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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des A, geboren 1974, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 11. März 2004, Zl. FR 282/2000, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der gemäß seinen Angaben am 23. Februar 1999 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer, ein armenischer Staatsangehöriger, wurde im Inland unstrittig wie folgt rechtskräftig verurteilt:
1. durch das Bezirksgericht für Strafsachen Graz am 28. Mai 1999 wegen §§ 127, 15 StGB zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 60 Tagessätzen;
2. durch das Bezirksgericht für Strafsachen Graz am 17. August 1999 wegen §§ 15, 127 StGB zu einer - zunächst bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Wochen;
3. durch das Bezirksgericht für Strafsachen Graz am 18. Juni 2001 wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 80 Tagessätzen;
4. durch das Landesgericht für Strafsachen Graz am 7. Mai 2003 wegen §§ 127, 131 erster Deliktsfall, §§ 15, 127 und §§ 105 Abs. 1, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten.
Im Hinblick auf diese Verurteilungen erließ die belangte Behörde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 11. März 2004 gegen den Beschwerdeführer gemäß §§ 36 Abs. 1 Z 1 und 2 sowie Abs. 2 Z 1 iVm §§ 37 bis 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I. Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Diese Entscheidung begründete sie nach Feststellungen zu den Asylverfahren des Beschwerdeführers und Wiedergabe der oben zitierten strafgerichtlichen Verurteilungen zusammenfassend damit, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG in zweifacher Hinsicht (einerseits Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in Dauer von zehn Monaten, andererseits mehrfache Verurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen) erfüllt sei. Die Verurteilungen - im Folgenden die belangte Behörde wörtlich - "ziehen sich durch Ihre gesamte Aufenthaltsdauer im österreichischen Bundesgebiet, wenn man dazu bedenkt, dass Sie seit dem Zeitpunkt Ihrer illegalen Einreise bis dato als Asylwerber anzusehen sind". Mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes werde "keinesfalls" in relevanter Weise in das in Österreich geführte Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Aber selbst wenn ein solcher Eingriff vorliegen würde, wäre die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Anbetracht der Art und Weise der vom Beschwerdeführer begangenen gerichtlichen Straftaten dringend geboten und im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose im Sinne des § 37 Abs. 2 FrG zulässig.
Im Rahmen ihrer Überlegungen zur Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens führte die belangte Behörde schließlich aus (grammatikalische Ungereimtheiten im Original):
"Die Ihrer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen, zu Grunde liegende Strafbare Handlung, wobei auszuführen ist, dass diese auf der selben schädlichen Neigung beruhen, und es sich hiebei zumeist um gewerbsmäßigen Diebstahl handelt, eine schwerwiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Ruhe, Ordnung u. Sicherheit im österreichischen Bundesgebiet darstellen und auch im Hinblick auf die Schutzinteressen des Art. 8 Abs. 2 d. Europäischen Menschenrechtskonvention keinesfalls tolerierbar sind. In Ihrem Fall kann von einem notorischen Rechtsbrecher gesprochen werden, der obwohl im österreichischen Bundesgebiet seit dem Zeitpunkt der illegalen Einreise als Asylwerber gilt, dennoch nicht, von immer wieder kehrenden wiederholten strafbaren Handlungen abzuhalten ist, obwohl Sie, mehrfach vom österreichischen Strafgerichten verurteilt wurden. Aus diesem Grund sind Ihre gewerbsmäßig begangenen Diebstähle und das damit verbundene Strafbare Gesamtfehlverhalten als Gefährdung, fremden Eigentums einzustufen und offensichtlich die angespannte Situation im Zusammenhang mit Ihrer Einkommens- u. Vermögenslage, Sie zur Begehung gewerbstätiger Diebstähle, angehalten hat. Auf Grund der gegebenen Wiederholungsgefahr im Bereich des gewerbsmäßigen Diebstahles und des Umstandes, dass Sie als Wiederholungstäter einzustufen sind, führt dazu, dass aus fremdenpolizeilicher Sicht von der Abstandnahme der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Ihrem Fall keinesfalls, in Betracht gezogen werden kann. Zudem, ist in Ihrem Fall von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen, da Sie trotz des Status als Asylwerber, wiederkehrend im wiederholten Ausmaße, schwere gewerbsmäßige Diebstähle begangen haben und damit ausreichend dokumentiert haben, dass Sie nicht gewillt und auch nicht bereit sind, sich gesetzeskonform zu verhalten. Aus diesem Grund, kann weder von einer sozialen noch wirtschaftlichen Integration Ihrerseits im österreichischen Bundesgebiet seit dem Zeitpunkt Ihrer Illegalen Einreise am 23.2.1999 ausgegangen werden."
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde hat zwar die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers wiedergegeben, sie hat es jedoch verabsäumt, die diesen Verurteilungen zugrunde liegenden Straftaten darzustellen. Sie hat sich überdies - im Rahmen ihrer Erwägungen zu § 37 FrG und zur Anwendung des ihr offen stehenden Ermessens - nur rudimentär mit der Frage beschäftigt, ob die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme (der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder laufe anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwider) gerechtfertigt sei. Dabei ist sie zudem - was in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt wird - in Widerspruch zu den strafgerichtlichen Urteilen und ohne erkennbare Bezugnahme auf die vom Beschwerdeführer nach diesen Urteilen tatsächlich begangenen strafbaren Handlungen (insbesondere den räuberischen Diebstahl nach §§ 127, 131 erster Fall StGB) davon ausgegangen, er habe schwere gewerbsmäßige Diebstähle (§ 130 StGB) verübt (siehe die obige wörtliche Wiedergabe), weshalb die darauf gestützte negative Zukunftsprognose insoweit untauglich begründet wurde (zum Erfordernis, die konkret begangenen Straftaten darzustellen und davon ausgehend die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme abzuleiten vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. November 2002, Zl. 98/21/0361, mwN.). Die Aufzählung abstrakter Rechtssätze verbunden mit der Zitierung einer Vielzahl von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes ändert nichts an diesem Begründungsmangel, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Da nur EUR 908,-- als Ersatz für Schriftsatzaufwand angesprochen wurden, konnte auch nur dieser Betrag zugesprochen werden.
Wien, am 23. November 2004
Schlagworte
Begründung BegründungsmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004210112.X00Im RIS seit
24.12.2004