Norm
ZPO §235Kopf
SZ 27/167
Spruch
Klagsänderungen sind tunlichst zuzulassen.
Entscheidung vom 9. Juni 1954, 1 Ob 273, 274/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger begehrte in der Klage Zahlung eines Betrages von 8014.08 S auf Grund folgender Behauptungen: er habe im Jahre 1927 für seinen nach Argentinien ausgewanderten Sohn Friedrich P. die Liegenschaft EZ. 16, Grundbuch der KG. P. um den Kaufpreis von 8000 S gekauft. Diesen Betrag habe er seinem Sohn aus dem Verkaufserlös seiner Liegenschaft, EZ. 141, Grundbuch St. zur Verfügung gestellt. Friedrich P. habe sich verpflichtet, ihm diese Beträge zurückzuzahlen und habe auch tatsächlich aus Argentinien hiefür Geldbeträge übersendet. Zur Reparatur des auf der Liegenschaft befindlichen Hauses habe er seinem Sohn einen weiteren Betrag von 8014.08 S zur Verfügung gestellt. Diese Schuld habe Friedrich P. immer anerkannt. In der mündlichen Streitverhandlung vom 31. Oktober 1953 schränkte der Kläger das Klagebegehren auf 8000 S ein und brachte vor, er habe diesen Betrag seinem Sohn zum Ankauf des Hauses in P. zur Verfügung gestellt und nicht zu dessen Ausbau.
Das Erstgericht erblickte darin eine Klagsänderung, ließ sie nicht zu und wies das Klagebegehren ab.
Das Rekurs- bzw. Berufungsgericht hob den Beschluß auf Nichtzulassung der Klagsänderung, sowie das Urteil auf und wies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Es vertritt die Ansicht, daß eine Klagsänderung nicht vorliege. Die Aufhebung des Urteiles sei eine Folge der Nichtzulassung des neuen Vorbringens.
Der Oberste Gerichtshof gab den von der beklagten Partei gegen die beiden Beschlüsse zweiter Instanz erhobenen Rekursen nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
1. Rekurs gegen den Beschluß bezüglich der Klagsänderung: Was zunächst die Frage der Zulässigkeit des Rekurses anlangt, so ist sie zu bejahen, da der sich formell als aufhebend darstellende Beschluß in Wirklichkeit eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung enthält (SZ. XII/17, 1 Ob 181/53 u. a.).
Der Rekurs ist jedoch nicht begrundet.
Allerdings kann der Ansicht des Rekursgerichtes nicht beigepflichtet werden, daß eine Klagsänderung nicht vorliege. Wenn auch der Kläger bereits in der Klage vorbrachte, er habe seinem Sohn einen Betrag von 8000 S zum Ankauf des Hauses zur Verfügung gestellt, so war dieses Vorbringen doch nicht der Klagsgrund, auf den er sein Begehren auf Zahlung von 8014.08 S stützte, sondern eine gar nicht notwendige Darstellung der Vorgeschichte. Nach seiner ursprünglichen Darstellung des Sachverhaltes in der Klage war ferner anzunehmen, daß der Betrag von 8000 S bereits zurückgezahlt worden sei. Klagegrund war nach der Klagserzählung vielmehr die Behauptung, Kläger habe seinem Sohn für die Reparaturen des Hauses einen Betrag von 8014.08 S zur Verfügung gestellt. Es handelt sich also um zwei gänzlich verschiedene Klagegrunde. Wenn nun der Kläger die Rückzahlung des erstgenannten Betrages begehrt, so liegt darin eine Klagsänderung.
Dem Rekursgericht ist aber darin beizupflichten, daß diese Klagsänderung zuzulassen ist. Jede Klagsänderung erschwert oder verzögert vielfach die Prozeßführung; wenn sie dies aber nicht in erheblichem Maße tut, kann das Gericht sie trotzdem zulassen (§ 235 Abs. 3 ZPO.). Im Sinne der Zivilprozeßordnung liegt es, Klagsänderungen, wenn tunlich zuzulassen (Rsp. 1930 Nr. 149), weil sie den Parteien und dem Gerichte den zweiten Prozeß ersparen. Aussichtslosigkeit des ersten oder des geänderten Begehrens oder selbst die Notwendigkeit einer Vertagung sind keineswegs stets ein Grund, die Klagsänderung zu versagen (4 Ob. 24/54). Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei bereits in ihrer Klagebeantwortung zu dem geänderten Klagegrund Stellung genommen und es wurden die Zeugen und die Parteien, wenn auch ohne formellen Beweisbeschluß, auch über diesen Sachverhalt vernommen. Es wird daher voraussichtlich mit der Fassung des formellen Beweisbeschluß über dieses Beweisthema sein Bewenden haben können, ohne daß eine neuerliche Vernehmung der Zeugen erforderlich sein wird. Sollte dies aber doch für nötig erachtet werden, dann kann der im Gerichtssprengel wohnende Zeuge sofort zur nächsten Tagsatzung geladen und vernommen und das Verfahren zwecks Vernehmung des außerhalb des Gerichtssprengels wohnenden Zeugen gemäß § 193 Abs. 3 ZPO. geschlossen werden.
Der angefochtene Beschluß war daher mit der Maßgabe zu bestätigen, daß die Klagsänderung bewilligt wird.
2. Rekurs gegen den Beschluß bezüglich Aufhebung des Ersturteiles:
Die Frage der Zulässigkeit des Rekurses ist zu bejahen. Wenn der Beschluß auch formell sich als ein Aufhebungsbeschluß im Sinne des § 519 Z. 3 ZPO. darstellt und ein Rechtskraftvorbehalt vom Berufungsgericht nicht gemacht wurde, so erscheint die Aufhebung des angefochtenen Urteiles doch nur als eine notwendige Folge der Entscheidung über die Zulassung der Klagsänderung. Er muß daher bezüglich der Anfechtbarkeit das Schicksal dieses Beschlusses teilen.
Der Rekurs ist sachlich ebenfalls nicht begrundet. Aus der Zulassung der Klagsänderung ergibt sich die Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens und damit die Notwendigkeit der Aufhebung des angefochtenen Urteiles.
Anmerkung
Z27167Schlagworte
Klagsänderung Zulässigkeit, Zulässigkeit von Klagsänderungen, Zulassung von KlagsänderungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1954:0010OB00273.54.0609.000Dokumentnummer
JJT_19540609_OGH0002_0010OB00273_5400000_000