TE OGH 1980/5/13 10Os57/79 (10Os58/79)

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Veröffentlicht am 13.05.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Mai 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Bart als Schriftführer in der Strafsache gegen Jutta A wegen des Vergehens nach § 24 Abs. 2 Z. 3 PresseG. über die von der Generalprokuratur gegen die Urteile des Strafbezirksgerichtes Wien vom 26. Juni 1978, GZ. 3 U 627/78-5, und des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 23. November 1978, AZ. 13 a Bl 757/78 (= GZ. 3 U 627/78-14), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, und der Ausführungen des Verteidigers sowie Vertreters der Haftungsbeteiligten (Bundesparteileitung der Freiheitlichen Partei Österreichs), Dr. Broesigke, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

G r ü n d e :

I. Aus den Akten 3 U 627/78 des Strafbezirksgerichtes Wien und 13 a Bl 757/78 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Auf Seite 8 der Nummer 15 der in Wien erscheinenden 'Neuen Freien Zeitung' vom 15. April 1978 wurde unter der Überschrift 'Czettel verschweigt Tatsachen' ein Artikel veröffentlicht, in dem über die Stellungnahme des FP§-Landesparteiobmanns Dr. Harald Ofner auf dem Bezirksparteitag in Lilienfeld zu Äußerungen von Landeshauptmannstellvertreter Czettel auf dem Landesparteitag der Sozialisten in Gänserndorf berichtet wird und in dem es abschließend heißt:

'Auch die Tatsache, daß es den niederösterreichischen Sozialisten bisher nicht gelungen ist, im schwarzen Niederösterreich auch nur einen ihrer Parteigänger als Bezirkshauptmann zu installieren, bestätigt die Richtigkeit der Auffassung von Alexander Götz: was aber auch dadurch nicht gemildert wird, daß es - umgekehrt - im roten Kärnten keinen einzigen schwarzen Bezirkshauptmann gibt', betonte Dr. Ofner.

Zu diesem Artikel begehrte der Landeshauptmann von Kärnten Leopold Wagner mit Schreiben vom 19. April 1978 gemäß § 23 PresseG. die Veröffentlichung nachstehender Entgegnung:

Sie schreiben in Ihrer Ausgabe der 'Neuen Freien Zeitung' vom 15. April 1978, Nr. 15, auf Seite 8 unter dem Titel 'Czettel verschweigt Tatsachen' unter anderem: '.....; was aber auch dadurch nicht gemildert wird, daß es - umgekehrt -

im roten Kärnten keinen einzigen schwarzen Bezirkshauptmann gibt',

betonte Dr. Ofner.

Diese Mitteilung ist unrichtig.

Im Bundesland Kärnten stehen an der Spitze der Verwaltungsbezirke Hermagor und Spittal/Drau Bezirkshauptmänner, die der §VP angehören. Am 9. Juni 1978 erhob der Landeshauptmann von Kärnten Leopold Wagner beim Strafbezirksgericht Wien zu AZ. 3 U 627/78 gegen den verantwortlichen Redakteur der 'Neuen Freien Zeitung' Jutta A Privatanklage wegen Vergehens nach § 24 PresseG., weil die von ihm begehrte Entgegnung in den beiden auf den Erhalt des Entgegnungsschreibens folgenden Nummern nicht abgedruckt und die Veröffentlichung der Entgegnung grundlos verweigert worden sei, und beantragte, auf formgerechte Veröffentlichung der begehrten Entgegnung zu erkennen.

In der Hauptverhandlung vom 26. Juni 1978 verantwortete sich die Beschuldigte Jutta A durch ihren Machthaber unter anderem damit, daß der Privatankläger als Landeshauptmann von Kärnten nicht legitimiert sei, über etwas, was seine Bezirkshauptleute betreffe, eine Entgegnung zu verlangen; seine Stellung als Landeshauptmann bringe es nicht mit sich, über alles, was in Kärnten geschehe, eine Entgegnung begehren zu können;

diese Legitimation sei gegenständlichenfalls nur den (unmittelbar) Betroffenen, also den Bezirkshauptleuten, zugekommen und habe die Beschuldigte daher zu Recht die Veröffentlichung der Entgegnung verweigert. Demgegenüber wurde vom Privatanklagevertreter u.a. geltend gemacht, daß der Privatankläger als 'Spitzenpersönlichkeit (Spitzenpolitiker) des Landes Kärnten und des Verwaltungsapparates' von dem in der These erhobenen Vorwurf einer undemokratischen Verhaltensweise (auf Grund deren eine Vielzahl von befähigten Personen lediglich wegen ihrer politischen Gesinnung von bestimmten Ämtern ausgeschlossen seien) betroffen und daher seine Aktivlegitimation gegeben sei.

