Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Februar 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Vichytil als Schriftführers in der Strafsache gegen Tihomir A und andere wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, l31 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Zoran B und die Berufung des Angeklagten Tihomir A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengerichtes vom 23.Oktober 1979, GZ. 9 Vr 2.349/79-39, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen der Verteidiger, Rechtsanwälte Dr. Reitter und Dr. Schöberl, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung des Zoran B, soweit sie sich gegen das Strafausmaß richtet, wird dahin Folge gegeben, daß die über diesen Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 2 (zwei) Jahre herabgesetzt wird. Im übrigen wird den Berufungen nicht Folge gegeben. Gemäß dem § 390 a StPO. fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die beiden jugoslawischen Staatsangehörigen, und zwar der am 4.August 1955
geborene Kraftfahrer Tihomir A und der am 6.Mai 1955 geborene Hilfsarbeiter Zoran B zu I./ des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, 131 (erster Deliktsfall) StGB. und zu II./ des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt. Dem erstbezeichneten Schuldspruch liegt zugrunde, daß am 6.August 1979 in Hohenbrugg an der Raab 1.) Tihomir A dem Franz C einen Bargeldbetrag von 1.000 S mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat gegen Franz C dadurch, daß er ihn würgte und ihm Faustschläge versetzte, Gewalt anwendete, um sich die weggenommene Sache zu erhalten; 2.) Zoran B dadurch, daß er dem Franz C mehrere Faustschläge gegen den Kopf versetzte, Gewalt gegen eine Person anwendete, um Tihomir A den weggenommenen Geldbetrag zu erhalten.
Der Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 136 Abs. 1 StGB. erging, weil die beiden Angeklagten in Anschluß an den zum Nachteil des Franz C verübten Diebstahl auf der Flucht ohne Einwilligung des Franz D dessen Puch-Motorfahrrad in Gebrauch nahmen.
Den Urteilsfeststellungen zum Gelddiebstahl zufolge faßten die zwar merklich alkoholisierten, jedoch nicht volltrunkenen Angeklagten spätestens auf der (gemeinsamen) Fahrt im PKW. des Franz C zu dessen Wohnhaus, dem späteren Tatort, den Vorsatz, die ersichtliche homosexuelle Neigung CS auszunützen und ihn zu bestehlen. Dieses Urteil wird - der Sache nach nur im Schuldspruch wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls laut Punkt I./ des Urteilssatzes - allein vom Angeklagten Zoran B mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. a und Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch von beiden Angeklagten mit Berufung bekämpft.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Zoran B erweist sich in keiner Richtung hin als begründet.
Das Vorbringen der Mängelrüge, mit welcher der Beschwerdeführer dem Urteil zur Annahme seiner Tatbeteiligung am Gelddiebstahl zum Nachteil des Franz C mit anschließender Gewaltanwendung sowie zum Ausschluß eines seine Zurechnungsunfähigkeit bewirkenden Vollrausches Begründungsmängel im Sinn des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes zum Vorwurf macht, ist inhaltlich und nach der (im übrigen auch deklarierten /s. S. 293 unten /) Zielsetzung insgesamt bloß als unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes und der darauf gegründeten Tatsachenfeststellungen zu beurteilen.
In den im Urteil als Feststellungsgrundlage bezogenen Aussagen der Zeugen Franz C und Karl E, in Verbindung mit dem Inhalt der Tatbestandsmappe ON. 37, finden nämlich die bekämpfte Annahme der diebischen Wegnahme eines Geldbetrages von 1.000 S und der anschließenden erheblichen Mißhandlungen des Franz C unter Mitwirkung der beiden Angeklagten ihre zureichende aktenmäßige Stütze, wobei die dem Urteil zugrundeliegende weitere Annahme eines Zusammenwirkens der vorweg zum Diebstahl entschlossenen Angeklagten mit den vom Erstgericht festgestellten Begleitumständen der Tat und der anschließenden gemeinsamen Flucht der beiden Täter auch nach allgemeiner Lebenserfahrung hinreichend schlüssig begründet wird. Die weitere Urteilsannahme, der Angeklagte Zoran B sei zwar zur Tatzeit merklich alkoholisiert, jedoch nicht volltrunken gewesen, ist durch das Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. Peter F (S. 264 ff., in Verbindung mit dem Protokollberichtigungsbeschluß, S. 309) und die im Urteil gleichfalls bezogenen Schilderungen mehrerer Gendarmen über den Zustand der beiden Angeklagten kurz nach ihrer am 6.August 1979, 23 Uhr 30, stattgefundenen Festnahme (s. S. 155 - 165) ausreichend gedeckt, und zwar im Zusammenhalt mit der Erfahrungstatsache - auf die übrigens auch der genannte Sachverständige Bezug nimmt (s. S. 266) -, daß sich eine volle Berauschung nach außen hin vor allem und regelmäßig in Erinnerungslücken und in einem nicht sinnvollen Handeln der Täter manifestiert, wogegen ein - wie vorliegend festgestellt - situationsgemäßes Verhalten und die zielführende Ausführung der motivierbaren Tat das Fehlen eines solchen, durch Beseitigung der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit der Handelnden gekennzeichneten Zustandes indizieren (vgl. SSt. 43/47, ÖJZ-LSK. 1976/81;
EvBl. 1976/252; 12 Os 113/79 u.a.m.).
Einer urteilsmäßigen Erörterung der in der Mängelrüge zitierten Angaben mehrerer von der Gendarmerie befragter Auskunftspersonen (S. 134 ff.), die jedoch nicht Tatzeugen waren, bedurfte es hingegen vorliegend nicht, weil sie nach Lage des Falles für den urteilsrelevanten Sachverhalt ohne Bedeutung sind und im übrigen zu den - beweiswürdigenden - Schlußfolgerungen des Beschwerdeführers nicht berechtigen. Gleiches gilt für die nicht entscheidungswesentliche Frage der Intensität der homosexuellen Neigung und diesbezüglicher Kontaktaufnahmen des Franz C mit den Angeklagten.
Der Mängelrüge war daher der Erfolg zu versagen.
Ausgehend von den vom Erstgericht - wie dargetan, mit mängelfreier Begründung - getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, bleibt aber weder für die vom Beschwerdeführer angestrebte Zubilligung einer (unverschuldeten) Berauschung im Sinn des dritten Anwendungsfalles des § 11 StGB. noch für die Heranziehung des § 287 StGB. noch auch für die rechtliche Beurteilung des Tatanteils des Beschwerdeführers als Hehlerei (und bloße Nachtäterschaft zu einem vom Angeklagten Tihomir A verübten Gelddiebstahl) kein Raum; die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen mißachten gegenteilige Urteilskonstatierungen und können deshalb nicht als gesetzmäßige Ausführung der insoweit geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgründe der Z. 9 lit. b und Z. 10 des § 281 Abs. 1
StPO. gewertet werden.
Soweit sich der Beschwerdeführer schließlich mit Beziehung auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 9 lit. a und Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gegen die rechtliche Subsumtion des Urteilssachverhaltes auch für seine Person unter den Tatbestand des räuberischen Diebstahls wendet und darauf verweist, er habe sich an der gewaltsamen Wegnahme des Geldbetrages überhaupt nicht beteiligt, ist er ebenfalls nicht im Recht, wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt:
Mit dem (festgestellten) Entreissen der Geldtasche durch Tihomir A, ohne räumliche Verbringung der Sache (s. Urteil, S. 275), war für Franz C noch kein Gewahrsamsverlust bewirkt worden; die Sachwegnahme durch Diebstahl war daher noch nicht vollendet. Selbst eine erst nunmehr einsetzende Hilfeleistung des ortsanwesenden Angeklagten Zoran B (vgl. S. 57 b und verso d.A.) bei der Bergung der Beute, nämlich des Bargeldinhaltes der Geldtasche, durch Beteiligen an den Mißhandlungen des Bestohlenen, und zwar in vorgefaßtem Diebstahlsvorsatz (Urteilsfeststellung S. 280) und mit dem Ziel, dem Mitangeklagten die weggenommene Sache zu erhalten (S. 279 unten), konnte daher ohne Rechtsirrtum zum Nachteil des Beschwerdeführers B als Tatbeteiligung am Diebstahl, und zwar, was vom Erstgericht und übrigens auch von der Anklagebehörde übersehen wurde, auch im Sinn des § 127 Abs. 2 Z. 1 StGB. einschließlich der Qualifizierung im Sinn des § 131 StGB. beurteilt werden (s. Entscheidungen bei Leukauf-Steininger, StGB.2, RN. 74 ff. zu § 127 Abs. 2 Z. 1
und RN. 4 und 13 zu § 131).
