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L10013 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht GemeindehaushaltNorm
B-VG Art119a Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Helmut Nagel in Judenau, vertreten durch Dr. Peter Kolb, Rechtsanwalt in 3430 Tulln, Hauptplatz 3/2/20, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. April 2002, Zl. RU1-V-00158/01, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien:
1.
Franz Moser in 3443 Sieghartskirchen, Henzing 2,
2.
Marktgemeinde Sieghartskirchen in 3443 Sieghartskirchen, Wienerstraße 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem mitbeteiligten Bauwerber gehört das südlich der B 19- Tullnerstraße im Grünland-Landwirtschaft gelegene Grundstück Nr. 928/2, welches in West-Ost-Richtung eine Breite von ungefähr 120 m aufweist. Südlich grenzen mehrere Grundstücke an dieses Baugrundstück an, und zwar (in West-Ost-Richtung) das Grundstück Nr. 364/4 des Bauwerbers, das Grundstück Nr. 367/2 des beschwerdeführenden Nachbarn, welches mit einem Wohngebäude bebaut ist, das Grundstück Nr. 371/2 des Bauwerbers, das Grundstück Nr. 373/2 und das Grundstück Nr. 374/2, jeweils anderen Nachbarn gehörig.
Mit Ansuchen vom 24. Juni 1999 suchte der erstmitbeteiligte Bauwerber um die Erteilung der Baubewilligung u.a. für die Errichtung eines Stallgebäudes auf dem Grundstück Nr. 928/2 an. Das Stallgebäude für einen Schafstall mit den Ausmaßen von 8 m x 13,30 m soll nach dem Einreichplan an der südwestlichen Ecke dieses Grundstückes jeweils 3 m entfernt von der westlichen und der südlichen Grundgrenze (zum Grundstück Nr. 364/4; das Grundstück des Beschwerdeführers Nr. 367/2 befindet sich ostseitig daneben) errichtet werden. Die Baubehörde holte im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens Gutachten des NÖ Gebietsbauamtes, der NÖ Landes-Landwirtschaftskammer und ein medizinisches Sachverständigengutachten des Gemeindearztes ein.
Der Beschwerdeführer erhob mit Schreiben vom 21. April 2000 Einwendungen. Er machte Lärmemissionen durch das Blöken der 35 vorgesehenen Mutterschafe und eine Geruchsbelästigung geltend. Das medizinische Gutachten sah er als nicht ausreichend an, es werde zu wenig darauf Rücksicht genommen, dass "bewohntes Gebiet" angrenze.
Bei der Bauverhandlung schlug der Bausachverständige die Auflage vor, dass der Mist sofort auf den Anhänger geladen und abtransportiert werde. Zu den Einwendungen wurde auf die eingeholten Gutachten verwiesen.
Mit Bescheid vom 11. Mai 2000 erteilte der Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Gemeinde antragsgemäß die Bewilligung u.a. für die Errichtung eines Stallgebäudes für 35 Mutterschafe. Auf die in der Bauverhandlung angeführten Auflagen wurde verwiesen. Bezüglich der erhobenen Einwendungen wurde auf die vom Bausachverständigen in der Bauverhandlung abgegebenen Äußerungen zu den Einwendungen verwiesen.
Die Berufungsbehörde holte zunächst ein Gutachten des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Tulln ein. In diesem Gutachten vom 20. Juli 2000 wird auf die räumlichen Gegebenheiten eingegangen, wonach sich das Wohnhaus des Beschwerdeführers unter einer Geländekante ca. 5 m unterhalb des Niveaus des Baugrundstückes befinde. Wenn die Schafe blöken, werde dies vom Umgebungsgeräusch der unmittelbar benachbarten Bundesstraße 19 fast zur Gänze überlagert. Von einer allfälligen Verlegung des Stallgebäudes nach Norden wäre nur eine geringe Auswirkung zu erwarten.
Das weiters eingeholte Gutachten der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt gelangt zusammenfassend zum Ergebnis, dass bei projektgemäßer Ausführung des Schafstalles punktuelle Geruchsemissionen im Bereich des Beschwerdeführers möglich seien, eine Überschreitung des Geruchsimmissionsrichtwertes des Umweltministeriums im Bereich des nächst liegenden Wohnhauses könne jedoch mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden. Dieses Gutachten wurde nach einer Stellungnahme des Beschwerdeführers ergänzt und darauf hingewiesen, dass die Geruchsentwicklung von Schafen im Vergleich zu Großvieh relativ gering sei und diesbezüglich eine Dauerimmission nicht zu erwarten sei. Eine Verlegung des Stalles würde eine Verbesserung ergeben, da sich der im Gutachten erwähnte verkehrsinduzierte atmosphärische Verdünnungseffekt erhöhen würde.
Mit Bescheid vom 5. Dezember 2000 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung teilweise Folge. Der angefochtene Bescheid wurde dahingehend "ergänzt", dass der Schafstall mindestens 30 m nordöstlich vom Wohnhaus des Beschwerdeführers entfernt zu errichten sei, der Schafstall sei so weit in östliche Richtung zu verschieben, dass er nördlich der Parzellen 371/2, 373/2 bzw. 374/2 zu liegen komme, wobei ein Mindestabstand von 3 m von allen Grundstücksgrenzen einzuhalten sei. In der Begründung verwies der Gemeinderat auf das Gutachten der NÖ Umweltschutzanstalt, wonach bei Vollauslastung mit einer Reichweite der Geruchsfahne von bis zu 30 m als Kurzzeitmaximum (Momentanspitze) zu rechnen sei.