Hierauf replizierte der Verteidiger, es sei nicht behauptet worden, daß eine bestimmte Situation in Kärnten durch den Privatankläger herbeigeführt worden wäre; gemäß der Bundesverfassung und der Kärntner Landesverfassung bestehe in Kärnten eine Proporz-Landesregierung, welche die Entscheidung bei der Ernennung der Beamten habe; dem Privatankläger als Chef der Verwaltung im Falle jeder Behauptung, mit der gegen das Land etwas gesagt werde, das Entgegnungsrecht einzuräumen, gehe zu weit; vorliegend hätten daher - wie bereits einmal betont - nur die betroffenen Bezirkshauptleute das Entgegnungsrecht in Anspruch nehmen können. Darauf replizierte der Privatanklagevertreter seinerseits, es handle sich nicht um Vorwürfe gegen die Verwaltungsbehörde, sondern gegen den Privatankläger als Sozialisten und insofen sei der Landeshauptmann als erster Politiker bzw. als erster Sozialist im Bundealand Kärnten zur Entgegnung legitimiert.

Mit Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 26. Juni 1978, GZ. 3 U 627/78-5, wurde Jutta A schuldig erkannt, im Mai 1978 in Wien als verantwortlicher Refakteur der periodischen Druckschrift 'N*** - Neue Freie Zeitung' die Veröffentlichung der Entgegnung des Privatanklägers Leopold Wagner, Landeshauptmann von Kärnten, bezugnehmend auf den in der Ausgabe Nr. 15 vom 15. April 1978 auf Seite 8 unter der Überschrift 'Czettel verschweigt Tatsachen' erschienenen Artikel, zu Unrecht verweigert und hiedurch das Vergehen nach § 24 Abs. 2 Z. 3 PresseG. begangen zu haben; das Gericht verhängte über sie hiefür eine Geldstrafe; weiters erkannte es gemäß § 24 Abs. 4 PresseG. auf Veröffentlichung der Entgegnung; schließlich sprach es gemäß § 5 Abs. 2 PresseG.

die Haftung der FPÖ-Bundesparteileitung für die Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand mit der Verurteilten Jutta A aus.

Die Legitimation des Privatanklägers zu der in Rede stehenden Entgegnung wurde vom Strafbezirksgericht Wien mit der Begründung bejaht, dem Leser der 'Neuen Freien Zeitung' sei bekannt, daß der Landeshauptmann von der jeweils mandatsstärksten Partei des Landes gestellt werde und daß Bezirkshauptleute als hohe Landesbeamte nicht gewählt, sondern ernannt werden, wobei der an der Spitze der Landesregierung stehende Landeshauptmann zumindest Einfluß auf die Ernennung von Bezirkshauptleuten habe. Wenn nun in der These behauptet werde, die Sozialisten mißbrauchten im Bundesland Kärnten ihre Macht derart, daß lediglich eigene Parteigänger in Spitzenpositionen als Beamte aufrücken können, so richte sich dieser Vorwurf sehr wohl auch gegen den Privatankläger als Landeshauptmann bzw. Spitzenpolitiker seiner Partei, den auch ohne Namensnennung ein erheblicher Teil der Leser, insbesondere im Bundesland Kärnten, als durch den erwähnten Artikel angesprochen sehen werde. Ein entschuldbarer Irrtum im Sinne des § 24 Abs. 2 Z. 4 PresseG. liege nicht vor, zumal weder von der Verteidigung Einwendungen in dieser Richtung vorgebracht worden seien, noch aus der Lage des Falles sich bezügliche Anhaltspunkte ergäben.

Gegen dieses Urteil erhob die Beschuldigte Jutta A Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe, in der sie unter anderem mit Bezugnahme auf § 464 Z. 2

StPO. auch ins Treffen führte, daß ihr ein entschuldbarer Irrtum gemäß § 24 Abs. 2 Z. 4 PresseG. zustatten komme.

Die Berufung wies das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Urteil vom 23. November 1978, AZ. 13 a Bl 757/78 (ON. 14 der Akten 3 U 627/78 des Strafbezirksgerichtes Wien), als zur Gänze 'unbegründet' zurück.

Zur Frage der Legitimation bzw. der Beteiligtenstellung des Privatanklägers verweist die Berufungsentscheidung in den Gründen auf die im erstinstanzlichen Urteil getroffenen Feststellungen. Ein entschuldbarer Irrtum im Sinne des § 24 Abs. 2 Z. 4 PresseG. bei Überprüfung der Entgegnung sei von der Angeklagten im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet worden und es habe bei den hier leicht überschaubaren Tatsachenund Rechtsfragen daher eine exzessive Auslegung der vorgenannten Gesetzesstelle nicht vorgenommen werden können.

II. Die Generalprokuratur hat dagegen gemäß § 33 Abs. 2 StPO. die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erhoben, in der sie ausführt:

'Die Urteile des Strafbezirksgerichtes Wien vom 26. Juni 1978 und des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. November 1978 stehen mit dem Gesetz insofern nicht in Einklang, als die Frage eines entschuldbaren Irrtums im Sinne des § 24 Abs. 2 Z. 4 PresseG.

- ersichtlich infolge unrichtiger Auslegung dieses Rechtsbegriffes und demzufolge Verkennens der (auch) auf die Geltendmachung eines solchen Irrtums hinauslaufenden Verantwortung der Beschuldigten - keiner dem auch für das Verfahren über Berufungen gegen Urteile der Bezirksgerichte als neues, mit erhöhten Garantien für die Ermittlung der Wahrheit und des Rechtes ausgestattetes Hauptverfahren (siehe hiezu die bei Gebert-Pallin-Pfeiffer-Mayerhofer III/3 unter Nummern 1 und 2 zu § 463 StPO. angeführten Entscheidungen KH 1040, KH 3107 und 9 0s 34, 35/60) geltenden Prinzip der materiellen Wahrheit (§ 3 StPO.) Rechnung tragenden Überpfüfung unterzogen worden ist und demzufolge auch keine ausreichenden (konkreten) bezüglichen Feststellungen getroffen worden sind, obwohl sich der Auffassung der Gerichte zuwider die Beschuldigte schon im erstinstanzlichen Verfahren der Sache nach mit einem derartigen Irrtum verantwortet hatte, indem sie angab, der Privatankläger sei nicht legitimiert gewesen, die gegenständliche Entgegnung zu begehren, und sie habe daher zu Recht die Veröffentlichung dieser Entgegnung verweigern können (S. 13).

Rechtliche Beurteilung

Die Bestimmung des § 3 StPO. verpflichtet alle im Strafverfahren tätigen Behörden, die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen und notfalls auch von Amts wegen alle wesentlichen Umstände zu prüfen und den wahren Sachverhalt festzustellen (siehe Foregger-Serini, StPO. 1975, S. 20 und die dort angeführten Entscheidungen). Der in dieser Gesetzesstelle verankerte, das Strafverfahren beherrschende Grundsatz der materiellen Wahrheit verpflichtet die Gerichte im besonderen auch dazu, sich mit der Verantwortung des Beschuldigten zu befassen und dieselbe in entsprechender Weise zu überprüfen.

Gemäß § 23 Abs. 1 PresseG. ist die für den Inhalt einer periodischen Druckschrift presserechtlich verantwortliche Person verpflichtet, eine Entgegnung auf darin enthaltene Tatsachenmitteilungen auf Verlangen eines Beteiligten ohne Einschaltungen und Weglassungen in der ersten oder zweiten nach deren Einlangen erscheinenden Nummer in demselben Teil der periodischen Druckschrift und in der gleichen Schrift wie die Tatsachenmitteilung zu veröffentlichen. Wird die Veröffentlichung der Entgegnung grundlos verweigert, hat das Gericht den verantwortlichen Redakteur zu bestrafen und auf Veröffentlichung zu erkennen (§ 24 Abs. 2 Z. 3 PresseG.). Ist jedoch die Veröffentlichung nur deshalb verweigert worden, weil der verantwortliche Redakteur aus entschuldbarem Irrtum die Entgegnung nicht als Entgegnung auf eine Tatsachenmitteilung angesehen hatte, so ist vom Gericht zwar auf Veröffentlichung zu erkennen, jedoch auszusprechen, daß von einer Strafe abgesehen wird, wobei dieser Ausspruch den Ausspruch über die Strafe vertritt (§ 24 Abs. 2 Z. 4 PresseG.). Hiebei handelt es sich um einen schon während der Geltungszeit des alten Strafgesetzes mit die Strafbarkeit ausschließender Wirkung ausgestatteten Rechtsirrtum (siehe Swoboda-Hartmann, Kommentar zum Pressegesetz, S. 75).

