TE OGH 1953/12/9 3Ob730/53

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Veröffentlicht am 09.12.1953
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Norm

Zivilprozeßordnung §193 Abs3
Zivilprozeßordnung §406

Kopf

SZ 26/298

Spruch

Nach § 406 ZPO. ist der Schluß der Verhandlung, nicht der Zeitpunkt der Urteilsschöpfung maßgebend.

Entscheidung vom 9. Dezember 1953, 3 Ob 730/53.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Partei begehrt die Verurteilung der beklagten Partei zur Herausgabe des im Begehren näher bezeichneten Werkstoff- und Zugehörmaterials mit der Begründung, sie habe dieses Material der beklagten Partei zur Fertigstellung in Lohnarbeit übergeben, die beklagte Partei sei jedoch behördlich aufgelöst worden und habe den Auftrag deshalb nicht ausführen können, weshalb sie zur Rückstellung des Materials verpflichtet sei. Die beklagte Partei wendete gegen den Klagsanspruch, den sie im übrigen außer Streit stellte, lediglich ein, es sei das Material vom Finanzamt für Körperschaftsteuern beschlagnahmt worden. Zum Nachweis dieser Tatsache berief sich die Beklagte auf den Akt des Finanzamtes für Körperschaften, StNr. 44/3158.

Das Prozeßgericht hat entgegen der Vorschrift, daß bei Beweis durch Urkunden dann, wenn die Urkunde nicht bei Beweisantreten vorgelegt wird, Beweisbeschluß zu fassen ist, die Fassung eines förmlichen Beweisbeschlusses unterlassen, aber offenbar diesen Beweis zugelassen, da es das Verfahren nach § 193 Abs. 3 ZPO. schloß, wobei freilich wiederum anzuführen unterlassen wurde, welcher Beweis noch als ausständig angesehen wurde.

Nach Einlangen der vorbezogenen Akten beim Prozeßgericht konstatierte der Erstrichter, daß tatsächlich die behauptete Beschlagnahme erfolgt sei, stellte aber gleichzeitig aus dem Akte fest, daß nach Schluß der Verhandlung - wie die Berufung der Beklagten behauptet, auf Grund einer nach diesem Zeitpunkt beim Finanzamt eingebrachten Eingabe der klagenden Partei - die Beschlagnahme aufgehoben wurde. Auf Grund dieses Sachverhalts verurteilte das Prozeßgericht die Beklagte, das Werkstoffmaterial und Zugehör herauszugeben, bzw. für den Fall, als das Material bereits verarbeitet sei, die daraus verarbeiteten Waren.

In der Berufung brachte die Beklagte neu vor, daß sie noch vor Urteilsfällung nach Einstellung der Exekution das Material ausgefolgt habe. In der Berufungsmitteilung gab die Klägerin die Rückstellung der Ware noch vor der Einbringung der Berufung zu. Darüber, ob es richtig sei, daß die Rückstellung noch vor Urteilsfällung erfolgt sei, äußerte sie sich nicht.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Prozeßgerichtes, soweit es die Verpflichtung der beklagten Partei zur Herausgabe von fertiggestellten Waren ausspricht, als nichtig auf und gab im übrigen der Berufung der beklagten Partei keine Folge, wobei es aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Es war der Rechtsansicht, daß für die Prüfung der Berechtigung des Klagsanspruches gemäß § 406 ZPO. der Zeitpunkt der Urteilsfällung maßgebend sei, in welchem Zeitpunkte die Exekution seitens des Finanzamtes bereits eingestellt war.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision führt aus, es habe die klagende Partei niemals behauptet, daß die Exekution seitens des Finanzamtes eingestellt worden sei und es sei auch erst nach Schluß der Verhandlung der Antrag auf Einstellung der Exekution von der klagenden Partei gestellt worden, weshalb die erst nach Schluß der Verhandlung eingetretenen Tatsachen und Umstände keine Berücksichtigung hätten finden dürfen.

Die Revision ist begrundet.

