Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Dezember 1979
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Walenta und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mayerhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Margit A wegen des Verbrechens der Tötung eines Kindes bei der Geburt nach dem § 79 StGB.
über die von der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 4. September 1979, GZ. 15 a Vr 2067/78-16, erhobenen Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, der Verlesung der Berufungen und nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Berufung der Angeklagten und in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft wird die über die Angeklagte verhängte Freiheitsstrafe unter Ausschaltung des § 41 StGB. auf ein Jahr erhöht und gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB. diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Im übrigen wird der Berufung der Angeklagten nicht Folge gegeben. Gemäß dem § 390 a StPO. fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 29.August 1957 geborene Zuschneiderin Margit A des Verbrechens der Tötung eines Kindes bei der Geburt nach dem § 79 StGB.
schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle in Anwendung des § 41 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von 9 (neun) Monaten verurteilt. Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend nichts, als mildernd die Unbescholtenheit, das reumütige Geständnis der Angeklagten und den Umstand, daß sie das Kind ledig zur Welt brachte.
Die Angeklagte bekämpfte das Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, die Staatsanwaltschaft mit Berufung. Die Nichtigkeitsbeschwerde wurde bereits mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 13.November 1979, GZ. 11 Os 156/79-5, in nichtöffentlicher Beratung zurückgewiesen.
Dieser Entscheidung kann auch der der Strafsache zugrunde liegende nähere Sachverhalt entnommen werden.
Mit ihrer Berufung begehrt die Staatsanwaltschaft die Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe unter Ausschaltung des § 41 StGB. und deren bedingte Nachsicht.
Die Angeklagte beantragt hingegen eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und ebenfalls die bedingte Nachsicht derselben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist zur Gänze, die Berufung der Angeklagten teilweise gerechtfertigt.
Der Umstand, daß die Angeklagte das Kind ledig zur Welt gebracht hat, stellt - entgegen der Auffassung des Erstgerichts - keinen Milderungsgrund dar. Andererseits kann auch der Behauptung der Angeklagten nicht zugestimmt werden, die Tatsache, daß sie zur Tatzeit das 21.Lebensjahr erst knapp vollendet gehabt habe, sei ihr als mildernder Umstand zu werten, denn § 34 Z. 1 StGB. anerkennt als mildernd nur eine Tatvollendung zwischen dem 18. und dem vollendeten 21. Lebensjahr. Die Unbesonnenheit und die begreifliche heftige Gemütsbewegung der Angeklagten finden bereits in der Qualifikation der Tat nach dem § 79 StGB. als privilegierte vorsätzliche Tötung ihren Niederschlag, weshalb diese Umstände nicht auch noch gesondert als Milderungsgründe anerkannt werden können.
Der Staatsanwaltschaft ist auch zuzugeben, daß das Kind nicht in Verhältnisse hineingeboren wurde, die für die Angeklagte und das Kind eine materielle oder seelische Notlage darstellen hätten können. So gesehen erweist sich die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechts, zumal nicht objektiviert ist, daß die Angeklagte, wie sie behauptet, selbst am meisten unter ihrer Tat leidet, als nicht gerechtfertigt, weshalb die Strafe angemessen zu erhöhen war. Daher ist nur die Berufung der Staatsanwaltschaft, nicht aber die der Angeklagten berechtigt.
Hingegen kommt beiden Berufungen im Hinblick auf das Begehren nach der Anwendung des § 43 StGB. Berechtigung zu. Die Angeklagte ist sozial integriert, sie beabsichtigt auch, ihren Freund zu ehelichen, weshalb nicht anzunehmen ist, daß sie im Falle der bedingten Nachsicht, der auch generalpräventive Erwägungen nicht entgegenstehen, wieder straffällig werden wird.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Der Kostenausspruch beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02400European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0110OS00156.79.1211.000Dokumentnummer
JJT_19791211_OGH0002_0110OS00156_7900000_000