Beteiligter im Sinne des § 23 Abs. 1 PresseG.

ist jeder, der durch die Tatsachenmitteilung in den Augen der Leser oder eines Teiles der Leser betroffen wird, wobei die Judikatur die Legitimation des Entgegnungswerbers auch dann anerkennt, wenn dieser sich durch die Tatsachenmitteilung bloß betroffen fühlen konnte (EvBl. 1956/338) oder überhaupt ein Interesse an der Entgegnung hat (SSt. VIII/69, XXX/26).

Die Nennung des Namens oder ein dessen Nennung gleichkommender Hinweis sind zwar nicht Voraussetzung dafür, um als Beteiligter angesehen zu werden und die Veröffentlichung einer Entgegnung verlangen zu können, doch wird in solchen Fällen der Entgegnungswerbers schon im Entgegnungsschreiben sein Interesse an der Entgegnung darlegen müssen, soll der Zweck des Entgegnungsrechtes, es (nur) einem durch die Veröffentlichung von Tatsachen in seinen Interessen Betroffenen zu ermöglichen, den Lesern sofort in derselben Druckschrift zu sagen, daß die zuvor mitgeteilten Tatsachen unwahr seien, im Einklang mit der im § 1 des Pressegesetzes gewährleisteten Pressefreiheit, welche durch das Entgegnungsrecht eine Einschränkung erfährt, Verwirklichung finden (SSt. XXVII/55; siehe auch Swoboda-Hartmann, Kommentar zum Pressegesetz, S. 60).

Der Privatankläger hat es aber unterlassen, im Entgegnungsschreiben sein Interesse an der Entgegnung darzulegen, und in der Hauptverhandlung hat der Privatanklagevertreter die Auffassung vertreten, bei der in Rede stehenden Tatsachenmitteilung habe es sich nicht um Vorwürfe gegen die - vom Landeshauptmann repräsentierte -

Verwaltungsbehörde, sondern um solche dem Privatankläger als Sozialisten gegenüber gehandelt (S. 14).

Wenngleich dem Erstgericht darin beizupflichten ist, daß - objektiv gesehen - auch ohne Namensnennung ein Teil der Leser, insbesondere im Bundesland Kärnten, den Privatankläger (als Landeshauptmann bzw. Spitzenpolitiker der mandatsstärksten Partei) durch den in Rede stehenden Artikel angesprochen sehen konnte, so enthob dieser Umstand die Gerichte nicht der Verpflichtung, sich mit der Frage des von der Beschuldigten der Sache nach für den Fall der Ablehnung des von ihr vertretenen Rechtsstandpunktes geltend gemachten Rechtsirrtums auseinanderzusetzen.

Da der Umstand, daß ein Entgegnungswerber nicht im Sinne des § 23 Abs. 1 PresseG. als Beteiligter anzusehen ist, eine Verweigerung der Aufnahme der Entgegnung rechtfertigen würde (siehe Swoboda-Hartmann, Kommentar zum Pressegesetz, S. 61), käme einem bezüglichen Irrtum des verantwortlichen Redakteurs, sofern er entschuldbar ist, strafausschließende Wirkung im Sinne des § 24 Abs. 2 Z. 4 PresseG. zu.

Die Verfahren und die Urteile des Strafbezirksgerichtes Wien und des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verstoßen daher gegen die Bestimmungen des § 3 StPO. und des § 24 Abs. 2 Z. 3 und 4 PresseG., weil auf den von der Beschuldigten geltend gemachten Rechtsirrtum im Sinne letzterer Gesetzesstelle weder im erstinstanzlichen Beweisverfahren noch bei der Behandlung der bezüglichen Schuldberufung in dem Grundsatz der materiellen Wahrheit Rechnung tragender Weise eingegangen worden ist und die Urteile keine Feststellungen darüber enthalten, ob die Veröffentlichung der Entgegnung von der Beschuldigten deshalb verweigert worden ist, weil sie den Privatankläger nicht als Beteiligten (§ 23 Abs. 1 PresseG.) angesehen hatte, sowie ob und aus welchen konkreten Gründen ein solcher Irrtum über die Legitimation des Privatanklägers zu dem in Rede stehenden Entgegnungsbegehren gegebenenfalls entschuldbar oder nicht entschuldbar wäre.' Aus diesen Erwägungen beantragt die Generalprokuratur (1.) die Feststellung, daß durch die Urteile des Strafbezirksgerichtes Wien vom 26. Juni 1978, GZ. 3 U 627/78-5, und des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. November 1978, AZ. 13 a Bl 757/78 (= ON. 14 des obgenannten Aktes), das Gesetz in den Bestimmungen des § 3 StPO.

