TE OGH 1953/11/13 3Ob696/53

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Veröffentlicht am 13.11.1953
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Norm

Exekutionsordnung §55 Abs2
Lohnpfändungsverordnung §4 Abs1 Z4
Lohnpfändungsverordnung §4 Abs3
Reichsversicherungsordnung §119
Reichsversicherungsordnung §182

Kopf

SZ 26/280

Spruch

Das Krankengeld genießt den bedingten Lohnpfändungsschutz des § 4 Abs. 1 Z. 4 LohnpfändungsV. (nunmehr § 4 Abs. 1 Z. 4 LohnpfändG.)

§ 55 Abs. 2 EO. ist durch § 4 Abs. 3 LohnpfändungsV. (nunmehr § 4 Abs. 3 LohnpfändG.) nicht beseitigt worden.

Entscheidung vom 13. November 1953, 3 Ob 696/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Schwaz; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Das Erstgericht wies den Antrag der betreibenden Partei, ihr auf Grund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Sch. vom 14. Juli 1951, P 247/49-13, zur Hereinbringung der rückständigen Unterhaltsforderung von 2439.90 S und zur Sicherung der künftig ab 1. September 1953 fällig werdenden Unterhaltsbeiträge von monatlich 135 S samt Anhang, die Exekution durch Pfändung und Überweisung des dem Verpflichteten aus dem Versicherungsverhältnisse gegen die Tiroler Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte in I. zustehenden Krankengeldes zu bewilligen, zur Gänze ab.

Das Rekursgericht bewilligte die beantragte Exekution hinsichtlich einesUnterhaltsrückstandes von 1620 S und der laufenden Unterhaltsraten mit der Einschränkung, daß dem Verpflichteten wöchentlich 100 S frei bleiben müssen. Hinsichtlich des Mehrbetrages von 819.90 S wies es den Exekutionsantrag ab.

Der Erstrichter hat die Auffassung vertreten, daß das Krankengeld zu den in § 4 Abs. 1, Z. 4 Lohnpfändungsverordnung (Nunmehr § 4 Abs. 1 Z. 4 LohnpfändG. vom 16. Feber 1955, BGBl. Nr. 511) aufgezählten Bezügen gehöre, und den Exekutionsantrag deshalb abgewiesen, weil die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 zitierte Verordnung (Nunmehr § 4 Abs. 2 LohnpfändG) von der betreibenden Partei weder behauptet noch nachgewiesen worden seien.

