TE OGH 1954/10/27 3Ob713/54

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Veröffentlicht am 27.10.1954
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Norm

Handelsgesetzbuch §390 Abs1
Allgemeine Österreichische Spediteurbedingungen §57

Kopf

SZ 27/272

Spruch

§ 407 Abs. 2 HGB. gilt auch für den Fall einer Einlagerung im Freien; nur die Haftung für solche Schäden, die aus der Freilagerung selbst, wie Rost- und Feuchtigkeitsschäden, entstehen, ist gemäß § 57 Z. 2 AÖSp. ausgeschlossen.

Entscheidung vom 27. Oktober 1954, 3 Ob 713/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien in Handelssachen; II.

Instanz: Handelsgericht Wien.

Text

Die Klägerin begehrt die Verurteilung der beklagten Partei zur Bezahlung des eingeschränkten Betrages von 3160.80 S s. A. mit der Begründung, die beklagte Partei habe als Spediteur einen von der Firma Otto R.K. in Düsseldorf an die Firma R. in Wien abgesendeten Waggon mit 138 Stangen Formeisen übernommen und die Stangen eingelagert; das Verfügungsrecht über die Sendung sei an die Klägerin übergegangen, die auch die Speditionsrechnung bezahlt habe. Nach Abberufung von Trägern durch die Klägerin seien noch Träger im Gesamtgewicht von 878 kg im Werte des Klagsbetrages bei der Beklagten eingelagert geblieben, die Beklagte verweigere aber die Herausgabe der Restmengen mit der Behauptung, daß sie über diese nicht verfüge. Sie hafte für den Ersatz des Wertes dieser Menge als Spediteur und beauftragter Verwahrer.

Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß der Waggon bei seiner Ankunft in Wien ein Bruttogewicht von 39.070 kg, nach Abzug der Tara ein Nettogewicht von 21.920 kg hatte, während das Aufgabegewicht 22.030 kg betrug, daß die Ware, u. zw. 138 Stück U-Träger, von der beklagten Partei übernommen und im Freien eingelagert wurde und daß hievon über Auftrag der Klägerin insgesamt 131 Träger wieder ausgelagert wurden, so daß noch sieben Träger vorhanden sein müßten. Der Grund für dieses Fehlen habe nicht festgestellt werden können. Da im gegenständlichen Falle die allgemeinen österr. Spediteurbedingungen (AÖSp.) zur Anwendung kommen, sei die Haftung des Spediteurs gemäß § 57 Z. 1 lit. a AÖSp. für Schäden an nichtverpackten Gütern, nach Z. 2 für Schäden, die durch die Aufbewahrung im Freien entstehen, und nach Z. 3 für Schäden die durch Diebstahl entstehen, ausgeschlossen. Wenn einSchaden dem Umstande nach aus einer im § 57 AÖSp. bezeichneten Gefahr entstehen könne, so werde nach § 58 AÖSp. vermutet, daß er aus dieser Gefahr entstanden sei. Gemäß der letzteren Bestimmung sei zu vermuten, daß die fehlenden Träger gestohlen worden seien, weshalb die Haftung des Spediteurs gemäß § 51 lit. b AÖSp. ohne Rücksicht darauf, ob den Spediteur ein Verschulden treffe oder nicht, ausgeschlossen sei.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Prozeßgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück. Es teilte die Ansicht des Prozeßgerichtes, daß auf das gegenständliche Geschäft die Allgemeinen Österr. Spediteurbedingungen Anwendung zu finden hätten, da diese Handelsgebrauch und daher gemäß § 346 HGB. für beide Parteien als Kaufleute verbindlich seien. Es habe die beklagte Partei das Abhandenkommen der Ware durch Diebstahl als ausgeschlossen erklärt und zu ihrer Entlastung keine der in § 57 AÖSp. angeführten Haftungsausschlüsse geltend gemacht und auch nicht vorgebracht, daß der Schade den Umständen nach aus einer der im § 57 AÖSp. bezeichneten Gefahren habe entstehen können. Es sei auch außer Streit, daß keine der Parteien daran gedacht habe, wegen der von der Klägerin behaupteten Fehlmenge einen Schaden bei der Versicherung anzumelden. Die Beklagte habe nur eingewendet, daß sie die gleiche Warenmenge, die sie übernommen habe, der Klägerin ausgefolgt habe und daß die von der Klägerin behauptete Fehlmenge auf Ungenauigkeiten bei der Gewichtsberechnung und beim Abmessen der ausgelagerten U-Träger zurückzuführen sei. Von den in § 57 AÖSp. bezeichneten Gefahren kämen für den gänzlichen Verlust der Fehlmenge nach den Umständen des Falles nur die unter Z. 3 angeführten Gefahren, nämlich Diebstahl, Raub oder Erpressung in Betracht. Das Abhandenkommen durch Diebstahl sei ausdrücklich ausgeschlossen worden, die beiden anderen Gefahrenumstände seien nicht einmal behauptet worden, der Schade habe daher den Umständen nach nicht aus einer der im § 57 AÖSp. bezeichneten Gefahren entstehen können, so daß die Ansicht des Prozeßgerichtes, die Haftung der beklagten Partei sei gemäß §§ 57 Z. 3 und 58 lit. a AÖSp. nicht gegeben, unrichtig sei. Es sei daher zu prüfen, ob die eingelagerte Warenmenge zur Gänze an die Klägerin oder nach deren Weisungen ausgelagert wurde und ob der geltend gemachte Differenzbetrag auf Ungenauigkeiten beim Abmessen der Ware und der Gewichtsberechnung zurückzuführen sei. Hierüber seien noch ergänzende Feststellungen nötig.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs der beklagten Partei macht zunächst geltend, die Annahme des Berufungsgerichtes, es sei außer Streit gestellt worden, ein Diebstahl im Lager der beklagten Partei sei nicht erfolgt, sei unrichtig, denn eine solche Außerstreitstellung sei nicht vorgenommen worden, es sei nur von der beklagten Partei erklärt worden, daß die gesamte eingelagerte Ware ausgelagert wurde und sohin für den Diebstahl kein Platz sei, zu welchen Ausführungen die Klägerin nicht Stellung genommen habe, sodaß eine Außerstreitstellung nicht vorliege.