Einer dagegen vom Bauwerber erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 25. April 2001 Folge, behob den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat. Die belangte Behörde stellte fest, dass für das Baugrundstück die Widmung "Grünland-Landwirtschaft" und für das Grundstück des Beschwerdeführers die Widmung "Bauland-Agrargebiet" bestehe. Die Baubehörden hätten zur Prüfung der Frage, ob im Sinne des § 23 Abs. 1 NÖ BauO im gegenständlichen Fall eine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Belästigung zu erwarten sei, verschiedene Gutachten eingeholt. Diese Gutachten hätten eine umfangreiche Befundaufnahme enthalten, seien widerspruchsfrei und den logischen Denkgesetzen entsprechend. Übereinstimmend seien die Gutachter zum Ergebnis gekommen, dass vom gegenständlichen Bauvorhaben bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen keinerlei Gefahren oder Belästigungen zu erwarten seien. Dadurch, dass die Baubehörde zweiter Instanz ohne sachliche und rechtliche Grundlage dem Bauwerber eine andere als die beantragte Situierung des gegenständlichen Stalles vorgeschrieben habe, habe sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Wörtlich wurde ausgeführt:
"Im fortgesetzten Verfahren wird daher die Baubehörde zweiter Instanz die Berufung des Anrainers (Beschwerdeführer) als unbegründet abzuweisen haben, da keine subjektivöffentlichen Anrainerrechte verletzt werden."
Darauf erließ der Gemeinderat am 27. September 2001 einen neuen Berufungsbescheid, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Baubewilligung vom 11. Mai 2000 als unbegründet abgewiesen wurde. In der Begründung wurde auf die Vorstellungsentscheidung verwiesen.
In seiner dagegen erhobenen Vorstellung verwies der Beschwerdeführer insbesondere auf die Berufungsentscheidung im ersten Rechtsgang, mit der durch die Verlegung des Schafstalles den Anforderungen des § 23 Abs. 1 BO entsprochen worden sei. Entgegen der Auffassung der Vorstellungsbehörde im ersten Rechtsgang sei eine solche Vorschreibung rechtens, wenn subjektivöffentliche Anrainerrechte verletzt werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Sie verwies auf die eingeholten Gutachten, die alle eine umfangreiche Befundaufnahme enthalten hätten, inhaltlich widerspruchsfrei seien und den logischen Denkgesetzen entsprochen hätten. Sache des Beschwerdeführers wäre es gewesen, der Auffassung der Sachverständigen nicht mit bloß gegenteiligen, laienhaften Behauptungen zu erwidern, sondern den Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegen zu treten.
Mit seiner dagegen erhobenen Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In teilweiser Stattgebung der Berufung des Beschwerdeführers hat die Berufungsbehörde im ersten Rechtsgang eine Veränderung der Lage des projektierten Objekts aufgetragen. Dieser Bescheid wurde von der belangten Behörde auf Grund einer Vorstellung des Bauwerbers mit Bescheid vom 25. April 2001 aufgehoben. Grund der Aufhebung war die Rechtsauffassung der belangten Behörde, dass das eingereichte Projekt den Anforderungen des § 23 NÖ BauO entspricht, sodass die Vorschreibung der Lageveränderung rechtswidrig war; ausdrücklich wurde angeordnet, dass die Berufung des Beschwerdeführers abzuweisen sei.
Dieser Bescheid wurde auch dem Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt; er blieb unbekämpft.
Die Vorstellung ist im § 61 NÖ Gemeindeordnung geregelt; nach dessen Abs. 4 hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters (das war im vorliegenden Fall der Bauwerber) verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Nach § 61 Abs. 5 NÖ Gemeindeordnung ist die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.
Der (die Berufung zur Gänze abweisende) Berufungsbescheid im zweiten Rechtsgang erging in exakter Befolgung der Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde.
Abgesehen von der ausdrücklichen Regelung im § 61 Abs. 5 NÖ Gemeindeordnung vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Gemeinde, aber auch die anderen Parteien des Verfahrens, an die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides gebunden sind, gleich bleibende Sach- und Rechtslage vorausgesetzt. Diese Bindung erstreckt sich nach der Rechtsprechung auch auf die Aufsichtsbehörde selbst und auf den Verwaltungsgerichtshof (s die Nachweise aus der hg. Judikatur bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, 161f.).
Da eine Änderung der Sach- und Rechtslage hier nicht vorlag, konnte in Befolgung der Bindungswirkung hier nur eine abweisende Entscheidung auch der Vorstellungsbehörde ergehen, sodass eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers ausgeschlossen ist.
Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war, wobei mit Rücksicht auf die durch die zitierte hg. Judikatur klargestellte Rechtslage die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden konnte.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am 18. Jänner 2005
Schlagworte
Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde ErsatzbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002050753.X00Im RIS seit
16.02.2005