Das Rekursgericht war der Meinung, daß auf das Krankengeld § 4 Abs. 1 Z. 4 Lohnpfändungsverordnung, nicht Anwendung zu finden habe. Denn dieses sei eine Pflichtleistung der Krankenkasse, die den Lohnausfall, der dem Versicherten durch die Krankheit verursacht wird, ausgleichen soll, und es werde nur für die Dauer einer bestimmten Krankheit, also für eine begrenzte Zeit, gewährt. Es könne daher nicht als fortlaufender Bezug zu Unterstützungszwecken im Sinne der angeführten Gesetzesstelle angesehen werden. Daher kämen nur die Beschränkungen der §§ 5 und 6 der Lohnpfändungsverordnung (Nunmehr § 5 und 6 LohnpfändG.) in Betracht.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Verpflichteten Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei Auslegung der ansonsten in seinem Wortlaut unmißverständlichen Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 4 Lohnpfändungsverordnung hat bisher nur die Frage Schwierigkeiten bereitet, ob den bedingten Pfändungsschutz nach dieser Gesetzesstelle nur fortlaufende Bezüge aus Krankenkassen genießen oder ob ihm auch einmalige Bezüge aus Krankenkassen unterstehen. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes kann eine sinnvolle Lösung nur gefunden werden, wenn man sich den Zweck dieser Gesetzesbestimmung vor Augen hält, der dahin geht, Geldmittel, die für bestimmte Notstände bereitgestellt sind, vor dem Zugriff der Gläubiger zu sichern. Hiedurch verlagert sich das Schwergewicht der Entscheidung von selbst auf die Frage, welchen Zwecken das Krankengeld dienen soll. Dieses ist, wie aus § 119 RVO. hervorgeht, wegen der bevorzugten Unterhaltsansprüche (§ 6 Lohnpfändungsverordnung (Nunmehr § 6 LohnpfändG.) grundsätzlich pfändbar. Aus § 182 RVO. ergibt sich, daß das Krankengeld als Krankenhilfe gewährt wird. Es gebührt nur in der Höhe des halben Grundlohnes für jeden Kalendertag, wenn die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht, und wird nur bis zu 26 Wochen gewährt (§ 183 RVO.). Laut der durch Erlaß des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 29. September 1951, Z. 129.989/II/J/1951, AN. 1951. S. 322, verlaubarten Lohnstufentabelle beträgt der Grundlohn in der niedrigsten Lohnstufe I 1 S, daher das tägliche Krankengeld 50 g, und in der höchsten Lohnstufe XVIII 60 S, daher das tägliche Krankengeld 30 S. Schon mit Rücksicht auf seine festgelegte Höhe ist demnach das Krankengeld nicht geeignet, den durch die Krankheit verursachten Lohnausfall wettzumachen. Es verschafft dem infolge Krankheit arbeitsunfähigen Versicherten lediglich einen gewissen Ausgleich für die durch den Verlust der Arbeitsfähigkeit regelmäßig bedingte Einbuße des Arbeitsverdienstes und trägt mittelbar dazu bei, seinen Krankheitszustand in körperlicher und seelischer Beziehung zu beeinflussen und zu erleichtern. Gemäß § 184 RVO. kann an Stelle der Krankenpflege und des Krankengeldes Krankenhauspflege gewährt werden. Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmung mit § 182 RVO. ergibt sich somit eindeutig, daß das Krankengeld den Versicherten während seiner Krankheit vor Not schützen soll, daß es also vorwiegend zu Unterstützungszwecken gewährt wird.

Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes genießt daher das Krankengeld, wenn es auch aus Anlaß eines bestimmten Krankheitsfalles nur für eine gewisse Zeit gewährt wird, den bedingten Pfändungsschutz nach § 4 Abs. 1 Z. 4 Lohnpfändungsverordnung.

Das Erstgericht hat, obgleich es derselben Rechtsmeinung war, den Exekutionsantrag deshalb abgewiesen, weil die betreibende Partei entgegen der Vorschrift des § 55 Abs. 2 EO. die weiteren Voraussetzungen der bedingten Pfändbarkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 Lohnpfändungsverordnung nicht nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht habe. Dieser Auffassung ist grundsätzlich zuzustimmen.

Die Zulässigkeit der Pfändung der in Abs. 1 des § 4 der Lohnpfändungsverordnung angeführten Bezüge hängt nach dem Abs. 2 davon ab, daß die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird. Wenn auch an dieses Erfordernis keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. 2 Ob 449/53), so muß doch verlangt werden, daß der betreibende Gläubiger im Exekutionsantrag die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Pfändung des Anspruches darlegt und, soweit dies nach den Um- Ständen des Falles erforderlich ist, glaubhaft macht.

Entgegen der im Rekurs der betreibenden Partei zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht ist die Vorschrift des § 55 Abs. 2 EO. durch die Bestimmung des § 4 Abs. 3 der Lohnpfändungsverordnung (Nunmehr § 4 Abs. 3 LohnpfändG.) nicht beseitigt worden. Diese Bestimmung gestattet dem Gericht, verpflichtet es aber nicht, vor seiner Entscheidung die Beteiligten zu hören. Sie kann nicht angewendet werden, um materielle Mängel des Exekutionsantrages zu beseitigen. Ein solcher materieller Mangel und nicht etwa ein bloßes Formgebrechen liegt vor, wenn die betreibende Partei es unterläßt, die im § 4 Abs. 2 der Lohnpfändungsverordnung geforderten Voraussetzungen darzutun.

Das Erstgericht hat daher den Exekutionsantrag der betreibenden Partei mit Recht abgewiesen.

Anmerkung

Z26280

Schlagworte

Krankengeld, Lohnpfändung, Pfändbarkeit, des Krankengeldes, Pfändungsfreier Betrag, Krankengeld

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00696.53.1113.000

Dokumentnummer

JJT_19531113_OGH0002_0030OB00696_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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