Für die Entscheidung ist der Tatsachenstand im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung maßgebend und nicht der im Zeitpunkt der Fällung des vorbehaltenen Urteils (SZ. XV/128). Die Richtigkeit des in der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes eingenommenen Standpunktes ergibt sich aus nachstehender Erwägung:

Wenn die Beklagte nur Nichtfälligkeit einwendet, so muß die Klage kostenpflichtig abgewiesen werden, wenn sich herausstellt, daß in dem für die Beurteilung des Sachverhaltes maßgebenden Zeitpunkt die Fälligkeit noch nicht eingetreten ist, desgleichen aber, wenn hervorkommt, daß die Fälligkeit zwar im Zeitpunkt der Klagseinbringung noch nicht eingetreten war, wohl aber im Zuge des Prozesses eingetreten ist, aber sofort bei Fälligkeit gezahlt wurde. Wäre nun der Zeitpunkt der Fällung des vorbehaltenen Urteils und nicht der des Schlusses der Verhandlung maßgebend, so müßte die Beklagte bei Eintritt der Fälligkeit in diesem Zwischenintervall zur Kostenzahlung verurteilt werden, auch wenn sie sofort bei Fälligkeit gezahlt hat, weil ihr die prozessuale Möglichkeit fehlt, dem Gericht die Tatsache der rechtzeitigen Zahlung zur Kenntnis zu bringen, weil weiters das Parteivorbringen mit dem Schlusse der Verhandlung abgeschnitten ist und da nach der nunmehr ständigen Praxis des Obersten Gerichtshofes die Parteien die Wiedereröffnung eines geschlossenen Verfahrens nicht begehren können (Entscheidung vom 5. September 1951, 2 Ob 584/51 u. a.).

Daß diese Bedenken durchaus begrundet sind, beweist gerade der vorliegende Fall, da die Klägerin zugibt, daß noch vor der Berufung tatsächlich erfüllt worden ist, die Möglichkeit also, daß tatsächlich im Zeitpunkt der Urteilsfällung bereits geleistet war, wie die Beklagte in der Berufung behauptet, nicht von der Hand zu weisen ist. Ist das richtig, so hätte die beklagte Partei nicht verurteilt werden dürfen; sie könnte aber die Tatsache der Erfüllung, da das Verfahren bereits geschlossen war, obwohl die Fälligkeit erst nach Schluß des Verfahrens eingetreten ist, wie auch das Berufungsgericht annimmt, nicht mehr vorbringen.

Aus diesen Erwägungen sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt, von dem in SZ. XV/128 eingenommenen Standpunkt abzugehen, daß allein der Schluß der Verhandlung für die Beurteilung des Sachverhaltes maßgebend ist und nicht die tatsächliche Urteilsfällung, auch nicht bei Schluß des Verfahrens nach § 193 Abs. 3 ZPO., weil er nach der Schließung des Verfahrens nach dieser Gesetzesstelle weiteres Parteivorbringen abschneidet.

Das Revisionsvorbringen kann auch nicht etwa im vorliegenden Fall mit der Begründung zurückgewiesen werden, daß es sich hiebei um einen Verfahrensverstoß in erster Instanz handelt, der vom Berufungsgericht als nicht gegeben erachtet wurde, so daß dem Obersten Gerichtshof eine weitere Überprüfung verwehrt sei, weil es sich vorliegend um eine Frage der unrichtigen materiellrechtlichen Beurteilung handelt, nämlich um die Frage, ob die der beklagten Partei obliegende Leistung im Zeitpunkt, der für die rechtliche Beurteilung maßgebend ist, möglich war oder nicht.

Es mußte deshalb der Revision Folge gegeben und wie oben erkannt werden.

Anmerkung

Z26298

Schlagworte

Schluß der Verhandlung, Urteilsgrundlage, Schluß der Verhandlung, Verhandlung, Schluß der -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00730.53.1209.000

Dokumentnummer

JJT_19531209_OGH0002_0030OB00730_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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