TE Vwgh Erkenntnis 2005/2/23 2004/08/0019

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Veröffentlicht am 23.02.2005
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §7 Abs3 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Dellhorn, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gölsdorfgasse 2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 18. Dezember 2003, Zl. LGSW/Abt. 3-AlVG/1218/56/2003-2021, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld abgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer am 2. Juli 2003 beim Arbeitsmarktservice Wien, Hietzinger Kai, einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gestellt habe. Der Beschwerdeführer betreibe seit 16. April 2002 das Gewerbe "Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik". Für diese Tätigkeit wende er pro Woche 40 Stunden auf. Er habe angegeben, dass vom 1. Jänner 2003 bis 30. Juni 2003 der Umsatz EUR 2.551,90 und im Zeitraum vom 1. Juli 2003 bis 31. Juli 2003 der Umsatz EUR 112,-- betragen habe. Für den Zeitraum vom 1. Jänner 2003 bis 30. Juni 2003 habe der Beschwerdeführer einen Verlust von EUR 675,38, für den Zeitraum vom 1. Juli 2003 bis 31. Juli 2003 einen Gewinn von EUR 29,50 angegeben. Der Beschwerdeführer studiere seit 1996 in Großbritannien und sei dort immatrikuliert.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass sich der Beschwerdeführer objektiv betrachtet nicht zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithalten könne, da er bereits 40 Wochenstunden für seine selbständige gewerbliche Tätigkeit aufwende, was der gesetzlich festgelegten höchsten Normalwochenarbeitszeit "in den überwiegenden unselbständigen Beschäftigungsverhältnissen" entspreche. Das Vorliegen eines Gewerbebetriebes erfordere Selbständigkeit, Nachhaltigkeit der Tätigkeit, Gewinnerzielungsabsicht und Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr "mit den entsprechenden Konsequenzen für den persönlichen Arbeitseinsatz". Auf Grund der Ausübung der selbständigen Tätigkeit gelte der Beschwerdeführer nicht als arbeitslos und stünde dem Arbeitsmarkt bzw. der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Eine wesentliche Anspruchsvoraussetzung für Arbeitslosengeld sei somit nicht gegeben. Auf Grund der zeitlichen Beanspruchung des Beschwerdeführers im Rahmen des Gewerbebetriebes zum Zeitpunkt der Antragstellung bleibe unmaßgeblich, welches Einkommen oder welchen Umsatz er im Rahmen seiner selbständigen gewerblichen Tätigkeit erwirtschafte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 7 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) lautet auszugsweise:

§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

1.

der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2.

die Anwartschaft erfüllt und

3.

die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.

(3) Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf eine Person,

1. die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden, zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält,

2. ..."

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Gemäß § 12 Abs. 3 lit. b AlVG gilt als arbeitslos nicht, wer selbständig erwerbstätig ist. Gemäß § 12 Abs. 6 lit. c gilt jedoch als arbeitslos, wer auf andere Art (nämlich nicht in der in § 12 Abs. 6 lit. b AlVG genannten Art) selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 v.H. des Umsatzes die in § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt.

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, nähere Ermittlungen und Feststellungen zur zeitlichen Gliederung seiner Arbeitszeit als Selbständiger zu tätigen, wonach sich ergeben hätte, dass er für jegliche Aktivität im Rahmen der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden sei. Es sei richtig, dass er gegenüber der Behörde angegeben habe, dass er 40 Stunden pro Woche für seine selbständige Tätigkeit aufwende. Aus diesem Vorbringen könne jedoch nicht geschlossen werden, dass er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen würde. Er habe alle Termine eingehalten und die Behörde könne auch "keinen einzigen konkreten Vorhalt betreffs mangelnder Mitwirkung an der Arbeitsvermittlung erheben". Bei richtiger rechtlicher Beurteilung der Situation wäre die Bestimmung des § 12 Abs. 6 lit. c AlVG heranzuziehen gewesen, zumal sich schon aus den Feststellungen im angefochtenen Bescheid ergebe, dass er weder die Einkommens- noch die Umsatzgrenzen der §§ 36a und 36b AlVG überschritten habe.

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld auf die §§ 12 und 7 AlVG gestützt und zunächst damit begründet, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner selbständigen Tätigkeit nicht als arbeitslos gelte. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde liegt jedoch Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 AlVG vor, da der Beschwerdeführer - wie sich aus den Feststellungen im angefochtenen Bescheid ergibt - die Einkommens- bzw. Umsatzgrenzen des § 12 Abs. 6 lit. c AlVG nicht erreicht.

Die belangte Behörde hat aus der selbständigen Tätigkeit des Beschwerdeführers - die im vorliegenden Fall auf Grund des Nichterreichens der Einkommens- bzw. Umsatzgrenzen die Arbeitslosigkeit nicht ausschließt - sodann gefolgert, dass dieser der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es für die Beurteilung der Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG nicht aus, die Arbeitswilligkeit dadurch zu bekunden, dass die Bereitschaft erklärt wird, jede vom AMS vermittelte Beschäftigung anzunehmen, wenn auf Grund konkreter Umstände Grund zur Annahme besteht, dass im Hinblick auf die anzunehmende zeitliche Beanspruchung des Arbeitslosen nicht die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern (z.B.) die Gründung und Betreibung eines eigenen Unternehmens das von ihm verfolgte Ziel ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2002, Zl. 97/08/0596). In seinem Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 97/08/0519, hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit einer Betriebsgründung die Auffassung vertreten, dass eine (damals festgestellte) zeitliche Inanspruchnahme von täglich 10 bis 12 Stunden die Annahme rechtfertige, der Arbeitslose habe sich nicht zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen versicherungspflichtigen Beschäftigung bereitgehalten. Auch im Fall des Erkenntnisses vom 27. Juli 2001, Zl. 2000/08/0216, war auf Grund der dort festgestellten Umstände (wonach der Beschwerdeführer einziger persönlich haftender und vertretungsbefugter Gesellschafter einer Kommanditerwerbsgesellschaft war, die ein Kaffeehaus betrieb, in dem er während der Öffnungszeiten von 15 Stunden täglich fast immer anwesend war) nicht von einer Verfügbarkeit auszugehen.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer angegeben, im Rahmen einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik zu erbringen und dafür 40 Stunden pro Woche aufzuwenden.

Bei dieser vom Beschwerdeführer ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit, die ihn in einem zeitlichen Ausmaß bindet, das der höchstzulässigen wöchentlichen Normalarbeitszeit gemäß § 3 Abs. 1 AZG entspricht, besteht im Sinne des bereits zitierten hg. Erkenntnisses vom 3. Oktober 2002 Grund zur Annahme, dass das vom Beschwerdeführer verfolgte Ziel nicht die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern die Betreibung eines eigenen Unternehmens ist, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer im Sinne des § 7 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 AlVG verfügbar ist.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass die belangte Behörde weitere Ermittlungen und Feststellungen zur zeitlichen Gliederung seiner Arbeitszeit als Selbständiger unterlassen habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass er selbst keine näheren Angaben zur Arbeitszeitverteilung gemacht hat und auch in der Beschwerde nicht darlegt, auf Grund welcher konkreten Umstände die belangte Behörde hätte zum Ergebnis kommen sollen, dass er sich trotz einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Umfang der höchstzulässigen wöchentlichen Normalarbeitszeit zur Aufnahme und Ausübung einer Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG bereithalte. Dem gerügten Verfahrensmangel kommt vor diesem Hintergrund keine Relevanz zu.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 23. Februar 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004080019.X00

Im RIS seit

24.03.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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