TE OGH 1979/10/4 12Os143/79

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Veröffentlicht am 04.10.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Oktober 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stach als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann A wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 2 (1. Fall) StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Einzelrichters des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 6. März 1979, GZ 9 E Vr 867/78-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren zum AZ 9 E Vr 867/78 des Kreisgerichtes Krems an der Donau gegen Johann A wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 2 StGB wurde durch die Anordnung und Durchführung der Hauptverhandlung sowie durch die Fällung eines Sachurteils vom 6. März 1979 durch den Einzelrichter das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 13 Abs 2 Ziffer 1 (485 Abs 1 Ziffer 2, 488 Ziffer 6) StPO

verletzt.

Das bezeichnete Urteil wird aufgehoben.

Gemäß § 486 Abs 2 StPO wird die Unzuständigkeit des Einzelrichters ausgesprochen sowie ferner dem Erstgericht aufgetragen, dem Gesetz gemäß vorzugehen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Aus den Akten 9 E Vr 867/78, 9 E 54/75 und 9 E Vr 537/76 des Kreisgerichtes Krems/D. ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der am 1. Jänner 1955 geborene Maurergeselle Johann A wurde mit Urteil des Einzelrichters des Kreisgerichtes Krems/D. vom 6. März 1979, GZ 9 E Vr 867/78-11

des am 4. Oktober 1978 begangenen Vergehens der Veruntreuung nach dem ersten Strafsatz des § 133 Abs 2 StGB

schuldig erkannt. Das Urteil ist zufolge Strafberufung der Staatsanwaltschaft noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Ein Verteidiger stand dem Beschuldigten im erinstanzlichen Verfahren nicht zur Seite.

Mit Urteil des Kreisgerichtes Krems/D. vom 7. April 1975, GZ 9 E Vr 54/75-23, war Johann A bereits des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 (Abs 1), 128 (Abs 1 Z 4), 129 (Z 1) StGB und einer anderen Straftat schuldig erkannt und deshalb rechtskräftig zu einer (bedingten) Freiheitsstrafe verurteilt worden, die nach dem am 31. Jänner 1977 (ON 44 d. A.) erfolgten Widerruf der bedingten Strafnachsicht als durch die angerechnete Vorhaft vom 7. März bis 7. April 1975 teilweise als verbüßt anzusehen ist. Aus der Strafhaft wurde er - von tatsächlichem Antritt der gegenständlichen Strafe - bedingt entlassen (ON 48 d. A.).

Mit Urteil desselben Gerichtes vom 23. August 1976, GZ 9 E Vr 537/76-13, im Strafausspruch abgeändert durch Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 17. November 1976, AZ 13 Bs 464/76 (ON 17 d. A.), wurde er sodann des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs 1, 129 Z 1 StGB und einer anderen Straftat schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die er bis zu seiner am 8. August 1977 erfolgten bedingten Entlassung teilweise verbüßte (ON 24 d. A.).

Rechtliche Beurteilung

Im Verfahren zu AZ 9 E Vr 867/78 stand die Anordnung und Durchführung der Hauptverhandlung sowie die Fällung eines Sachurteiles durch den Einzelrichter mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Im Ergebnis reicht die Strafdrohung des § 133 Abs 2 StGB erster Satz bis zu drei Jahren. Gemäß § 39 StGB kann das Höchstmaß um die Hälfte überschritten werden, wenn der Täter schon zweimal wegen Taten, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, diese Strafen wenigstens zum Teil, wenn auch nur durch Anrechnung einer Vorhaft, verbüßt hat und nach Vollendung des 18. Lebensjahres neuerlich aus der gleichen schädlichen Neigung eine strafbare Handlung begeht.