Der Angeklagte Zoran B kann sich durch diese Beurteilung seiner Tat
nach den §§ 127 Abs. 1 und 131 StGB.
umsoweniger beschwert erachten, als nach den Urteilsfeststellungen schon die der Geldwegnahme vorangegangenen bzw. sie begleitenden (homo-)sexuellen Kontakte der beiden Angeklagten mit Franz C in dessen Wohnhaus (Urteil, S. 275, 279) dazu dienten, in den Besitz des gestohlenen Geldes zu gelangen (S. 279), mithin auch eine Beteiligung des Beschwerdeführers schon bei der Geldwegnahme selbst vorlag.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Zoran B war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB. unter Bedachtnahme auf § 28 StGB. über den Angeklagten Tihomir A eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und über den Angeklagten Zoran B eine solche von zweieinhalb Jahren. Bei beiden Angeklagten wertete es als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die besondere Brutalität der Mißhandlung (des Franz C), bei A überdies die Tatsache, daß er der aktivere Teil und die treibende Kraft war; hingegen berücksichtigte das Schöffengericht die Unbescholtenheit in Österreich und die Zustandebringung des Diebsgutes, bei A darüber hinaus das teilweise Geständnis als mildernd.
Mit ihren Berufungen streben die beiden Angeklagten die Herabsetzung der Freiheitsstrafen sowie B auch die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an.
Der Berufung des Angeklagten B kommt insoweit Berechtigung zu, als sie sich gegen das Strafausmaß richtet.
Im übrigen erweisen sich jedoch die Berufungen als nicht gerechtfertigt:
Den Berufungswerbern ist einzuräumen, daß eine 'besondere Brutalität' (bei Verübung des räuberischen Diebstahls) nach Lage des Falles nicht als erschwerend ins Gewicht fällt, wohl aber der Umstand, daß diese Tat in Gesellschaft begangen und das Opfer schwer verletzt wurde. Beim Angeklagten A hat der vom Erstgericht angenommene Milderungsumstand der 'Unbescholtenheit in Österreich' zu entfallen, weil der genannte Berufungswerber - wie aus einer dem Obersten Gerichtshof vorgelegten sicherheitsbehördlichen Erhebung hervorgeht - im Jahr 1976 in seinem Heimatstaat wegen einer auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Tat, nämlich wegen (qualifizierten) Diebstahls, verurteilt wurde. An die Stelle des in Rede stehenden Milderungsgrundes tritt mithin bei A der Erschwerungsumstand des § 33 Z. 2 StGB. Da sich aus derselben sicherheitsbehördlichen Erhebung die Straflosigkeit des Angeklagten B auch in seinem Heimatstaat ergibt, reklamiert dieser Berufungswerber die uneingeschränkte Wirksamkeit des Milderungsgrundes nach dem § 34 Z. 2 StGB. zu Recht. Schließlich ist - wie beide Berufungswerber richtig hinweisen - den Umständen nach der Milderungsumstand der Berauschung im Sinn des § 35 StGB. gegeben.
Die übrigen Strafzumessungsgründe stellte das Erstgericht zutreffend fest, insbesondere auch die (führende) Rolle AS bei Begehung des räuberischen Diebstahls.
Eine - von B als Milderungsumstand geltend gemachte - 'gewisse Erregung' wegen der Konfrontation mit einem Homosexuellen in einem fremden Land wurde vom Erstgericht bei der Strafzumessung richtigerweise nicht berücksichtigt, zumal nach den Urteilsfeststellungen gerade B bei den gleichgeschlechtlichen Unzuchtshandlungen eine nicht zu unterschätzende Aktivität entwickelt hatte.
Von den sohin korrigierten Strafzumessungsgründen und den allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung (§ 32 StGB.) ausgehend, erscheint dem Obersten Gerichtshof die vom Erstgericht über den Angeklagten B verhängte Freiheitsstrafe überhöht, sodaß eine Reduktion auf zwei Jahre geboten ist. Hingegen liegen die im § 43 Abs. 2 StGB. geforderten besonderen Voraussetzungen für eine günstige Verhaltensprognose nicht vor, sodaß dem - weiteren - Berufungsbegehren ebenso ein Erfolg zu versagen war wie der Berufung AS. Denn die für diesen Angeklagten ausgemessene Freiheitsstrafe entspricht sowohl dem Schuld- und Unrechtsgehalt der von ihm zu verantwortenden Taten als auch seiner Persönlichkeit. Aus den dargelegten Gründen war somit spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch angeführte Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02494European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0110OS00181.79.0218.000Dokumentnummer
JJT_19800218_OGH0002_0110OS00181_7900000_000