsfreiheit sind nach Art, Umfang und Dauer nur insoweit zulässig, als sie im Einzelfall zur Abwehr einer Gefahr im Sinn des §3 Z1 sowie zur ärztlichen Behandlung oder Betreuung unerläßlich sind und zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis stehen.

(2) Im allgemeinen darf die Bewegungsfreiheit des Kranken nur auf mehrere Räume oder auf bestimmte räumliche Bereiche beschränkt werden.

(3) Beschränkungen der Bewegungsfreiheit auf einen Raum oder innerhalb eines Raumes sind vom behandelnden Arzt jeweils besonders anzuordnen, in der Krankengeschichte unter Angabe des Grundes zu beurkunden und unverzüglich dem Vertreter des Kranken mitzuteilen. Auf Verlangen des Kranken oder seines Vertreters hat das Gericht über die Zulässigkeit einer solchen Beschränkung unverzüglich zu entscheiden.

Ärztliche Behandlung

§35. (1) Der Kranke darf nur nach den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft ärztlich behandelt werden. Die Behandlung ist nur insoweit zulässig, als sie zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis steht.

(2) Der Grund und die Bedeutung der Behandlung sind dem Kranken, soweit dies seinem Wohl nicht abträglich ist, sowie, wenn er minderjährig oder ihm ein Sachwalter bestellt ist, dessen Wirkungskreis Willenserklärungen zur Behandlung des Kranken umfaßt, auch dem gesetzlichen Vertreter und Erziehungsberechtigten zu erläutern. Die Erläuterung ist auch dem Patientenanwalt auf dessen Verlangen zu geben.

§36. (1) Kann der Kranke den Grund und die Bedeutung einer Behandlung einsehen und seinen Willen nach dieser Einsicht bestimmen, so darf er nicht gegen seinen Willen behandelt werden; besondere Heilbehandlungen einschließlich operativer Eingriffe dürfen nur mit seiner schriftlichen Zustimmung durchgeführt werden.

(2) Kann der Kranke den Grund und die Bedeutung einer Behandlung nicht einsehen oder seinen Willen nicht nach dieser Einsicht bestimmen, so darf er, wenn er minderjährig oder ihm ein Sachwalter bestellt ist, dessen Wirkungskreis Willenserklärungen zur Behandlung des Kranken umfaßt, nicht gegen den Willen seines gesetzlichen Vertreters oder Erziehungsberechtigten behandelt werden; besondere Heilbehandlungen einschließlich operativer Eingriffe dürfen nur mit schriftlicher Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder Erziehungsberechtigten durchgeführt werden. Hat der Kranke keinen gesetzlichen Vertreter oder Erziehungsberechtigten, so hat auf Verlangen des Kranken oder seines Vertreters das Gericht über die Zulässigkeit der Behandlung unverzüglich zu entscheiden; besondere Heilbehandlungen einschließlich operativer Eingriffe bedürfen der Genehmigung des Gerichtes.

§37. Die Zustimmung und die gerichtliche Genehmigung sind nicht erforderlich, wenn die Behandlung so dringend notwendig ist, daß der mit der Einholung der Zustimmung oder der Genehmigung verbundene Aufschub das Leben des Kranken gefährden würde oder mit der Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit des Kranken verbunden wäre. Über die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Behandlung entscheidet der Abteilungsleiter. Dieser hat den gesetzlichen Vertreter oder Erziehungsberechtigten oder, wenn der Kranke keinen solchen hat, den Patientenanwalt nachträglich von der Behandlung zu verständigen."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Gem. §3 UbG darf in einer Anstalt nur untergebracht werden, wer an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann. Gegen oder ohne ihren Willen darf eine Person nur dann in eine Anstalt verbracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen (§8 UbG). Über die Unterbringung entscheidet sodann der Abteilungsleiter der Krankenanstalt (§10 UbG; vgl. Kopetzki, Unterbringungsrecht II, S 556 ff), nachdem er und ein weiterer Facharzt diese Person unverzüglich untersucht haben. Wenn eine Person ohne oder gegen ihren Willen untergebracht worden ist, hat der Abteilungsleiter davon unverzüglich das Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Anstalt liegt, zu verständigen (§12 iVm. §17 UbG). Das Gericht entscheidet gem. §18 UbG im nachhinein über die Zulässigkeit der Unterbringung. Gem. §§33 ff UbG ist das Gericht auch zur Überprüfung von Bewegungsbeschränkungen und der ärztlichen Behandlung während der Unterbringung zuständig. Die Unterbringung endet, wenn das Gericht die Unterbringung für unzulässig erklärt, oder wenn der Abteilungsleiter die Unterbringung aufhebt, wozu er gem. §32 UbG verpflichtet ist, wenn die Unterbringungsvoraussetzungen nicht mehr gegeben sind.

2. Gem. Art129a Abs1 Z2 B-VG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes). Bei einer solchen Beschwerde handelt es sich um ein subsidiäres Rechtsmittel, das zur Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber zur Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein- und desselben Rechtes dient (vgl. z.B. VwGH 16.9.1992, 92/01/0712). Daraus folgt, daß die Beschwerde gegen eine Maßnahme einer Krankenanstalt nach dem UbG an einen Unabhängigen Verwaltungssenat immer dann unzulässig ist, wenn gegen sie ein Rechtsmittel an das Gericht möglich ist (VwSlg. 13.994 A/1994; ebenso OGH 15.12.1992, 4 Ob 527/92).

2.1. Zur Überprüfung der zwangsweisen Verbringung zu einem Arzt und in psychiatrische Krankenanstalten - somit für die der Unterbringung vorangegangenen sicherheitsbehördlichen Maßnahmen - sind die unabhängigen Verwaltungssenate und in weiterer Folge die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zuständig (siehe zur alten Gesetzeslage: VfSlg. 8180/1977, 11784/1988; zur Rechtslage nach dem UbG vgl. jüngst: VwGH 18.1.2000, 99/11/0345).

2.2. Die Prüfung der Zulässigkeit der Unterbringung in einer Anstalt und der Prüfung der im Unterbringungsgesetz geregelten Zwangsakte in Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie obliegt hingegen gem. §18 UbG dem Gericht (vgl. VwSlg. 13.994 A/1994 und OGH 13.2.1997, 2 Ob 25/97h). Nach dieser - übereinstimmenden - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes, ist das Gericht auch berufen, die Zulässigkeit der Unterbringung für die Zeit zwischen Einlieferung in die Krankenanstalt und dem Abschluß der fachärztlichen Untersuchungen zu prüfen.

2.2.1. Eine Unterbringung ohne Verlangen im Sinne des Unterbringungsgesetzes ist - wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat - zum einen ein Faktum, nämlich die tatsächliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit einer Person; sie ist zum anderen auch ein rechtlich gebotener Zustand, und zwar - wie aus §3 Z1 UbG in Verbindung mit der korrespondierenden Grundsatzbestimmung des §37 KAG erhellt - im Interesse der nötigen Abwehr der im Zusammenhang mit einer psychischen Krankheit stehenden Gefahren für das Leben oder die Gesundheit des Kranken oder anderer Personen. Diesen Zustand für die Dauer des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen aufrechtzuerhalten, ist Aufgabe der jeweiligen Anstalt (siehe die §§10, 11 und 32 UbG). Im Falle des Entweichens eines Untergebrachten hat daher die Anstalt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darauf hinzuwirken, daß der durch das Entweichen geschaffene rechtswidrige Zustand im Interesse der gebotenen Gefahrenabwehr so rasch wie möglich beendet wird. Die Wiedereinbringung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes über Ersuchen der Anstalt sei demnach als bloße "Wiederherstellung des vom Untergebrachten eigenmächtig unterbrochenen rechtlich gebotenen Zustandes keine Verbringung in die Anstalt im Sinne des §8 UbG"

(VwSlg. 13.994 A/1994).

2.2.2. Der Oberste Gerichtshof hat zum Begriff der Unterbringung nach dem UbG in seiner Entscheidung vom 27.1.1998, 4 Ob 17/98y u.a. folgendes ausgeführt:

"Das UbG verwendet den Begriff 'Unterbringung' nicht immer in derselben Bedeutung. 'Unterbringung' ist einerseits jene freiheitsbeschränkende Rechtsfolge, welche die Anstalt bei Vorliegen der materiellen und formellen Unterbringungsvoraussetzungen verhängen darf; 'Unterbringung' beschreibt aber auch die Verhältnisse einer Person, die in einer Krankenanstalt oder Abteilung für Psychiatrie in einem geschlossenen Bereich angehalten oder sonst Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen wird. Das UbG verwendet 'Unterbringung' überwiegend im zuletzt genannten Sinn; das Gesetz grenzt damit jene Anstaltsakte ab, die der gerichtlichen Zulässigkeitsprüfung unterliegen und die die Vertretungsbefugnis des Patientenanwaltes auslösen. Die Mindestmerkmale einer Unterbringung in diesem Sinn sind erfüllt, sobald - unabhängig von der Frage der Zulässigkeit - eine der in §2 UbG genannten Beschränkungen in einer vom Geltungsbereich des UbG erfaßten Einrichtung vorliegt (Kopetzki, Unterbringungsrecht II 444 f). Demnach führt auch jede der in §33 UbG erwähnten Formen von Beschränkungen zu einer 'Unterbringung' im Sinne des §2 UbG und unterliegt damit der gerichtlichen Kontrolle (7 Ob 635/92; 1 Ob 639/92; 4 Ob 513/93; 5 Ob 571/93; SZ 67/87; RIS-Justiz RS0075836)."

3. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelungen des UbG und ihrer bisherigen Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof und den Obersten Gerichtshof, der sich der Verfassungsgerichtshof hiermit anschließt, ist hinsichtlich der Überprüfung der Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit der Durchführung einer Überstellung einer untergebrachten Person aus einer Krankenanstalt in eine andere aus folgenden Überlegungen das Gericht zuständig:

3.1. Die zuvor wiedergegebene Rechtsprechung läßt sich dahin zusammenfassen, daß ab der Einlieferung ("Unterbringung") einer unter Berufung auf §3 iVm. §8 UbG angehaltenen Person in die Krankenanstalt ausschließlich die Gerichte zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit und Zulässigkeit der (weiteren) Unterbringung und der im Zuge von deren Durchführung und Aufrechterhaltung gesetzten Maßnahmen der Anstalt berufen sind. Dies gilt auch für die Rechtmäßigkeitskontrolle polizeilicher Maßnahmen, die auf Ersuchen der Anstalt zum Zwecke der Wiedereinbringung eines psychisch Kranken nach Entweichung aus der Anhaltung gesetzt werden.

3.2. Im Fall der Beschwerdeführerin veranlaßte der Leiter der Psychiatrischen Klinik in Innsbruck wegen des Fehlens der Möglichkeit für eine medizinisch als notwendig erachtete Langzeitbetreuung an seiner Klinik am 17.4.2000 die Überstellung der Beschwerdeführerin in die dafür offenbar geeignete und aufnahmebereite Landesnervenklinik Rankweil. Es sollte also die Unterbringung der Beschwerdeführerin, die vom zuständigen Gericht bis zum 27.4.2000 für zulässig erklärt worden war, dadurch nicht beendet, sondern in einer anderen Anstalt fortgesetzt werden.

3.2.1. Die Beschwerdeführerin vertritt unter Berufung auf Kopetzki (Unterbringungsrecht II, 648, FN 4084) die Auffassung, daß die Überstellung in eine andere Anstalt während aufrechter Unterbringungsfrist "ein neues Verfahren nach sich ziehen muß", weil es sich um zwei aufeinanderfolgende Unterbringungen handle, deren Zulässigkeit jeweils getrennt zu beurteilen sei. Als Begründung für diese Auffassung wird auf den Umstand verwiesen, daß eine solche Überstellung die Entlassung aus der bisherigen und die Aufnahme in die neue Krankenanstalt im Sinne des §24 KAG bedinge.

3.2.2. Dem vermag der Verfassungsgerichtshof, insbesondere auch vor dem Hintergrund des zuvor dargestellten Begriffsverständnisses der Unterbringung, nicht zu folgen:

a) Aus dem Umstand allein, daß die Beschwerdeführerin aus Anlaß ihrer Überstellung (aus krankenanstaltenrechtlicher Sicht) zunächst aus der Anstalt in Tirol entlassen werden und in der Folge in das Landesnervenkrankenhaus Rankweil aufgenommen werden mußte (§24 KAG), läßt sich noch nicht eine Beendigung der Unterbringung folgern. Zunächst kennt §24 Abs1 KAG mehrere Formen der Entlassung: Es muß daher auch unterbringungsrechtlich zwischen der Entlassung mangels weiteren Bedarfs nach Anstaltspflege (§24 Abs1 erster Satz KAG) und dem Fall der Entlassung wegen Überstellung in eine andere Krankenanstalt unterschieden werden. Die Überstellung ist nach §24 Abs1 zweiter Satz KAG krankenanstaltenrechtlich dann zulässig, wenn sie notwendig und sichergestellt ist.

b) Die im Zuge einer solchen Überstellung erforderliche Entlassung bzw. darauffolgende Aufnahme in eine andere Krankenanstalt ist somit zwar von Bedeutung für den Wechsel der medizinischen und rechtlichen Verantwortlichkeit einer bestimmten Krankenanstalt für den betreffenden Patienten, beendet aber für sich allein genommen nicht ohne weiteres eine vom Unterbringungsgericht für zulässig erklärte Unterbringung. Bei Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Entlassung aus der Krankenanstalt gem. §24 Abs1 KAG auch die Unterbringung beendet, dürfen nämlich die über das Krankenanstaltenrecht hinausgehenden rechtlichen Voraussetzungen und Bestimmungsfaktoren einer Unterbringung im Sinne des UbG nicht außer acht gelassen werden:

So wie für den Beginn einer Unterbringung im Sinne des UbG die damit verbundene Freiheitsbeschränkung kennzeichnend ist, kann von einer Beendigung der Unterbringung im Sinne des UbG erst dann gesprochen werden, wenn auch die sie kennzeichnenden freiheitsbeschränkenden Maßnahmen beendet worden sind. Wird daher die Unterbringung in einer Krankenanstalt nur zu dem Zwecke beendet, um sie in einer anderen Krankenanstalt fortzusetzen und die untergebrachte Person zu diesem Zwecke unter Aufrechterhaltung ihrer Bewegungseinschränkung von einer Krankenanstalt in eine andere überstellt, so ist der von der entlassenden Krankenanstalt nach §24 Abs1 zweiter Satz KAG sicherzustellende Transport noch Teil der Unterbringung in dieser Krankenanstalt.

c) Ob sodann die sich anschließende Unterbringung in der anderen Krankenanstalt (ab erfolgter Aufnahme) als neue Unterbringung oder als Fortsetzung der (bisherigen) Unterbringung (in Fällen wie dem vorliegenden verbunden mit einem Wechsel des gem. §12 Abs1 UbG örtlich zuständigen Unterbringungsgerichtes) zu werten ist, muß aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles nicht geklärt werden.

3.2.3. Da die Beschwerdeführerin während ihrer vom Gericht für weiterhin zulässig erklärten Unterbringung unter Aufrechterhaltung ihrer Bewegungseinschränkung (vgl. zum Merkmal der Beschränkung der Bewegungsfreiheit neuerlich die oben erwähnte Entscheidung des OGH vom 27.1.1998, 4 Ob 17/98y) in die Krankenanstalt in Rankweil zum Zwecke der weiteren Unterbringung überstellt worden ist, gilt die Überstellung als Teil der einmal begonnenen Unterbringung. Die Unterbringung war für die Dauer des Transportes in rechtlicher Hinsicht somit ebensowenig beendet, wie im Falle eines Entweichens und der darauf folgenden Wiedereinbringung durch Polizeibehörden über Ersuchen der Krankenanstalt.

3.2.4. Die aus medizinischen Gründen vorgenommene Verfügung der Überstellung der Beschwerdeführerin sowie der Transportvorgang unter Aufrechterhaltung der Bewegungseinschränkung sind somit als der Innsbrucker Universitätsklinik für Psychiatrie zuzurechnende Maßnahmen während der Unterbringung in dieser Klinik zu werten. Anders als dies in der vorliegenden Beschwerde vertreten wird, unterscheidet sich diese Verfügung - unter Einbeziehung ihrer Zweckgerichtetheit - nicht von Zwangsmaßnahmen anderer Art, die gegenüber einer untergebrachten Person gesetzt werden müssen, um die für sie erforderliche medizinische Behandlung sicherzustellen. Der Transportvorgang (und damit der gegenüber der Beschwerdeführerin ausgeübte Zwang) unterliegt daher derselben Kontrolle wie die Unterbringung selbst. Zwangsakte von Krankenanstalten, die im Rahmen des UbG erfolgen, unterliegen jedoch stets der gerichtlichen Kontrolle (VwSlg. 13.994 A/1994; Kopetzki, a.a.O., 570) und nicht jener des UVS.

3.2.5. Die Beschwerdebehauptung, daß gegen die Beschwerdeführerin unzulässige länderüberschreitende "Hoheitsakte" gesetzt worden wären, verkennt, daß nicht Landesbehörden tätig geworden sind und übersieht, daß eine im Rahmen einer Unterbringung erforderliche Überstellung dem Vollzugsbereich des Bundes zuzurechnen ist.