Diesen Ausführungen muß entgegengehalten werden, daß die beklagte Partei bei der Tagsatzung vom 8. April 1953 ausdrücklich vorgebracht hat, ein Diebstahl am Lagerplatz der beklagten Partei sei nicht erfolgt, die ganze Warenmenge sei ausgefolgt worden und die beklagte Partei hafte schon aus rechtlichen Erwägungen gemäß den §§ 51 bis 57 der AÖSp. nicht für eventuell abhanden gekommene Träger, da die Ware mit Wissen der klagenden Partei im Freien gelagert worden sei. Eine Ergänzung dieses Vorbringens wurde in erster Instanz nicht vorgenommen. Die beklagte Partei hat somit selbst zugegeben, daß ein Diebstahl nicht erfolgt sein könne, und damit klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sie sich auf den Befreiungsgrund des § 57 Z. 3 AÖSp. nicht berufe und auch nicht behaupte, daß der eingetretene Schaden aus der Gefahr eines Diebstahls entstanden sei. Die beklagte Partei kann sich aber auf diesen Befreiungsgrund nur dann berufen, wenn sie sein Vorliegen behauptet und beweist bzw. behauptet, daß der eingetretene Schaden den Umständen nach aus dieser Gefahr entstanden sein könnte. Da also die beklagte Partei eine derartige Einwendung gegenüber dem Klagsanspruch nicht erhoben hat, bestand für die Klägerin keine Notwendigkeit, hiezu Stellung zu nehmen. Es handelt sich somit gar nicht darum, ob die Unmöglichkeit eines Diebstahls außer Streit gestellt wurde, maßgebend ist vielmehr, daß die beklagte Partei eine derartige Einwendung im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht erhoben hat; auf das erst in der Berufungsmitteilung erstattete Vorbringen hat das Berufungsgericht mit Recht als Neuerung keinen Bedacht genommen.