und des § 24 Abs. 2 Z. 3 und 4 PresseG. verletzt worden sei, (2.) die Aufhebung des Ersturteils im Strafausspruch und im Ausspruch über die Haftung der FP§-Bundesparteileitung zur ungeteilten Hand mit der Verurteilten für die Geldstrafe, ferner des Berufungsurteils 'insoweit, als die Berufung der Angeklagten auch punkto Anfechtung wegen behaupteten Vorliegens eines entschuldbaren Irrtums im Sinne des § 24 Abs. 2 Z. 4 PresseG. als ungegründet zurückgewiesen wurde', und der auf dem Strafausspruch beruhenden richterlichen Verfügungen sowie (3.) die Zurückverweisung der Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung unter Aufrechterhaltung des Schuldspruchs nach § 24 Abs. 2 Z. 3 PresseG., des Veröffentlichungsauftrags und des Ausspruchs über die Haftung der FP§-Bundesparteileitung zur ungeteilten Hand mit der Verurteilten für die Verfahrenskosten.

III. Die Beschwerde ist unberechtigt.

Verfehlt ist zunächst jedenfalls schon das Begehren, festzustellen, daß § 3 StPO. durch die bezeichneten Urteile verletzt worden sei. § 3 StPO. ist keine materiellrechtliche oder Begründungs-, sondern eine Verfahrensbestimmung. Wird daher ein Verfahren zum Nachteil des Angeklagten mangelhaft gestaltet, dann liegt - wie in der Beschwerdebegründung im Gegensatz zum Beschwerdeantrag richtig erkannt wird - der Verstoß gegen § 3 StPO. (und allenfalls gegen weitere Verfahrensvorschriften) unmittelbar in diesem Vorgang und nicht erst im Urteil, mag auch das Gesetz (im allgemeinen) die Geltendmachung solcher Verfahrensmängel mit einem gegen das Urteil gerichteten Rechtsmittel (Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung wegen Nichtigkeit) vorsehen. Im Urteil selbst kann eine solcherart mangelhafte Verfahrensgestaltung, wenn sie - wie hier von der Generalprokuratur geltend gemacht wird -

auf einer unrichtigen Auslegung des materiellen Rechts beruht, zwar als Verletzung eben jener materiellrechtlichen Strafbestimmungen (allenfalls durch Feststellungsmängel) oder von Begründungsvorschriften (§§ 260, 270 StPO.) sichtbar zu werden, aber nicht als Verletzung des § 3 StPO.

Auch ein Verstoß gegen (das materielle Recht in den Bestimmungen des) § 24 Abs. 2 Z. 3 und 4 PresseG.

durch die in Rede stehenden Urteile (und eine darauf beruhende Mangelhaftigkeit der Verfahrensgestaltung) vermochte den Gerichten nicht zu unterlaufen. Wirklich betroffen von der durch die Generalprokuratur behaupteten Gesetzesverletzung wäre nämlich auch dann ausschließlich die zuletzt bezeichnete Vorschrift (Z. 4), wenn sich deren unrichtige Auslegung in einem Schuldspruch nach der zuerst angeführten Strafbestimmung (Z. 3) ausgewirkt hätte; § 24 Abs. 2 Z. 4 PresseG. aber ist seit dem Außerkrafttreten der §§ 3, 233 StG. und dem Wirksamkeitsbeginn des § 9 StGB. nicht mehr anwendbar. In den geltend gemachten Feststellungsmängeln könnte deshalb von vornherein bloß eine Verletzung des Gesetzes in § 9 StGB.

gelegen sein, doch ergibt eine im Hinblick auf § 290 Abs. 1 StPO. vorgenommene Überprüfung der Urteile letztlich, daß die darin getroffenen Feststellungen zur einwandfreien rechtlichen Wertung des als erwiesen angenommenen Sachverhalts ausreichen und einer rechtsrichtigen Beurteilung unterzogen wurden:

Das Vergehen nach § 24 Abs. 2 Z. 3 PresseG. hat der verantwortliche Redakteur einer periodischen Druckschrift (auf Begehren eines Beteiligten) zu verantworten, falls die (von dem Beteiligten verlangte) Veröffentlichung (einer Entgegnung auf in der Druckschrift enthaltene Tatsachenmitteilungen - § 23 Abs. 1 PresseG.) grundlos (§ 23 Abs. 2 PresseG.) verweigert wurde; er ist mit Geldstrafe bis zu sieben Tagessätzen zu bestrafen, daneben ist auf Veröffentlichung zu erkennen.

