Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28.September 1979
unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Plischnack als Schriftführers in der Strafsache gegen Peter A wegen des Vergehens nach dem § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2 SuchtgiftG. über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Steyr vom 10.April 1978, GZ. 1 U 222/77- 13, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Knob, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Bezirksgerichtes Steyr vom 10.April 1978, GZ. 1 U 222/77-13, womit Peter A des Vergehens nach dem § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG. schuldig erkannt wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 9 a SuchtgiftG.
Dieses Urteil und alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen werden aufgehoben und es wird das Verfahren gemäß dem § 9 a Abs. 1 letzter Satz SuchtgiftG. eingestellt.
Text
Gründe:
Am 9.Februar 1978 stellte der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Steyr gegen den am 18.März 1960 geborenen (mithin damals noch jugendlichen) Optikerlehrling Peter A den Antrag auf Bestrafung wegen des Vergehens nach dem § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2 SuchtgiftG. Diesem Antrag lag eine Anzeige der Bundespolizeidirektion Steyr zugrunde, laut der Peter A verdächtigt wurde, in der Zeit zwischen März und November 1977 in Steyr Haschisch in kleineren, nicht mehr genau feststellbaren Mengen unberechtigt erworben und besessen, sowie anderen zum Bezug nicht berechtigten Personen dadurch überlassen zu haben, daß er sie mitrauchen ließ (vgl. S. 3, 13, 15, 24 d.A.).
Mit Schreiben vom 23.Jänner 1978 teilte der Magistrat Steyr mit Bezug auf diese Anzeige mit, daß Peter A einer ärztlichen Behandlung oder Kontrolle im Sinn der §§ 9 a und 9 b SuchtgiftG. nicht bedarf (S. 29 d.A.).
Rechtliche Beurteilung
Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Steyr vom 10.April 1978, GZ. 1 U 222/77-13, wurde Peter A des Vergehens nach dem § 9 Abs. 1 Z. 2 dritter und vierter Fall SuchtgiftG. schuldig erkannt. Hingegen blieb der auch wegen Überlassens von Suchtgift im Sinn der Z. 1 des § 9 Abs. 1
SuchtgiftG. gestellte Bestrafungsantrag des Bezirksanwaltes im Urteil unerledigt, was unbekämpft blieb und daher im Ergebnis einem rechtskräftigen Teilfreispruch gleichkommt (vgl. 9 Os 46/79). Dieses Urteil steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Nach dem § 9 a Abs. 1 SuchtgiftG. bleibt ein Täter straflos, wenn
1.) er ausschließlich deshalb angezeigt wurde, weil er unberechtigt ein Suchtgift erworben oder besessen hat (§ 9 Abs. 1 Z. 2 dritter und vierter Fall SuchtgiftG.), sofern ihm nicht in einem (wenn auch entfernten) Zusammenhang mit dem Eigenerwerb oder -besitz von Suchtgift noch ein weiteres Delikt nach dem Suchtgiftgesetz zur Last fällt; 2.) das Suchtgift die für den Eigenverbrauch innerhalb einer Woche bestimmte Menge nicht übersteigt, wobei es bei zu wiederholten Malen erworbenen Suchtgiftmengen darauf ankommt, daß die in zeitlicher Streuung erworbenen Mengen den jeweiligen Wochenbedarf nicht übersteigen, und 3.) die Bezirksverwaltungsbehörde feststellt, daß der Angezeigte wegen des Suchtgiftmißbrauches keiner ärztlichen Behandlung oder Kontrolle bedarf oder sich der notwendigen ärztlichen Behandlung oder einer Kontrolle unterzieht. Diesen Voraussetzungen ist vorliegend nach dem Urteilssachverhalt entsprochen. Daß der Angeklagte zunächst auch wegen Überlassens von Suchtgift an andere zum Bezug nicht berechtigte Personen im Sinn des § 9 Abs. 1 Z. 1 SuchtgiftG.
'angezeigt' wurde, schließt seine Straflosigkeit nicht aus. Maßgebend ist, wie sich aus dem Sinn und Zweck des (in seinem Wortlaut primär auf die verfahrensrechtliche Vorgangsweise abgestellten) § 9 a SuchtgiftG. eindeutig ergibt, vielmehr, ob der Täter noch ein weiteres, in einem Zusammenhang mit dem Eigenerwerb oder -besitz von Suchtgift stehendes Delikt nach dem Suchtgiftgesetz begangen hat. Um die Annahme dieses bedingt temporären Strafausschließungsgrundes zu verneinen, genügt demnach nicht ein bloßer Verdacht in dieser Richtung. Die Privilegierung des § 9 a Abs. 1
SuchtgiftG. käme erst dann nicht zum Tragen, wenn dem Angeklagten ein solches weiteres Delikt nach dem Suchtgiftgesetz schuldspruchmäßig zur Last läge (vgl. 13 Os 38/75). Eben dies trifft jedoch hier im Hinblick darauf, daß das Bezirksgericht Steyr in seinem Urteil vom 10.April 1978 das Vorliegen einer Tatbegehung auch durch Überlassen von Suchtgift (in Form eines Mitrauchenlassens anderer) erkennbar verneinte (vgl. S. 57 d.A.), nicht zu.
Das Verfahren wäre darum gemäß dem letzten Satz des § 9 a Abs. 1 SuchtgiftG. einzustellen gewesen.
Aus diesen Erwägungen war über die von der Generalprokuratur ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu befinden.
Anmerkung
E02304European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00147.79.0928.000Dokumentnummer
JJT_19790928_OGH0002_0130OS00147_7900000_000