Was aber die in erster Instanz vorgebrachte Behauptung anlangt, daß die beklagte Partei deshalb nicht hafte, weil die Ware mit Wissen des Klägers im Freien eingelagert worden sei, so befreit die Lagerung der Ware im Freien den Spediteur nur von der Haftung für solche Schäden, die durch die Aufbewahrung im Freien entstehen, also Rost, Feuchtigkeitsschäden u. dgl. Daß das Abhandenkommen der Ware auf derartige Schäden zurückzuführen sei, hat die Beklagte weder behauptet noch bewiesen; aus dem Umstand, daß es sich um 7 Eisenträger mit einem Gewicht von ungefähr 870 kg handelt, ist bereits ersichtlich, daß das Abhandenkommen, also der Totalverlust, nicht auf derartige Schäden zurückgeführt werden kann. Über das Vorliegen eines sonstigen der im § 57 AÖSp. angeführten Gefahrenumstände hat die beklagte Partei weder irgendwelche konkrete Behauptungen vorgebracht, noch kann nach den Umständen des Falles das Vorliegen eines dieser Gefahrenumstände als für das Abhandenkommen der sieben Träger kausal angenommen werden, weshalb die Bestimmung des § 58 lit. a AÖSp. als Befreiungsgrund nicht zur Anwendung kommt.

Desgleichen hat die beklagte Partei auch keinerlei konkrete Behauptungen in der Richtung vorgebracht, daß ihr ein anderer Haftungsbefreiungsgrund zugute komme. Sie war nur der unrichtigen Meinung, daß die Einlagerung im Freien sie von jeder Haftung ausschließe, während diese Art der Einlagerung gemäß § 57 Z. 2 AÖSp. die Haftung nur für solche Schäden ausschließt, die durch Aufbewahrung im Freien entstehen. Daß ein solcher Schaden für den Totalverlust nicht in Betracht kommt, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum angenommen.

Wenn die Rekurswerberin vermeint, daß im Falle einer Freilagerung den Spediteur keine besondere Sorgfaltspflicht treffe, so ist auch diese Annahme irrig. Die Bestimmung des § 407 Abs. 2 HGB., nach der die dem Kommissionär obliegende Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmannes für das in seiner Verwahrung befindliche Gut auch den Spediteur trifft, gilt auch für den Fall einer Einlagerung des Gutes im Freien; im letzteren Fall wird nur die Haftung für solche Schäden, die aus der Freilagerung selbst entstehen, gemäß § 57 Z. 2 AÖSp. ausgeschlossen. Daß es sich um einen derartigen Schaden handle, wurde von der beklagten Partei weder behauptet noch bewiesen und ist auch, wie bereits ausgeführt, nach den Umständen des Falles nicht anzunehmen.

Was schließlich die Behauptung des Rekurses anlangt, daß die beklagte Partei nachgewiesen habe, sie habe die ganze zur Verwahrung übernommene Warenmenge ausgefolgt, so übersieht der Rechtsmittelwerber, daß beide Vorinstanzen angenommen haben, die Differenz zwischen der übernommenen und der ausgefolgten Warenmenge betrage sieben U-Träger im Gewicht von ungefähr 870 kg. Nach den Feststellungen der Untergerichte hat die beklagte Partei daher nicht bewiesen, daß sie die ganze zur Einlagerung übernommene Ware ausgefolgt habe, weshalb auch § 59 AÖSp. nicht zur Anwendung kommen kann.

Was endlich die Behauptung anlangt, das Berufungsgericht habe die Menge der fehlenden Ware nur auf Grund der Angaben der klagenden Partei festgestellt, so handelt es sich bei diesem Vorbringen um einen unzulässigen Angriff gegen die Beweiswürdigung der Untergerichte.

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß ein Befreiungsgrund nach den Bestimmungen der AÖSp. nicht vorliege, ist somit frei von Rechtsirrtum, weshalb dem unbegrundeten Rekurs der Erfolg versagt bleiben mußte.

Anmerkung

Z27272

Schlagworte

Einlagerung im Freien, Freilagerung, Schäden, Haftung des Lagerhalters bei Freilagerung, Haftungsausschluß, Spediteur, Lagerhalter, Freilagerung, Spediteur Haftungsausschluß

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1954:0030OB00713.54.1027.000

Dokumentnummer

JJT_19541027_OGH0002_0030OB00713_5400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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