Wurde jedoch die Veröffentlichung nur verweigert, weil der verantwortliche Redakteur aus entschuldbarem Irrtum die Entgegnung nicht als Entgegnung (eines Beteiligten) auf eine Tatsachenmitteilung (§ 23 Abs. 1 PresseG.) angesehen hatte, dann war nach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des Strafgesetzbuches gemäß § 24 Abs. 2

Z.4 PresseG. zwar auf Veröffentlichung zu erkennen, jedoch auszusprechen, daß von einer Strafe abgesehen werde;

dieser Ausspruch vertrat jenen über die Strafe. Im Absehen von einer Strafe lag eine Privilegierung des Täters;

denn nach der Irrtumsregelung der §§ 3, 233 StG. wurde durch den vorerwähnten Rechtsirrtum die Strafbarkeit nicht ausgeschlossen;

dementsprechend ordnete das (Presse-) Gesetz für diesen Fall nur das Absehen von einer Strafe an, hielt aber an der Fällung eines (mit allen sonstigen Konsequenzen, insbesondere mit den Kostenfolgen verbundenen) Schuldspruchs fest (Swoboda-Hartmann S. 74 f). Der Wirksamkeit des § 24 Abs. 2 Z. 4 PresseG. war daher die Fällung eines (außer auf der Tatbildverwirklichung) auf der grundsätzlichen Regelung der (Frage nach einem Rechtsirrtum in den) §§ 3, 233 StG. (mit-) basierenden (und durch sie erst ermöglichten) Schuldspruchs systematisch vorgelagert.

Diese (letztere) Basis (und die daraus resultierende Möglichkeit, den Redakteur selbst im Falle eines entschuldbaren Rechtsirrtums trotzdem schuldig zu sprechen) ist seit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches mit 1. Jänner 1975 weggefallen. Denn gemäß (der - ihrer Rechtsnatur nach - als Schuldausschließungsgrund gestalteten Norm des) § 9 Abs. 1 StGB. handelt ein Täter, der das Unrecht seiner Tat wegen eines ihm nicht vorzuwerfenden Rechtsirrtums nicht erkennt, nicht schuldhaft. Er ist daher schon mangels Schuld freizusprechen (§ 4 StGB.), sodaß die Straffrage und damit auch die (gleichermaßen etwa in § 40 StGB. - allerdings auf einer völlig anderen Ebene; vgl. § 31 StGB. - vorgesehene) Möglichkeit, von einer Strafe abzusehen, nicht aktuell wird.

§ 9 StGB. gilt gemäß Art. I Abs. 1 StRAnpG.

auch im gerichtlichen Nebenstrafrecht. § 24 Abs. 2 Z. 4 PresseG. ist daher infolge der aufgezeigten Veränderung seiner materiellrechtlichen Grundlagen (§ 9 StGB. statt §§ 3, 233 StG.) unanwendbar geworden. Die in der zitierten Bestimmung des vorerwähnten Begleitgesetzes enthaltene Subsidiaritätsklausel, wonach der Allgemeine Teil des StGB. im Nebenstrafrecht nur anzuwenden ist, soweit diese Gesetze nichts anderes anordnen, läuft dem nicht zuwider. Die in Rede stehende presserechtliche Vorschrift enthielt (nämlich) keine Sonderregelung über die Bedeutung eines (bestimmten) Rechtsirrtums für die (systematisch primär relevante) Schuld des Täters, sondern betraf bloß (als Ergänzung zu den dafür maßgebenden - die Schuld nicht ausschließenden - grundsätzlichen allgemeinen Bestimmungen der §§ 3, 233 StG.) den (systematisch nachgeordneten) Sanktionen-Bereich; schon deshalb beinhaltet sie auch jetzt keine abweichende Anordnung zur (nunmehrigen) grundlegenden Regelung des Rechtsirrtums (in § 9 StGB.) mit Bezug auf dessen Schuldrelevanz, sondern nach wie vor nur einen - der Rechtsänderung zufolge allerdings obsoleten-Adnex dazu. Eine Aufrechterhaltung des § 24 Abs. 2 Z. 4 PresseG. als lex specialis gegenüber § 9 StGB. und damit als Grundlage für einen 'Schuldspruch ohne Schuld' - als solcherart unitäre Ausnahme vom Schuldprinzip (§ 4 StGB), mithin von einem der tragenden Grundsätze des neuen Strafrechts - könnte dem Gesetzgeber des StGB. und des StRAnpG. außerdem auch gar nicht als gewollt unterstellt werden. Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher zu verwerfen.

