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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AlVG 1977 §53 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch Mag. Hans-Christian Obernberger, Rechtsanwalt in 6700 Bludenz, Untersteinstraße 8, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 3. Mai 2004, Zl. LGS600/SfA/1218/2004-Dr.Si/Kö, betreffend Höhe der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit als "Nichtigkeitsbeschwerde" bezeichneter Eingabe vom 24. Februar 2004 beantragte der Beschwerdeführer hinsichtlich der "Nichtauszahlung des Familienzuschlages mit Leistungsbezug für 01/2004" über die Unrechtmäßigkeit dieser Leistungskürzung bescheidmäßig abzusprechen, "den zu Unrecht verkürzten Leistungsanspruch wieder in voller Höhe auszubezahlen, die ... Differenzen nachzuzahlen und die Verfahrensmängel zu heilen".
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 1. April 2004 wurde auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers vom 24. Februar 2004 festgestellt, dass diesem gemäß § 20 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 und 3 AlVG ab 1. Jänner 2004 Notstandshilfe "in der Höhe von täglich Euro 22,74 (inklusiv eines Familienzuschlages von täglich 0,97) gebührt". Nach der Wiedergabe von Rechtsvorschriften wurde in der Begründung ausgeführt, am 29. Jänner 2004 sei ein Schreiben der Stadt Graz, Amt für Jugend und Familie, bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eingelangt, mit dem mitgeteilt worden sei, dass sich die minderjährige Tochter des Beschwerdeführers seit 1. September 1997 in einem Heim befinde. Gleichzeitig habe der Magistrat Graz ersucht, den Familienzuschlag für die Minderjährige einzubehalten und an ihn zu überweisen. Die "Abzweigung" sei ab 1. Jänner 2004 "eingegeben" worden und (gemeint wohl: die Notstandshilfe ohne Familienzuschlag) "in entsprechender Höhe im nächstfolgenden Monat ausbezahlt" worden.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid nicht stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid wurde bestätigt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sich die Tochter des Beschwerdeführers seit 1. September 1997 in einem Heim befinde, wofür der Magistrat Graz Kosten in Höhe von derzeit monatlich EUR 2.882,63 aufwende. Das Arbeitsmarkservice habe daher entsprechend dem § 53 Abs. 1 AlVG für die zuschlagsberechtigte Angehörige, die nicht in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen sei, einen angemessenen Teil des Arbeitslosengeldes der Behörde ausgezahlt, in deren Obhut sich diese befinde. Es gehe nicht darum, ob der Beschwerdeführer den Unterhalt bezahle oder nicht. Da das Schreiben des Magistrates am 29. Jänner 2004 eingelangt sei, sei der Familienzuschlag ab dem noch nicht liquidierten Zeitraum (Jänner 2004) einbehalten und an den Magistrat Graz überwiesen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, die "Anordnung der Abzweigung" hätte erst mit Eintritt der Rechtskraft eines darüber absprechenden Bescheides verfügt werden dürfen, weshalb sämtliche zuvor überwiesenen Beiträge an den Beschwerdeführer zurückzuzahlen seien. Im Übrigen bestehe ein Widerspruch zwischen dem Spruch und der Begründung des von der belangten Behörde bestätigten erstinstanzlichen Bescheides. Während der Spruch dem Beschwerdeführer auch den Familienzuschlag von täglich EUR 0,97 zuerkenne, gehe die Begründung davon aus, dass dem Beschwerdeführer dieser Familienzuschlag nicht auszubezahlen sei. Des weiteren rügt der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde mangelhaft begründet habe, weshalb der Familienzuschlag nicht dem Beschwerdeführer ausgezahlt werde und die dafür notwendigen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 AlVG erfüllt wären. Außerdem lasse sich dem Bescheid der Zeitraum nicht entnehmen, für den die Familienzuschläge dem Magistrat Graz zu überweisen seien.
§ 53 Abs. 1 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 314/1994 lautet:
"§ 53. (1) Solange ein zuschlagsberechtigter Angehöriger nicht in die häusliche Gemeinschaft des Arbeitslosen aufgenommen wird oder wenn ein Arbeitsloser seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber einem zuschlagsberechtigten Angehörigen nicht nachkommt, kann die regionale Geschäftsstelle anordnen, daß ein angemessener Teil des Arbeitslosengeldes dem Angehörigen oder der Person, Anstalt oder Behörde ausgezahlt wird, in deren Obhut er sich befindet."
Wie der Beschwerdeführer unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 98/08/0145, zutreffend ausführt, ist darüber, dass ein angemessener Teil des Arbeitslosengeldes gemäß § 53 Abs. 1 AlVG dem Angehörigen oder der Person, Anstalt oder Behörde ausgezahlt wird, in deren Obhut sich ein zuschlagsberechtigter Angehöriger befindet, mit Bescheid abzusprechen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegt jedoch ein solcher Bescheid nicht vor. Die Behörde erster Instanz hat im Spruch ihres Bescheides lediglich ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer Arbeitslosengeld einschließlich eines Familienzuschlages in näher genannter Höhe gebührt. Die belangte Behörde hat diesen Bescheid vollinhaltlich bestätigt. Zwar lässt sich der Begründung sowohl des erstinstanzlichen Bescheides als auch des angefochtenen Bescheides entnehmen, dass der Familienzuschlag im Sinne des § 53 Abs. 1 AlVG abgezweigt wird, doch vermögen solche Begründungselemente einen normativen verbindlichen Abspruch, wie er durch einen Spruch eines Bescheides zu treffen ist, nicht zu ersetzen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, S. 978 unter E 20 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Es mag zwar sein, dass zwischen dem Bescheidspruch und der Begründung im vorliegenden Fall ein Widerspruch besteht, wie dies der Beschwerdeführer aufzeigt. Da jedoch im einzig maßgeblichen Spruch nicht ausgesprochen wurde, dass der Familienzuschlag nicht an den Beschwerdeführer, sondern an eine andere Stelle im Sinne des § 53 Abs. 1 AlVG auszuzahlen ist, wurde somit entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht in sein Recht auf Unterlassung gesetzwidriger "Abzweigung" von Familienzuschlägen eingegriffen. Ein bescheidmäßiger Abspruch im Sinne des § 53 Abs. 1 AlVG über den Antrag des Beschwerdeführers vom 24. Februar 2004 ist vielmehr nach der Aktenlage bisher nicht erfolgt. Die belangte Behörde hat vielmehr, indem sie auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers in der erfolgten Weise entschieden hat, rechtskräftig festgestellt, dass ihm die Notstandshilfe uneingeschränkt zusteht.
Soweit der Beschwerdeführer aber begehrt, dass ihm der Familienzuschlag ausbezahlt werden müsse, ist er darauf hinzuweisen, dass es dabei um die Liquidierung eines dem Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid spruchgemäß zuerkannten Betrages geht. Zur Entscheidung über einen solchen Anspruch ist jedoch der Verfassungsgerichtshof nach Art. 137 B-VG zuständig (vgl. das genannte hg. Erkenntnis vom 19. März 2003 mwN).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch ein "civil right" im Sinne der EMRK betrifft, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist:
Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 10. August 2000, Zl. 2000/07/0083, und vom 14. Mai 2003, Zl. 2000/08/0072). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 26. Jänner 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004080116.X00Im RIS seit
22.02.2005