TE OGH 1978/11/23 13Os136/78 (13Os156/78)

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Veröffentlicht am 23.11.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Loesch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Edmund A wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach den § 207 Abs. 1 und 15 StGB in nichtöffentlicher Sitzung 1. über den Antrag des Angeklagten auf Erteilung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19.Mai 1978, GZ. 10 Vr 2967/77-53, nach Anhörung der Generalprokuratur den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Wiedereinsetzung wird bewilligt.

2. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das vorerwähnte Urteil mit Zustimmung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Edmund A des im Herbst 1975 an der am 25.Mai 1963 geborenen Sylvia B und vor dem Mai 1975 an der am 3. Jänner 1962 geborenen Branka C begangenen Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach den § 207 Abs. 1 und 15 StGB schuldig erkannt.

Der Angeklagte meldete dagegen fristgerecht Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, worauf am 14.Juli 1978

dem ihm gemäß dem § 41 Abs. 2 StPO beigegebenen Verteidiger eine Urteilsausfertigung zugestellt wurde. Am 18.Juli 1978 bestellte die zuständige Rechtsanwaltskammer an dessen Stelle einen anderen Verfahrenshelfer (§ 45 Abs. 1 RAO), dem der betreffende Bescheid unter seiner Wiener Kanzleianschrift postamtlich hinterlegt wurde, der aber zu dieser Zeit in Oberösterreich auf Urlaub war. Erst nach seiner Rückkehr am 7.August 1978 behob der neue Verteidiger die Sendung noch amselben Tag; am 21.August 1978 beantragte er im Namen des Angeklagten unter gleichzeitiger Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der dazu bestimmten Frist.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl dem Antrag, als auch der Beschwerde kommt Berechtigung zu. Die Ortsabwesenheit des während der Ausführungsfrist bestellten Verfahrenshelfers, die zum Unterbleiben einer ordnungsgemäßen Bescheidzustellung an ihr führte, sodaß zwar die Funktion des vormaligen Verteidigers erloschen, die Bestellung des neuen aber noch nicht wirksam war, stellte für den Angeklagten einen unabwendbaren Umstand dar, des es ihm ohne sein oder seiner Vertreter Verschulden unmöglich machte, diese Frist einzuhalten; demgemäß war die rechtzeitige und unter gleichzeitiger Ausführung der Rechtsmittel begehrte Wiedereinsetzung zu bewilligen und sofort in der Hauptsache zu erkennen (§ 364 Abs. 1, Abs. 2 a.E. StPO). Das Erstgericht nahm als erwiesen an, der Beschwerdeführer habe billigend in Kauf genommen, also auch ernstlich für möglich gehalten, und sich damit abgefunden, daß die Unzuchtsopfer zur Tatzeit ihr vierzehntes Lebensjahr noch nicht vollendet hatten (S 382, 391, 392). Dies ergebe sich aus seiner eigenen Verantwortung, wonach er gewußt habe, daß die Mädchen die Hauptschule besuchten, wobei er sich aber über ihr Alter keinerlei Gedanken gemacht habe (S 256). Seine spätere Darstellung, er habe angenommen, daß sie vierzehn bis fünfzehn Jahre alt seien (S 364), stelle sich im Hinblick auf seine davon abweichende erste Version und darauf, daß sich für die Berechtigung einer derartigen Annahme keine Anhaltspunkte ergeben hätten, als bloße Schutzbehauptung dar; das Beweisverfahren habe nur ergeben, daß ihm der Schulbesuch der Mädchen bekannt gewesen sei.

Zutreffend bemängelt der Angeklagte im Rahmen der Verfahrens- und der Rechtsrüge, womit er aber der Sache nach das offenbare Fehlen einer zureichenden Begründung des Urteils im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO aufzeigt, daß die Feststellung, er habe ein Alter der Tatopfer von weniger als vierzehn Jahren ernstlich für möglich gehalten, nicht ausschließlich auf seine Kenntnis von deren Schulbesuch gestützt werden kann. Denn in der Tat können doch Hauptschüler, der bestehenden Rechtslage entsprechend, auch durchaus (und unter Umständen sogar erheblich) mehr als vierzehn Jahre alt sein; das bloße Wissen des Beschwerdeführers davon, daß die Mädchen noch die Hauptschule besuchten, allein rechtfertigt daher nach den Denkgesetzen und nach allgemeiner Lebenserfahrung noch nicht die Urteilsannahme, daß er tatsächlich daran dachte, sie könnten weniger als vierzehn Jahre alt sein, daß er dies ernstlich für möglich hielt und daß er sich damit abfand. Die ursprüngliche weitere Verantwortung des Angeklagten aber, er habe sich über das Alter der Tatopfer keine Gedanken gemacht, bietet nicht nur für die (auch) damit begründete bekämpfte Konstatierung keine Stütze, sondern sie widerspricht ihr sogar; das Schöffengericht hätte daher auch begründen müssen, aus welchen konkreten Erwägungen es dieser Darstellung keinen Glauben schenkte, und sich nicht damit begnügen dürfen, gegen die Richtigkeit der späteren Version des Beschwerdeführers zu argumentieren, er habe die Mädchen für vierzehn bis fünfzehn Jahre alt gehalten.

Schon diese Begründungsmängel zur subjektiven Tatseite des § 207 Abs. 1 StGB erfordern die Urteilsaufhebung und die Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz, ohne daß es nötig wäre, auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte darauf zu verweisen.

Anmerkung

E01631

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00136.78.1123.000

Dokumentnummer

JJT_19781123_OGH0002_0130OS00136_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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