TE OGH 1978/8/3 12Os88/78

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.1978
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.August 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Seidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Wilhelm A wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20.April 1978, GZ. 6 Vr 401/78-17, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Otto Kern und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch Punkt 3) wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB sowie demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Wilhelm A wird von der Anklage, er habe durch sein Schreiben an seine geschiedene Gattin vom 26.Februar 1978 die Polizeibeamten B sowie Gendarmerieinspektor G. C durch die Behauptung, man habe ihm gedroht, die Brille wegzunehmen und mit ihm in den Keller zu gehen, wenn er kein Geständnis ablege, des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB, zumindest aber der Verletzung einer Amtspflicht falsch verdächtigt, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch war, er habe hiedurch das Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die nach dem unberührt bleibenden Teil des Schuldspruches ihm zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich 1.) das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 StGB und 2.) das Vergehen des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs. 1 StGB wird der Angeklagte Wilhelm A gemäß § 207 Abs. 1, 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren verurteilt. Der Ausspruch über die Vorhaftanrechnung gemäß § 38 StGB wird aus dem Ersturteil übernommen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß den § 389, 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Strafverfahrens erster und zweiter Instanz zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.April 1945 geborene, zuletzt beschäftigungslose Tapezierer Wilhelm A 1.) des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB, 2.) des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB und 3.) des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1

StGB schuldig erkannt.

Nach den wesentlichen Urteilsannahmen hat der Angeklagte ab dem Herbst 1977 seine am 9.Juni 1971 geborene (unmündige) eheliche Tochter Martina wiederholt dadurch zur Unzucht mißbraucht, daß er ihren Geschlechtsteil betastete, sie aufforderte, sein erregtes Glied anzugreifen, vor ihr onanierte und am 2.Februar 1978 mit dem Finger in ihre Scheide fuhr (Punkt 1) und 2) des Schuldspruches). In einem aus der Untersuchungshaft an seine geschiedene Gattin Johanna A gerichteten - vom Untersuchungsrichter zensurierten - Schreiben vom 26.Februar 1978 behauptete der Angeklagte wahrheitswidrig, 'man habe ihm bei einer Vernehmung vor der Polizei gedroht, die Brille wegzunehmen und mit ihm in den Keller zu gehen, wenn er kein Geständnis ablege'. Diesen Brief nahm die geschiedene Gattin des Angeklagten zum Anlaß, sich in einem Schreiben an den Bundespräsidenten über das Vorgehen der Kriminalbeamten zu beschweren. Dieses Schreiben der geschiedenen Gattin des Angeklagten wurde in der Folge von der Präsidentschaftskanzlei dem Bundesministerium für Inneres übermittelt, welches am 20.März 1978 die Bundespolizeidirektion Graz um Stellungnahme zur Beschwerde ersuchte (Punkt 3) des Schuldspruches).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, in welcher er lediglich in Ansehung des Schuldspruches wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO insbesondere Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite geltend macht.

Mit seiner Berufung erstrebt er die Herabsetzung des Strafausmaßes.

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsrüge kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Das Delikt der Verleumdung begeht, wer einen anderen dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzt, daß er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung oder der Verletzung einer Amts- oder Standespflicht falsch verdächtigt, wenn er weiß (§ 5 Abs. 3 StGB), daß die Verdächtigung falsch ist. Auf der inneren Tatseite erfordert dieser Tatbestand neben der Wissentlichkeit in Ansehung der Falschbezichtigung hinsichtlich der Gefahr einer behördlichen Verfolgung zumindest Vorsatz im Sinne des § 5 Abs. 1 StGB. Demnach müßte vom - wenigstens bedingten - Vorsatz des Täters zumindest die Wahrscheinlichkeit umfaßt sein, daß irgendeine Behörde den (oder die) Verdächtigen verfolgen werde (SSt. 46/39; RZ 1976/105; ÖJZ-LSK 1976/98 u.a.).