3.3. An der Zuständigkeit des Gerichtes würde sich auch dann nichts ändern, wenn der Überstellungsakt im Sinne der Beschwerdebehauptungen - in offenbarer Unsicherheit über die Rechtslage - unter Berufung auf das seinerzeitige, zur ursprünglichen Einweisung der Beschwerdeführerin führende amtsärztliche Parere erfolgt sein sollte. Ob die medizinischen und die sonstigen Voraussetzungen für eine solche Überstellung vorlagen bzw. ob diese nach der gegebenen Sachlage der vorherigen Genehmigung durch das Gericht bedurft hätte, sind Fragen der Rechtmäßigkeit der Überstellung, nicht aber solche der Zuständigkeit zu deren Überprüfung.

Dies gilt auch für die Frage, ob der Vorstand der Universitätsklinik zurecht die Sicherheitsbehörden um die Durchführung der Überstellung ersucht hat oder ob die Überstellung - sofern im Falle des Entweichens eine Gefährdung Dritter nicht zu besorgen gewesen wäre - etwa nur in Rahmen eines Krankentransportes unter der Aufsicht von Pflegern hätte erfolgen dürfen.

3.4. Nicht von Bedeutung für die Frage, ob der UVS in Tirol zur Entscheidung des ihm vorgelegten Antrages zuständig gewesen ist, ist hingegen, ob die Sicherheitsbehörden zu der angeforderten Assistenzleistung nach Art22 B-VG verpflichtet gewesen sind bzw. ob sie diesem Ersuchen nachkommen durften. Nicht das Verhalten der Sicherheitsbehörden sollte Gegenstand der Überprüfung durch den UVS sein: Die Beschwerdeführerin erachtete sich nämlich ausschließlich dadurch in ihrem Recht auf persönliche Freiheit verletzt, daß der Transport gegen ihren Willen ohne die Bescheinigung nach §8 UbG erfolgte. Ob der Klinikvorstand eine solche Bescheinigung (oder ob er allenfalls eine auf gutachtlicher Grundlage zu erteilende oder zu versagende Genehmigung des Unterbringungsgerichtes) einzuholen gehabt hätte, ist eine Frage nach der Rechtmäßigkeit seiner Verfügung und unterliegt daher während der Unterbringung der Zuständigkeit des Gerichtes. Ob der UVS zuständig wäre, eine behauptete Verletzung von Rechten durch Übergriffe der über Ersuchen des Klinikvorstandes assistenzleistenden Gendarmeriebeamten zu prüfen, kann hier offen bleiben.

3.5. Wenn das Unterbringungsgericht in seiner Stellungnahme in diesem Zusammenhang ausführt, das Unterbringungsgesetz stelle dem Richter für solche Fälle "keine materiellrechtlich(en) Beurteilungsmaßstäbe, noch entsprechende Verfahrensvorschriften zur Verfügung" so vermag der Verfassungsgerichtshof einerseits nicht nachzuvollziehen, was sich aus einem solchen Befund - träfe er zu - für die Entscheidung der Frage der Zuständigkeit, insbesondere auch aus welchem Grunde sich daraus die Zuständigkeit des UVS ergeben sollte; andererseits trifft diese Behauptung auch nicht zu - wie der Verfassungsgerichtshof für zweckmäßig hält, hinzuzufügen -:

Erfolgt - wie im Falle der Beschwerdeführerin - die Verlegung von einer Krankenanstalt in eine andere aus medizinischen Gründen und - angenommenerweise - ohne die hierzu erforderliche Zustimmung der untergebrachten Person bzw. ihres Sachwalters, so kommen für die Lösung der Frage, ob die Verlegung in eine andere Krankenanstalt zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis steht, sowie, ob sie tatsächlich medizinisch notwendig gewesen ist, die für ärztliche Behandlung bzw. für Zwangsmaßnahmen, die den Behandlungserfolg sichern sollen, gem. §§33 und 35 UbG ganz allgemein geltenden Kriterien, für jene, ob dazu die Mitwirkung (Zustimmung) des Kranken bzw. gegebenenfalls die gerichtliche Zustimmung erforderlich gewesen wäre, die Anwendung der ''36 Abs2 iVm 37 UbG in Betracht.

4. Der UVS Tirol hat seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde somit zu Recht abgelehnt, weshalb die Beschwerdeführerin durch diese Entscheidung weder in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter noch in jenem auf persönliche Freiheit verletzt wurde.

5. Es ist auch nicht erkennbar, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in anderen, in der Beschwerde nicht behaupteten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre.

6. Bedenken gegen die den Bescheid tragenden Normen hat die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht; solche sind aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde auch nicht entstanden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

7. Dies konnte gem. §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Krankenanstalten, Einweisung, Unabhängiger Verwaltungssenat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B1723.2000

Dokumentnummer

JFT_09989692_00B01723_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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