TE OGH 1959/3/18 1Ob64/59

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.03.1959
beobachten
merken

Norm

Jugendwohlfahrtsgesetz §18
ZPO §26

Kopf

SZ 32/36

Spruch

Die Bezirksverwaltungsbehörde darf nicht nur eigene, sondern auch fremde, allenfalls auf Ersuchen der zuständigen ausländischen Behörde auch ausländische Mundel vertreten.

Entscheidung vom 18. März 1959, 1 Ob 64/59.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die klagende Partei, die deutsche Staatsangehörige ist, begehrt in ihrer am 14. Februar 1958 eingebrachten Klage, den ihr seinerzeit zugesprochenen Unterhaltsbeitrag von 100 S bzw. 165 S ab dem Klagstag bis zum vollendeten sechzehnten Lebensjahr (4. Oktober 1958) auf 390 S zuzüglich der Kinderbeihilfe von 115 S monatlich zu erhöhen.

Der Kläger ist durch das Bezirksjugendamt für den 1./8./9. Bezirk in Wien vertreten. Dem Bezirksjugendamt ist vom Amtsvormund des Klägers, das ist vom Bezirksjugendamt Fürth, Prozeßvollmacht erteilt.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten, an Stelle des festgesetzten und bisher gezahlten Unterhaltsbeitrages von monatlich 100 S bzw. 165 S ab 14. Februar 1958 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Vollendung des sechzehnten Lebensjahres des Klägers, monatlich 368 S zuzüglich der Kinderbeihilfe in der jeweils gesetzlich bestimmten Höhe, derzeit monatlich 115 S, zu zahlen. Das Mehrbegehren von monatlich 22 S wies es ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das Urteil einschließlich des vorangegangenen Verfahrens ab Klagezustellung als nichtig auf und wies die Klage zurück. Zur Begründung führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, als Bevollmächtigter könne nur eine physische, nicht aber eine juristische Person in Betracht kommen. Es habe daher das Bezirksjugendamt für den 1./8./9. Bezirk in Wien im Sinne des § 6 ZPO. aufgefordert, eine auf den Leiter des Amtes oder einen bevollmächtigten Vertreter lautende Prozeßvollmacht des Stadtjugendamtes Fürth vorzulegen. Hiezu sei das Bezirksjugendamt laut seiner Mitteilung vom 9. Dezember 1958 nicht in der Lage. Dies sei aber mangels eines Rechtshilfeabkommens zwischen der Deutschen Bundesrepublik und der Republik Österreich von Bedeutung und müsse, da eine juristische Person nicht Prozeßbevollmächtigter sein könne, zur Zurückweisung der Klage führen.

Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und beauftragte dieses Gericht, das Verfahren fortzusetzen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Für seine Auffassung, daß das Bezirksjugendamt für den 1./8./9. Bezirk in Wien nicht als Bevollmächtigter des Jugendamtes Fürth einschreiten dürfe, verweist das Berufungsgericht nur auf die §§ 26 und 30 ZPO. § 26 ZPO. kann dahin verstanden werden, daß der Bevollmächtigte deswegen, weil er für die Partei vor Gericht handelnd auftreten soll, eine physische Person sein müsse. Offenbar dieser Gedankengang liegt zugrunde wenn - wie vom Berufungsgericht richtig angeführt - Stagel - Michlmayr, Zivilprozeßordnung, 11. Aufl. Anm. 2 zu § 26, allerdings ohne eine Begründung zu geben, meinen, daß als Prozeßbevollmächtigte nur physische und nicht juristische Personen in Betracht kommen. Aus § 30 ZPO. läßt sich für die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung nichts gewinnen.

Auf eine solche allgemeine Unzulässigkeit der Bevollmächtigung juristischer Personen könnte aber - abgesehen davon, daß das Bezirksjugendamt für den 1./8./9. Bezirk in Wien keine juristische Person, sondern eine Behörde ist - seine angebliche Unfähigkeit zur Vertretung des ausländischen Mundels schon deswegen nicht gegrundet werden, weil nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 18 JWG. vorausgesetzt wird, daß die Bezirksverwaltungsbehörde Klagen auf Feststellung der Vaterschaft und Klagen, die der Hereinbringung des Unterhalts dienen, für die Mundel einbringen könne. Damit ist der Bezirksverwaltungsbehörde in diesem Umfang die Fähigkeit, Prozeßbevollmächtigte zu sein, durch das Gesetz eingeräumt. Daß die Bezirksverwaltungsbehörde dabei nur für eigene Mundel, nicht aber auf Ersuchen der zuständigen Behörde für fremde, allenfalls ausländische, Mundel auftreten dürfte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Ob aber in dieser Beziehung Amtshilfe zu leisten ist, unterliegt der Entscheidung der Verwaltungsbehörden und kann nicht vom Gericht nachgeprüft werden. Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, daß die Bezirksverwaltungsbehörde nicht, nur eigene, sondern auch fremde, allenfalls auf Ersuchen der zuständigen ausländischen Behörde ausländische Mundel vertreten darf (vgl. Mitteilung JBl. 1948 S. 43 bei Hover - Chlanda, Rechtshilfeerlaß für bürgerliche Rechtssachen. S. 110 Anm. 1).

In der gleichen Richtung liegt es, wenn eine von einer inländischen Bezirksverwaltungsbehörde gemäß § 3 des Gesetzes vom 13. Juli 1928, BGBl. Nr. 194, auf Ersuchen eines ausländischen Jugendamtes für ein ausländisches Mundel beurkundete Erklärung als gerichtlicher Vergleich im Sinne der angeführten Gesetzesstelle angesehen wurde (7 Ob 195/56).

Anmerkung

Z32036

Schlagworte

Ausländische Mundel, Vertretungsbefugnis des Bezirksjugendamtes, Bezirksverwaltungsbehörde, Vertretung fremder Mundel, Jugendamt, Vertretung fremder Mundel, Vertretungsbefugnis des Bezirksjugendamtes, Vormundschaft, Vertretungsbefugnis des Bezirksjugendamtes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1959:0010OB00064.59.0318.000

Dokumentnummer

JJT_19590318_OGH0002_0010OB00064_5900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten