TE OGH 1959/6/10 2Ob278/59

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Veröffentlicht am 10.06.1959
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr.Sabaditsch, Dr.Köhler, Dr.Pichler und Dr.Höltzel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Gebietskrankenkasse *****, vertreten durch Dr.Robert Amhof und Dr.Heinz Damian, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Josef S*****, vertreten durch Dr.Karl Östreicher, Rechtsanwalt in Wien, wegen 4.112,32 S s.A. infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 10.März 1959, GZ 43 R 943/58-15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 31.Oktober 1958, GZ 4 C 742/58-9, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurse wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten sind als Prozeßkosten erster Instanz zu behandeln.

Text

Begründung:

Die Klägerin als Trägerin der Sozial-Krankenversicherung hat vorgebracht, daß die bei ihr versicherte Maria F***** vom Beklagten am 30.12.1956 im Zuge einer tätlichen Auseinandersetzung vorsätzlich verletzt worden sei. Der Beklagte sei deswegen rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden. Die Klägerin habe für die Verletzte Heilverfahrensaufwand mit dem Gesamtbetrage von 4.112,32 S erbracht (dieser Aufwand ist spezifiziert worden). Der Ersatz dieses Betrages werde vom Beklagten im Sinne der Legalzession des § 332 ASVG begehrt. Der Beklagte hat das Klagsvorbringen bestritten, Klagsabweisung beantragt und eingewendet (ON 8), daß die Verletzte vom Beklagten Schadenersatz begehrt habe; zur Abgeltung ihrer Ansprüche seien 16.000,-- S gezahlt worden; somit seien sämtliche Ansprüche der Verletzten einschließlich der nunmehr von der Klägerin als Legalzessionarin geltend gemachten Ansprüche bereinigt worden. Das Erstgericht hat den Beklagten zur Zahlung des Betrages von 4.112,32 S s.A. an die Klägerin verurteilt. Das für die Entscheidung erhebliche Vorbringen der Klägerin sei durch den Beklagten nicht bestritten worden. Die Schadenersatzansprüche der Verletzten seien bereits im Zeitpunkte ihrer Entstehung auf Grund der Legalzession nach § 332 ASVG an die Klägerin übergangen. Somit habe die Verletzte über diese Ansprüche keine Verfügung mit Rechtswirksamkeit treffen können. Durch eine etwaigen Vergleich sei die Forderung der Legalzessionarin in keiner Weise tangiert worden. Die beklagte Partei habe nicht konkret behaupten können, daß in dem der Verletzten bisher zugesprochenen Gesamtbeträge von 16.000,-- S solche Ansprüche inbegriffen seien, welche mit der vorliegenden Klage verlangt würden. Der Berufung der beklagten Partei hat das Berufungsgericht Folge gegeben, das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Zugleich hat das Berufungsgericht ausgesprochen, daß das Verfahren erster Instanz erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei. Der Beklagte habe das gesamte Klagsvorbringen bestritten. Wenn das Erstgericht den Klagsanspruch dem Grunde nach zu Recht bestehend angenommen habe, hätte es daher das Ausmaß der von der Klägerin erbrachten Leistungen erörtern müssen. In der Krankenversicherung - um Ansprüche daraus handle es sich hier - erfolge der Übergang nach der Legalzession ebenso wie in der Pensionsversicherung erst auf Grund der Geltendmachung des Leistungsanspruchs. Die Schadenersatzforderung der Geschädigten sei daher erst mit der Geltendmachung des Leistungsanspruches auf die Klägerin übergegangen. Es müsse also festgestellt werden, wann die Geschädigte der Klägerin gegenüber Leistungsansprüche geltend gemacht und wann der Beklagte der Geschädigten gegenüber die von ihm behaupteten Schadenersatzleistungen erbracht habe. Dem Umstande, ob der Ersatzpflichtige in Unkenntnis der von der Sozialversicherungsträgerin an die Geschädigte erbrachten Leistungen, also gutgläubig, an die Verletzte Schadenersatz geleistet habe, komme zwar an sich Bedeutung zu, eine derartige Einwendung aber habe der Beklagte vor dem Erstgerichte nicht erhoben.

Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der gemäß § 519 Z 3 ZPO zulässige Rekurs der klagenden Partei, worin beantragt wird, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgerichte die neuerliche Entscheidung im Sinne der Bestätigung des Ersturteils aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Ergebnis nicht begründet, das Verfahren vielmehr ergänzungsbedürftig, wenn auch der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes nicht in allen Punkten beizupflichten ist. Bei der Beurteilung ist von der in § 332 Abs 1 ASVG normierten Legalzession auszugehen. Nach Maßgabe der Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers geht der Schadenersatzanspruch des Geschädigten (vorliegendenfalls der Maria F*****) gegen den Schädiger (den Beklagten) auf den Sozialversicherungsträger sofort mit seiner Entstehung über, in der Regel also im Zeitpunkte des schädigenden Ereignisses. In diesem Rechtsstreite handelt es sich um Leistungen aus der Krankenversicherung. Bei der Krankenversicherung gilt gemäß § 120 Z 1 ASVG der Versicherungsfall bei Krankheit mit dem Beginn der Krankheit als eingetreten. Der Hinweis des Berufungsgerichtes auf die Bestimmungen des § 361 ASVG greift nicht durch. Es muß nämlich für die Beurteilung der Wirkungen der Legalzession des § 332 ASVG zwischen dem Zeitpunkte des materiell-rechtlichen Entstehens der Ansprüche und jenem der verfahrensrechtlichen Feststellung der Leistungsansprüche durch die Versicherungsträger unterschieden werden. § 361 ASVG ist eine verfahrensrechtliche Vorschrift, was sich schon aus der Systematik des ASVG ergibt (sie ist im 7. Teile des bezogenen Gesetzes enthalten, welcher Teil das Verfahren - §§ 352 ff ASVG - betrifft). Auf diesen Unterschied hat die Lehre hingewiesen (vgl. Fenzl, Der Zeitpunkt des Überganges der Ansprüche nach § 1542 RVO, ÖJZ 1955, S. 557 ff, insbesondere zu Fußnote 6; der genannte Autor behandelt in seinen Ausführungen auch die Rechtslage nach dem ASVG, die sich in dieser Hinsicht von der Regelung nach der RVO nicht unterscheidet). Nur bei der Pensionsversicherung (Invalidenversicherung der RVO) geht der Anspruch des Verletzten auf den Sozialversicherungsträger nicht im Momente des Unfalls, sondern erst mit der Geltendmachung der Sozialversicherungsansprüche durch den Verletzten über (vgl. Fenzl, aaO, sowie z.B. 2 Ob 92/56 vom 22.2.1956, ZVR 1956, Spruchbeilage Nr. 72; 2 Ob 633/57 vom 26.2.1958 u. a.m.). In dieser Beziehung unterscheidet sich die Pensionsversicherung von den anderen Arten der Sozialversicherung. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, nach welcher in der Krankenversicherung der Übergang der Ersatzansprüche erst auf Grund der Geltendmachung des Leistungsanspruches durch den Geschädigten eintritt, wird also von der Rekurswerberin mit Recht bekämpft (die von der Vorinstanz in diesem Zusammenhange zitierten Entscheidungen ZVR 1956, Spruchbeilage Nr. 72 - bereits oben in einem anderen Zusammenhange zitiert -, sowie ZVR 1957, Spruchbeilage Nr. 131 - 2 Ob 580/56 vom 31.10.1956 -, haben nicht die Krankenversicherung, auf welche es vorliegendenfalls ankommt, betroffen). Es erübrigt sich daher die vom Berufungsgerichte verlangte Feststellung, wann die Geschädigte der Klägerin gegenüber Leistungsansprüche geltend gemacht habe.

Der Ansicht der Rekurswerberin, daß die Sache schon im Sinne der Bestätigung des Ersturteils spruchreif sei, kann aber nach der Aktenlage nicht beigepflichtet werden. Es fehlen nämlich die erforderlichen Erörterungen und Feststellungen nicht nur zum Grunde, sondern auch zur Höhe der geltend gemachten Forderung, und zwar gemäß den folgenden Ausführungen:

Dem Grunde nach hat der Beklagte dem Anspruch der Klägerin aus der Legalzession nach § 332 ASVG den Abschluß eines Vergleiches zwischen der geschädigten Maria F***** und dem Beklagten und die daraus vorgenommenen Zahlungen entgegengesetzt. Der zu dieser Frage eingenommene Standpunkt des Erstgerichtes, das in dieser Hinsicht der Auffassung der Klägerin gefolgt ist, kann nach Lehre und Rechtsprechung (vgl. Geigel, Haftpflichtprozeß, 9. Aufl., S. 494 ff, und Fenzel, aaO, sowie die von diesen Autoren bezogene Judikatur) nicht geteilt werden. Da es sich bei dem Anspruch des Sozialversicherers auf Grund der Legalzession bloß um einen vom Verletzten abgeleiteten Anspruch handelt, muß doch der Sozialversicherungsträger nach den Grundsätzen der Lehre von der Zession die Zahlung oder auch nur den Vergleich des Schädigers an den bzw mit dem Verletzten gegen sich gelten lassen, soweit der Ersatzpflichtige (also der Beklagte) den Rechtsübergang bei der Zahlung oder beim Vergleichsabschluß nicht kannte; umgekehrt ausgedrückt, kann sich der Ersatzpflichtige auf eine an den Verletzten (Maria F*****) geleistete Zahlung oder auf einen mit diesem abgeschlossenen Vergleich dem Sozialversicherer gegenüber nicht berufen, wenn er bei Zahlung oder Vergleichsabschluß vom Anspruchsübergang gewußt hat; dabei ist der gute Glaube des Ersatzpflichtigen schon dann ausgeschlossen, wenn er wußte, daß der Verletzte der Sozialversicherung unterliegt. In dieser Richtung fehlen alle Erörterungen und Feststellungen im bisherigen Verfahren, wobei gegenüber den Ausführungen des Berufungsgerichtes mit der Lehre (vgl. Geigel, aaO, S. 500) feszuhalten ist, daß der Nachweis der Kenntnis des Schädigers von der Tatsache der Sozialversicherung des Verletzten im Zeitpunkte der Zahlung oder des Vergleichsabschlusses dem Sozialversicherer obliegt. Für den Anspruchsübergang gilt der Grundsatz der kongruenten Deckung (vgl. Geigel, aaO, S. 501 ff), so daß gegebenenfalls erörtert und festgestellt werden muß, welche Ansprüche der Verletzten im Verhältnis zu den von der Klägerin erbrachten Leistungen aus der Krankenversicherung - z.B. hat Krankengeld die Funktion des Ersatzes für Verdienstentgang - der Beklagte verglichen oder gezahlt hat (der Beklagte hat übrigens eine Abgeltung sämtlicher Ansprüche der Verletzten behauptet). Schließlich ist zum Grunde des Anspruchs im Hinblick auf die Ausführungen der Rekurswerberin noch zu bemerken, daß nach dem Vorbringen der Klägerin die Leistungen aus der Krankenversicherung (Heilverfahrensaufwand) an Maria F***** schon erbracht worden sind. Bereits aus diesem Grunde kommt § 332 Abs 2 ASVG vorliegendenfalls nicht zur Anwendung; denn die Anrechnung nach dieser Vorschrift setzt voraus, daß dem Versicherten Leistungsansprüche nach dem ASVG noch zustehen (diese Vorschrift wirkt in die Zukunft und hat für die Vergangenheit keine Bedeutung).

Wird nach der im Sinne der obigen Ausführungen vorzunehmenden Verfahrensergänzung der Grund des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs zu bejahen sein, dann werden nach den Darlegungen des Berufungsgerichtes Feststellungen über die Höhe der Klagsforderung zu treffen sein. Die zu diesem Punkte vorgebrachten Rekursausführungen (S. 46f der Prozeßakten) sind zur Gänze unbegründet. Denn der Beklagte hat schon im erstinstanzlichen Verfahren das Klagsvorbringen bestritten (S. 19 der Prozeßakten). Damit erweist sich aber das Vorbringen der Klägerin über das Ausmaß des von ihr an die Verletzte erbrachten Pflichtaufwandes als beweisbedürftig. Schon der Mangel eines Zugeständnisses bewirkt die Beweisbedürftigkeit einer Tatsachenbehauptung, umsomehr aber die ausdrückliche - wenn auch allgemein gehaltene - Bestreitung des Vorbringens der klagenden Partei seitens ihres Prozeßgegners (vgl. z.B. 1 Ob 289/47 vom 10.5.1947, JBl 1948, S. 163 f; 2 Ob 230/57 vom 29.5.1957; 6 Ob 166/58 vom 17.9.1958).

Aus diesen Erwägungen war dem Rekurse im Ergebnis nicht Folge zu geben.

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E73404 2Ob278.59

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1959:0020OB00278.59.0610.000

Dokumentnummer

JJT_19590610_OGH0002_0020OB00278_5900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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