Diese Voraussetzungen lagen im gegebenen Fall vor:

Der Beschuldigte war am 4. Oktober 1978 bereits 23 Jahre alt und hatte schon zwei Freiheitsstrafen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Straftaten, wenn auch nur teilweise verbüßt, wobei bezüglich der ersten durch den rechtskräftigen Widerruf der bedingten Strafnachsicht die Anrechnung der einmonatigen Vorhaft wirksam wurde. Die nach § 8 Abs 3 StPO maßgebliche Strafdrohung des § 133 Abs 2 erster Strafsatz StGB reichte daher bis zu 4 1/2 Jahren Freiheitsstrafe, sodaß zur Durchführung der Hauptverhandlung und Urteilsfällung das Schöffengericht zuständig gewesen wäre. Das über den Strafantrag eingeleitete Verfahren und das gefällte (Sach-)Urteil des Einzelrichters verstoßen gegen die Vorschriften der §§ 13 Abs 2 Z 1, 485 Abs 1 Z 2, 487 und 488 Z 6 StPO In der Hauptverhandlung vor dem nach dem Anklagevorwurf zuständigen Schöffengericht hätte der Beschuldigte (Angeklagte) bei sonstiger Nichtigkeit des (kondemnierenden) Urteils (§ 281 Abs 1 Z 1 lit. a StPO) durch einen Verteidiger vertreten sein müssen (§§ 41 Abs 3, 220 Abs 1, letzter Satz, StPO). Die vorliegende Beeinträchtigung des Johann A in seinen Verteidigungsrechten, da die Hauptverhandlung und Urteilsfällung wegen der dem Gerichtshof erster Instanz zugewiesenen strafbaren Handlungen dem (ausschließlich) Schöffengericht obliegen, wenn eine Freiheitsstrafe angedroht ist, deren Höchstmaß drei Jahre, nur in den Fällen des § 127 Z 1 und 3 StGB aber fünf Jahre übersteigt, bedeutet nicht nur eine Gesetzesverletzung in den angeführten Bestimmungen der Strafprozeßordnung, sondern gereichte dem Beschuldigten (Angeklagten) auch zum Nachteil, weil die vor dem Schöffengericht notwendige Verteidigung jedenfalls den Nachteil überwiegt, der allenfalls dadurch entstehen könnte, daß bei Durchführung des Verfahrens vor dem Schöffengericht ein höherer Pauschalkostensatz (7.500 S gegenüber 3.000 S), und die Aufwendung allfälliger Mittel für einen Wahlverteidiger entstehen könnte.

Demzufolge hätte der Einzelrichter - anstatt eine Hauptverhandlung anzuordnen - von vornherein gemäß § 485 Abs 1 Z 2 StPO die Entscheidung der Ratskammer über seine Unzuständigkeit herbeiführen müssen. Keinesfalls durfte er aber (im hier gegebenen Falle des Unterbleibens der im § 485 Abs 1 Z 2, zweiter Fall StPO vorgesehenen Maßnahme) in der Hauptverhandlung ein Sachurteil fällen;

vielmehr wäre er verbunden gewesen, gemäß § 488 Z 6 StPO (mit Urteil) seine Unzuständigkeit auszusprechen.

Da der (leugnende) Beschuldigte in der Hauptverhandlung nicht durch einen Verteidiger vertreten war, gereichte ihm deren gesetzwidrige Durchführung durch den Einzelrichter schon deshalb zum Nachteil, weil im Verfahren vor dem Schöffengericht Verteidigerzwang bestanden hätte (§ 41 Abs 3 StPO). Gemäß § 292 letzter Satz StPO war daher das Sachurteil des Einzelrichters aufzuheben und gemäß § 486 Abs 2 StPO vorzugehen (vgl. dazu 13 Os 108/75). Demgemäß war die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung wegen Strafe auf diese Entscheidung zu verweisen.

Entgegen dem Antrag der Generalprokuratur war allerdings nicht mit der bloßen Aufhebung des Urteils vorzugehen, sondern darüber hinaus die Unzuständigkeit des Einzelrichters gemäß § 486 Abs 3 StPO, welche sich nach dem Vorgesagten nach der Aktenlage ergibt, auszusprechen und im übrigen dem Erstgericht aufzutragen, dem Gesetze entsprechend, vorzugehen.

Anmerkung

E02254

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00143.79.1004.000

Dokumentnummer

JJT_19791004_OGH0002_0120OS00143_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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