Nach § 290 Abs. 1 StPO. wurde allerdings noch von Amts wegen geprüft, ob die von der Generalprokuratur reklamierten Gesetzesverletzungen nicht doch etwa in bezug auf § 9 StGB. unterlaufen sind. Diesfalls wären die angefochtenen Urteile aber nicht nur in ihren den Strafausspruch und den Ausspruch über die Haftung für die Geldstrafe betreffenden Teilen, sondern auch in Ansehung des Schuldspruchs und der Verfahrenskosten - die im Fall eines Freispruchs der Privatankläger zu ersetzen hätte (§§ 390, 390 a StPO.) - aufzuheben. Lediglich der Veröffentlichungsauftrag hätte nichtsdestoweniger aufrecht zu bleiben; auch ihm wäre zwar infolge der Unanwendbarkeit des § 24 Abs. 2 Z. 4 PresseG. die unmittelbare Gesetzesgrundlage entzogen, doch würde er im Ergebnis in dem - insoweit nicht die Anwendung materiellen Strafrechts (sondern bloß einen Adhäsionsanspruch) betreffenden und daher auch zum Nachteil des Täters zulässigerweise (vgl. ÖJZ. 1980, S. 65) - analog anzuwendenden § 24 Abs. 3 PresseG. Deckung finden; der Sinn dieser Vorschrift, einem aus Gründen des § 23 Abs. 1 PresseG. nur teilweise gerechtfertigten Veröffentlichungsbegehren trotz des (auf der Unteilbarkeit jenes - sohin zu Recht abgelehnten - Verlangens beruhenden) Freispruchs des verantwortlichen Redakteurs doch wenigstens in Ansehung des mängelfreien Teils der Entgegnung zum Durchbruch zu verhelfen, spricht (zumindest) gleichermaßen für die Anordnung einer Entgegnungsveröffentlichung dann, wenn das betreffende Begehren objektiv zur Gänze gerechtfertigt und der verantwortliche Redakteur trotz der (objektiv) grundlosen Verweigerung der Veröffentlichung (§ 24 Abs. 2 Z. 3 PresseG.) - nur - deswegen freizusprechen ist, weil er die Tat aus einem ihm nicht vorzuwerfenden Rechtsirrtum (§ 9 Abs. 1 StGB.; ähnlich - wie bereits aufgezeigt - der wegen materieller Derogation nicht mehr zum Zuge kommende § 24 Abs. 2 Z. 4 PresseG.:

'aus entschuldbarem Irrtum') über das Fehlen einer der im § 23 Abs. 1

PresseG. bezeichneten Entgegnungsvoraussetzungen begangen hat. Auch in Ansehung des § 9 StGB. haften jedoch dem Ersturteil Feststellungsmängel (§§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b, 468 Abs. 1 Z. 4 StPO.) zu der von der Generalprokuratur aufgeworfenen Frage, ob die Beschuldigte die vom Privatankläger begehrte Entgegnungsveröffentlichung aus einem ihr nicht vorzuwerfenden (entschuldbaren) Rechtsirrtum über seine - in der Beschwerde ebenfalls nicht bezweifelte - Entgegnungslegitimation als 'Beteiligter' im Sinn des § 23 Abs. 1 PresseG. verweigert hat, nicht an.