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht zwar festgestellt, daß dem Angeklagten die Unrichtigkeit seiner Verdächtigung bewußt war. Zur Frage, ob der Angeklagte auch vorsätzlich (§ 5 Abs. 1 StGB) die Gefahr der behördlichen Verfolgung der Kriminalbeamten herbeiführte (oder herbeiführen wollte /§ 15 StGB/), hat das Erstgericht indes keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Denn darin allein, daß dem Angeklagten 'genau bekannt war, daß Briefe von Untersuchungshäftlingen vom Untersuchungsrichter zensuriert werden' (S 104), ist die gewollte Verwirklichung des dem Tatbild der Verleumdung entsprechenden äußeren Sachverhaltes nicht zu erkennen (vgl. EvBl. 1975/192, 282, ÖJZ-LSK 1978/18). Es läßt sich daraus - in Verneinung bloß bewußter Fahrlässigkeit - nicht ableiten, daß der Angeklagte eine behördliche Verfolgung der Kriminalbeamten wenigstens ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat (§ 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz StGB).

Damit erweist sich der Schuldspruch wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB in Ansehung der subjektiven Tatseite als mit einem den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO verwirklichenden Feststellungsmangel behaftet, der zur Aufhebung dieses Schuldspruches führen muß.

Die für die Bejahung des Gefährdungsvorsatzes nach dem § 297 Abs. 1 StGB erforderlichen Tatsachenfeststellungen könnten aber auch in einem in erster Instanz zu erneuernden Verfahren nicht getroffen werden. Denn der Verantwortung des Angeklagten, wonach er 'nicht gedacht' habe, daß seine Frau den Brief weitergeben oder eine Beschwerde an den Bundespräsidenten senden werde, und er 'nicht mit diesem Brief Schritte gegen die Kriminalbeamten einleiten lassen wollte' (S 93, 96), können nach der Aktenlage gegenteilige Feststellungen, mit zureichender Begründung, insbesondere in Anbetracht des Umstandes, daß aus dem inkriminierten Schreiben keinerlei Aufforderung des Angeklagten an seine Gattin zur Weiterleitung des Briefes oder zur sonstigen Beschwerdeführung wegen des behaupteten Verhaltens der Kriminalbeamten hervorgeht (S 87) und die Gattin auch eine derartige Aufforderung ausdrücklich verneint (S 71 f), nicht entgegengesetzt werden.

Die für den Schuldspruch unabdingbaren Feststellungen zur subjektiven Tatseite (nämlich dem Gefährdungsvorsatz) können somit nach den Verfahrensergebnissen nicht getroffen werden. Eine Beurteilung der wissentlich falschen Verdächtigung der Kriminalbeamten durch den Beschwerdeführer als vollendete oder auch nur versuchte Verleumdung nach § 297 (§ 15) StGB kommt mithin rechtsrichtigerweise nicht in Betracht (SSt. 36/51, 46/39 u.a.). Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben, der Schuldspruch wegen des Verbrechens der Verleumdung und somit auch der Strafausspruch aufzuheben und Wilhelm A von der Anklage der Verleumdung freizusprechen.

Die Strafe war nach den § 207 Abs. 1, 28 StGB zu bemessen. Erschwerend waren das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen und die Fortsetzung durch längere Zeit (§ 33 Z 1 StGB), die einschlägigen Vorstrafen und der rasche Rückfall, mildernd die Aussage des Angeklagten im Vorverfahren, die wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat (§ 34 Z 17 StGB). Dieser Milderungsumstand fällt jedoch nicht besonders ins Gewicht, da der Angeklagte sein Geständnis in der Hauptverhandlung widerrufen hat. Bei diesen Strafbemessungsgründen und unter Berücksichtigung des Unrechtsgehaltes der Tat und der Schuld des mehrfach vorbestraften Angeklagten war eine Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren angemessen. Der Ausspruch über die Vorhaftanrechnung gemäß § 38 StGB konnte aus dem Ersturteil übernommen werden. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf den angeführten Gesetzesstellen.

Anmerkung

E01418

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00088.78.0803.000

Dokumentnummer

JJT_19780803_OGH0002_0120OS00088_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten