Norm
ABGB §830Kopf
SZ 52/162
Spruch
In einem wechselseitigen Belastungs- und Veräußerungsverbot von Miteigentümern kann eine das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, Bestimmung gelegen sein; eine solche Verpflichtung kann nicht nur zwischen den Teilhabern bedungen, sondern ihnen auch von einem Dritten auferlegt werden, der die Sache durch Verfügung unter Lebenden oder von Todes wegen zur Gemeinschaft bestimmt hat
Ist ein solches Verbot im Sinne der Verpflichtung zur Fortsetzung der Gemeinschaft zu verstehen, dann kann die Teilung nur aus wichtigen Gründen nach Interessenabwägung erfolgen
OGH 7. November 1979, 6 Ob 675/79 (OLG Graz 2 R 55/79; LG f. ZRS Graz 25 Cg 244/77)
Text
Die Streitteile sind je zur Hälfte auf Grund des Kaufvertrages vom 11. Juni 1924 und der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 4. Jänner 1962, A 190/61-27, Eigentümer der Liegenschaft EZ 350, KG P, mit den Grundstücken 1070/2 Garten, 1069/2 Wiese, 1070/1 Acker, 48/1 Baufläche mit Wohngebäude, Haus Nr. 60, 48/2 Baufläche mit Wirtschaftsgebäude Nr. 110, 34/2 Hof, 1053/1 Acker und 797/2 Wald. "Beim Eigentumsrecht der Streitteile ist ein wechselseitiges Belastungs- und Veräußerungsverbot", auf der Liegenschaftshälfte des Klägers ein weiteres Belastungs- und Veräußerungsverbot für seine Tochter Herta A, geborene Kr., einverleibt. Der Beklagte ist der Sohn des Klägers. Zu einer Einigung über die Art der Teilung der Liegenschaft kam es zwischen den Streitteilen nicht.
Der Kläger begehrte in seiner am 26. September 1977 eingebrachten Klage, den Beklagten schuldig zu erkennen, in die Realteilung der oben angeführten Liegenschaft einzuwilligen. Er behauptete, die Liegenschaft lasse sich "ohne weiteres in zwei wertgleiche Teile unterteilen". Bereits in der Vergangenheit sei die Möglichkeit einer Realteilung erörtert und von einem Sachverständigen ein Teilungsvorschlag ausgearbeitet worden. Wegen der ablehnenden Haltung des Beklagten hätte die Realteilung jedoch nicht durchgeführt werden können. Der Kläger führte "beispielsweise" an, wie die Liegenschaft real geteilt werden könnte. Er meinte dazu, da er und seine inzwischen verstorbene Gattin im Jahre 1924 die Liegenschaft samt den darauf befindlichen Bauwerken erworben hätten, er auf dieser Liegenschaft seine Praxis als Bezirkstierarzt aufgebaut habe und die Gebäude seit mehr als 50 Jahren benütze, sei bei einer Realteilung einer Zuweisung der Gebäude an ihn der Vorzug zu geben. Der Beklagte sei ohnedies Alleineigentümer der Liegenschaften EZ 510, KG P, mit dem Haus P 117 und EZ 44, KG P, Haus Nr. 57, mit Wirtschaftsgebäude. Herta A habe ausdrücklich erklärt, "in diese Klage wegen Realteilung einzuwilligen".
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Er brachte vor, "naturgemäß" widerspreche dem Teilungsbegehren das auf der Liegenschaft lastende wechselseitige Belastungs- und Veräußerungsverbot. Es sei seinerzeit begrundet worden, "um die Erbansprüche der Kinder des Klägers bestmöglich zu wahren". Durch eine Teilung wäre besonders der Beklagte mit seinen Erbansprüchen gegenüber dem Kläger "schwerstens benachteiligt", da seitens des Klägers die Absicht bestehe, die allfällig ihm zugesprochene Hälfte der Liegenschaft seiner Tochter Herta A ins Eigentum zu übertragen. Herta A sei für die Trübung des Verhältnisses der Streitteile verantwortlich. Der Rechtsstreit werde vom Kläger ausschließlich in deren Interesse geführt. Die vom Kläger begehrte Teilung wäre " darüber hinaus aber nicht nur wertungleich, sondern auch unbillig". Der Kläger wohne nicht im Hause P Nr. 60, sondern mit seiner Gattin in G. Die Gebäude wären dem Beklagten zuzuteilen, da dieser Inhaber einer Gasthauskonzession sei und vor einigen Jahren einen an das Haus P Nr. 60 anschließenden Grund gekauft habe, um dort einen Gasthausgarten einzurichten.
Der Kläger brachte in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 11. Jänner 1979 noch vor, kein Begehren auf Durchführung einer bestimmten Teilung zu stellen. Er werde Teilungsvorschläge erst im Exekutionsverfahren erstatten.
Der Beklagte wendete in dieser Tagsatzung Unzeitteil, "da auf Grund der derzeitigen wirtschaftlichen Gesamtsituation eine Teilung untunlich sei". Er führte aus, die Unzulässigkeit des Teilungsbegehrens werde "auch aus der im vorbereitenden Schriftsatz ONr. 7 ausgeführten Absicht des Klägers, den Beklagten in seinen Pflichtteilsansprüchen zu verletzen, abgeleitet".
Das Erstgericht sprach in seinem Urteil vom 30. Jänner 1979 aus, daß die Eigentumsgemeinschaft der Streitteile an der Liegenschaft EZ 350, KG P, mit den im Urteilsspruch angeführten Grundstücken durch Realteilung aufgehoben wird und das Urteil gegen beide Teile vollstreckbar ist. Es traf zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt noch folgende Feststellungen:
Die Liegenschaft, welche aus acht teilweise für eine Bebauung geeigneten und teilweise bereits verbauten Grundstücken besteht, ist für eine Realteilung in annähernd wertgleiche Hälften geeignet. Die eine Hälfte könnte aus den Grundstücken 797/2 Wald, 1053/1 Acker und Bauerwartungsland, 1069/2 Wiese und Weg, 1070/1 Wiese und Bauerwartungsland, 1070/2 Garten, Bauland, mit einem Gesamtwert von 468 585 S gebildet werden, die andere Hälfte aus den Grundstücken 34/2 Garten sowie 48/1 und 48/2, je Baufläche, mit einem Wert von 466 840 S. Das Wirtschaftsgebäude ist wertlos und abbruchreif. Die Abbrucharbeiten würden zwar einen Aufwand von zirka 110 000 S erfordern, durch den Abbruch der Gebäude der Wert des Grundstückes jedoch auf Grund der dann gegebenen besseren Verwendungsmöglichkeit sich um etwa den gleichen Betrag erhöhen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus:
Grundsätzlich könne gemäß § 830 ABGB jeder Miteigentümer die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft verlangen. Dies dürfe nur nicht zur Unzeit oder zum Nachteil der übrigen erfolgen. Die einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbote berührten nach ständiger Rechtsprechung diesen Teilungsanspruch nicht. Der Beklagte habe den Einwand der Unzeit lediglich mit dem allgemein gehaltenen Hinweis auf die derzeitige wirtschaftliche Gesamtsituation begrundet. Inwieweit "eine besondere Wirtschaftslage" gegen eine Realteilung ins Treffen geführt werden könnte, sei mangels konkreter Ausführungen des Beklagten nicht zu erkennen. Mit außergewöhnlich hohen Inflationsraten sei die Unzeit nur bei einer Zivilteilung begrundet worden. Die Anordnung des Gesetzgebers, daß eine Teilung nicht zum Nachteil der übrigen Miteigentümer erfolgen dürfe, sei nur nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen und der drohende Schaden eines Miteigentümers dann unbeachtlich, wenn er einem außerhalb der Gemeinschaft gelegenen Verhältnis, wie hier den Verwandtschaftsverhältnissen und den dadurch begrundeten Erb- und Pflichtteilsansprüchen, entspringe. Die Behauptungen des Beklagten über Nachteile durch eine bestimmte Art der Realteilung könnten erst im Exekutionsverfahren geprüft werden, da der Kläger eine bestimmte Art der Teilung nicht begehrt habe. Bei entsprechender Durchführung der Realteilung erhalte jeder Miteigentümer Sachwerte von annähernd gleicher Größe. Ein allenfalls in Geld zu leistender Wertausgleich wäre nur geringfügig.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte aus:
Ein auf der Liegenschaftshälfte eines Miteigentümers zugunsten des anderen Hälftemiteigentümers einverleibtes vertragliches Veräußerungs- und Belastungsverbot sei als vertragliche Verpflichtung dieses Hälfteeigentümers gegenüber dem anderen Hälfteeigentümer zur Fortsetzung der Gemeinschaft im Sinne des § 831 ABGB und damit als Verzicht auf sein Recht anzusehen, die Aufhebung der Gemeinschaft - es sei denn, es liege Unzeit oder Geltendmachung zum Nachteil des anderen vor - ohne Angabe von Gründen zu verlangen. In einem solchen Fall könne die Aufhebung der Gemeinschaft wohl auch verlangt werden, aber nur beim Vorliegen wichtiger Gründe, welche bei Abwägung der Interessen beider Teile eine Teilung als notwendig erscheinen ließen. Hiefür sei der Kläger beweispflichtig. Gleiches müsse gelten, wenn bei beiden Liegenschaftshälften wechselseitig zugunsten des anderen Miteigentümers ein vertragliches oder auch allenfalls letztwilliges Veräußerungs- und Belastungsverbot einverleibt sei. Um über das Klagebegehren entscheiden zu können, müsse auch geklärt werden, ob es sich bei den angeblich auf Grund der Einantwortungsurkunde vom 4. Jänner 1962, A 190/61-27, auf den Liegenschaftshälften der Streitteile wechselseitig einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverboten um zur Fortsetzung der Gemeinschaft verpflichtetende handle, und bejahendenfalls, ob für die vom Kläger dennoch begehrte Aufhebung der Gemeinschaft solche wichtige Gründe vorlägen, welche bei Abwägung der Interessen der Streitteile eine Teilung als notwendig erscheinen ließen. Der Kläger habe sein Klagebegehren von Anfang an auf seiner Auffassung nach die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft rechtfertigende wichtige Gründe gestützt.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Kläger führt aus, der Beklagte habe lediglich auf das wechselseitige Belastungs- und Veräußerungsverbot hingewiesen, ohne eine darüber hinausgehende weitere Prozeßbehauptung aufzustellen. Den vom Berufungsgericht herangezogenen "vereinzelt dastehenden Entscheidungen" lägen andere Sachverhalte zugrunde, wie z. B. jener der Aufhebung des Miteigentums an einer Liegenschaft, auf welcher sich die Ehewohnung der Miteigentümer befunden habe. Zwischen den Streitteilen liege keine wie immer geartete Vereinbarung vor, welche sie "zur Aufrechterhaltung des Miteigentums verpflichten würde".
Der Kläger läßt bei diesen Ausführungen außer acht, daß der Beklagte in seinem in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15. Dezember 1977 vorgetragenen Schriftsatz vom 12. Dezember 1977 behauptete, "das auf der Liegenschaft lastende wechselseitige Veräußerungs- und Belastungsverbot" sein seinerzeit begrundet worden, um die Erbansprüche der Kinder des Klägers bestmöglich zu wahren, und dafür Beweise anbot. In dem auf der klagsgegenständlichen Liegenschaft auf den Hälften beider Miteigentümer eingetragenen Belastungs- und Veräußerungsverbot könnte demnach eine das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, beschränkende Bestimmung im Sinne der Ausführungen von Klang in seinem Kommentar[2] III, 1102 (vgl. dazu auch die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung SZ 36/161), gelegen sein, da eine solche Verpflichtung nicht nur zwischen den Teilhabern bedungen, sondern ihnen auch von einem Dritten auferlegt werden kann, der die Sache durch Verfügung unter Lebenden oder von Todes wegen zur Gemeinschaft bestimmt hat (Klang a. a. O., 1106). Auf Grund der derzeitigen Aktenlage kann die diesbezügliche Frage jedoch nicht beantwortet werden. Es kann daher keine Rede davon sein, es bedürfe der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung schon deshalb nicht, weil der Beklagte kein entsprechendes Vorbringen erstattet hätte.
Unzutreffend ist auch die Meinung des Klägers, der Beklagte habe sich "nicht grundsätzlich gegen die Realteilung ausgesprochen", er habe vielmehr für den Fall einer Realteilung die Zuweisung der Gebäude für sich in Anspruch genommen. "Eine generelle Ablehnung der Realteilung der gemeinsamen Liegenschaft durch den Beklagten" liege daher nicht vor.
Der Beklagte hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt und vorgebracht, die Unzulässigkeit des Teilungsbegehrens ergebe sich auch aus der Absicht des Klägers, "den Beklagten in seinen Pflichtteilsansprüchen zu verletzen" (S. 104 des Aktes). Wenn der Beklagte auch zu der vom Kläger "beispielsweise" aufgezeigten Möglichkeit einer Realteilung - die Erstattung eines formellen Teilungsvorschlages kann darin zufolge des Vorbringens des Klägers in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 11. Jänner 1979 nicht erblickt werden - dahin Stellung nahm, es wären die Gebäude eher ihm zuzuteilen, ändert dies nichts an seinem Prozeßstandpunkt, daß das Begehren auf Realteilung abzuweisen sei. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, der Beklagte sei im Gründe mit der Realteilung einverstanden.
Sollte die vom Berufungsgericht aufgetragene Verfahrensergänzung ergeben, daß das auf den Liegenschaftshälften der Streitteile einverleibte wechselseitige Belastungs- und Veräußerungsverbot in dem oben dargestellten Sinn der Verpflichtung zur Fortsetzung der Gemeinschaft zu verstehen ist, müßte - wie bereits von der Vorinstanz ausgeführt - geprüft werden, ob wichtige Gründe vorliegen, welche bei Abwägung der Interessen der Streitteile die Teilung notwendig erscheinen ließen.
Anmerkung
Z52162Schlagworte
Belastungs- und Veräußerungsverbot, Aufhebung der GemeinschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0060OB00675.79.1107.000Dokumentnummer
JJT_19791107_OGH0002_0060OB00675_7900000_000