Damit hat sich nämlich das Erstgericht entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung der Sache nach durchaus zureichend auseinandergesetzt. Es führt im gegebenen Zusammenhang aus, auch ein nicht mit besonderer Vorbildung und nicht mit besonderen Kenntnissen über die Verwaltung und über die Umstände bei der Ernennung von Bezirkshauptmännern ausgestatteter Durchschnittsleser der 'Neuen Freien Zeitung' sei im allgemeinen in der Lage, (klar) zu erkennen, daß dem Landeshauptmann - und als solcher ist der Privatankläger sowohl im Entgegnungsbegehren als auch in der Privatanklage aufgetreten - hiebei auf jeden Fall eine wichtige Rolle zukommt. (Die nachträgliche, zum Teil anderweitige Akzentuierung der Position des Privatanklägers durch dessen Vertreter in der Hauptverhandlung kann für die Prüfung der Frage, ob der Beschuldigten als verantwortlicher Redakteurin im Zeitpunkt der Ablehnung des Veröffentlichungsbegehrens ein Rechtsirrtum über die Entgegnungslegitimation des Leopold Wagner unterlaufen ist, keine Rolle spielen;

dies schon deshalb, weil die bezügliche Frage von Jutta A nach der damaligen Situation - und nicht nach jener in der Hauptverhandlung - zu beurteilen und der genannte Privatankläger im Entgegnungsbegehren ausdrücklich als Landeshauptmann von Kärnten bezeichnet worden war. Daß übrigens auch der rechtskundige Machthaber der Beschuldigten in der gemäß § 455 Abs. 2 StPO. abgelegten Verantwortung - S. 13 bis 14 -, wenn er die Legitimation des Privatanklägers, die Entgegnung zu verlangen, mit der Argumentation verneinte, 'nach der Bundesverfassung und Kärntner Landesverfassung bestehe in Kärnten eine Proporz-Landesregierung, die die Entscheidung bei der Ernennung der Beamten habe / und / nicht der Landeshauptmann von Kärnten', selbst einräumt, Leopold Wagner habe das Entgegnungsbegehren in dieser Position gestellt, sei nur der Vollständigkeit halber am Rande vermerkt.) In der Berufungsausführung wurde von der Verurteilten überdies weiters dargelegt, daß der Landeshauptmann 'im allgemeinen nach Art. 105 Abs. 1 B-VG.

das Land vertritt und der Landeshauptmann von Kärnten im besonderen gemäß § 35 der Landesverfassung der Vertreter des Landes ist' (S. 38). Dieses Allgemeinwissen ist (abgesehen von der detaillierten Bezeichnung der in Betracht kommenden Gesetzesstellen) jedenfalls auch beim verantwortlichen Redakteur einer Zeitung vorauszusetzen; im übrigen wäre dieser gemäß § 9 Abs. 2 StGB. schon seinem Beruf nach verbunden, sich (zumindestens in konkreten Fällen) mit den (in Betracht kommenden) einschlägigen Bestimmungen bekanntzumachen. In diesem Sinne spricht auch das Berufungsgericht in seinem Urteil abschließend zutreffend von einer leicht überschaubaren Tatsachen- und Rechtslage.

Beide Gerichte haben demnach sachlich mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß Jutta A jedenfalls ein unverschuldeter (daher nicht vorwerfbarer) Rechtsirrtum über die Entgegnungslegitimation des Privatanklägers in seiner Eigenschaft als Landeshauptmann in Ansehung des gegenständlichen Veröffentlichungsbegehrens, also über den Sinngehalt des normativen Begriffes 'Beteiligter' nach § 23 Abs. 1

PresseG. jedenfalls nicht zugebilligt werden kann, d.h.

- mit anderen Worten gesagt - ihr ein etwa tatsächlich in der angeführten Richtung unterlaufener Irrtum mithin vorzuwerfen wäre, weil die dafür maßgebende Position des Privatanklägers (und das demzufolge mit der Verweigerung der Entgegnungsveröffentlichung verbundene Tatunrecht) dem nicht besonders vorgebildeten Durchschnittsleser der 'Neuen Freien Zeitung', also für jedermann, und umso mehr für sie selbst leicht erkennbar war (§ 9 Abs. 2 erster Fall StGB.) und weil sie zudem durch ihre Stellung als verantwortliche Redakteurin verpflichtet war, sich von den einschlägigen Vorschriften Kenntnis zu verschaffen (§ 9 Abs. 2 zweiter Fall StGB.). Dieser Auffassung ist voll beizupflichten. Da sohin die in der Beschwerde behaupteten Feststellungsmängel bezüglich eines nicht vorwerfbaren Rechtsirrtums auch in Ansehung des § 9 StGB. nicht unterlaufen sind, bestand zu einem Vorgehen nach § 290 Abs. 1 StPO.

gleichfalls kein Anlaß.

Anmerkung

E02659

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00057.79.0513.000

Dokumentnummer

JJT_19800513_OGH0002_0100OS00057_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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