Norm
HGB §105Kopf
SZ 53/77
Spruch
Die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches gegen einen vom Gericht bestellt gewesenen Liquidator einer Personengesellschaft wegen gesetzwidriger Vorgangsweise bei der Liquidation steht grundsätzlich, auch wenn das Erlöschen der Firma bereits in das Handelsregister eingetragen wurde, nur der Gesellschaft, nicht aber den einzelnen Gesellschaftern zu
OGH 14. Mai 1980, 1 Ob 590/80 (OLG Graz 1 R 3/80; LGZ Graz 7 Cg 337/79)
Text
Die Kläger, Dr. Gottfried I und Erika I, waren Gesellschafter der prot. Firma "Möbelparadies E & Co" mit dem Sitz in Graz, die Kläger sowie Dr. Gottfried I als Kommanditisten und Erika I als Komplementär. Erika I kundigte mit Schreiben vom 12. Juli 1973 das Gesellschaftsverhältnis zum 31. Jänner 1974, dem vertraglich bestimmten Ende des Geschäftsjahres, auf. Am 11. Jänner 1974 wurde die Liquidation der Gesellschaft beschlossen. Der Beklagte wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 4. Dezember 1975, 22 HRA 1594/48, zum alleinigen Liquidator der Firma bestellt. Der Beklagte veräußerte am 5. August 1976 das gesamte Unternehmen mit allen Aktiven und Passiven an Dr. Gottfried I und bewirkte in der Folge die Löschung der Firma im Handelsregister. Einstimmige Weisungen der Gesellschaft betreffend die Liquidation wurden dem Beklagten niemals erteilt.
Die Kläger begehren einen Betrag von 6 038 438.49 S (Erstkläger) und 6 558 456.24 S (Zweitklägerin), weil der Beklagte als Liquidator schuldhaft seine Pflichten verletzt und ihnen dadurch einen Schaden in Höhe des Klagsbetrages zugefügt habe. Bei ordnungsgemäßer Liquidation wären den Klägern die geforderten Beträge als Auseinandersetzungsguthaben zugekommen. Im einzelnen sei dem Beklagten anzulasten, daß er die Liquidationsmasse dem Mitgesellschafter Dr. Gottfried I überlassen habe, ohne die hiefür erforderliche Zustimmung der übrigen Mitgesellschafter, also auch der Kläger, einzuholen; der Beklagte habe weder einen Verteilungsentwurf noch eine Liquidationsschlußbilanz erstellt und die Löschung der Firma beantragt, obwohl die Liquidation noch nicht beendet gewesen sei. Schließlich habe er die Erfüllung seines Anbots vom 21. Juli 1976 durch den Mitgesellschafter Dr. Gottfried I am 5. August 1976 bestätigt, obwohl Dr. Gottfried I weder zu diesem Zeitpunkt noch auch später diese Bedingungen erfüllt habe.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, er habe die Liquidation pflichtgemäß und unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt. Gegen den Löschungsbeschluß habe keiner der Gesellschafter, insbesondere auch nicht die Kläger, Rekurs erhoben. Ein allfälliger Schadenersatzanspruch stunde der Gesellschaft, nicht aber den Klägern als früheren Kommanditisten, zu.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren wegen mangelnder Aktivlegitimation der Kläger ab.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Kläger keine Folge und billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Vermögen einer Kommanditgesellschaft steht im Gesamthandeigentum der Gesellschafter, auch der Kommanditisten (Kastner, Grundriß[3], 63, 111; Welser in GesRZ 1978, 141; Hueck, Das Recht der OHG[4], 217; HS 8177, 8098, 6133, 5130). Das Vermögen ist gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter (Art. 7 Nr. 9 und 10 EVHGB), über welches der einzelne Gesellschafter - auch anteilsmäßig - nicht verfügen darf. Die Verfügung über die zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Werte steht vielmehr nur der Gesamtheit der Gesellschaft zu, welche diese Befugnis durch die zur Vertretung der Gesellschaft berechtigten Gesellschafter ausübt. Da die der offenen Handelsgesellschaft bzw. der Kommanditgesellschaft zustehenden Rechte einen Bestandteil des Gesellschaftsvermögens bilden, ist es dem einzelnen Gesellschafter als solchem grundsätzlich verwehrt, Gesellschaftsforderungen im eigenen Namen geltend zu machen, selbst wenn er Leistung an die Gesellschaft begehrt (Hueck a. a. O., 219 und die in FN 9 zitierte Literatur und Judikatur, insbesondere Fischer in Großkomm HGB[3] II/1, 237 Anm. 10; Schlegelberger - Geßler, HGB[4], 1106 Anm. 11; SZ 50/124; GesRZ 1976, 59). Die Geltendmachung von Ansprüchen einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft erfolgt demnach grundsätzlich in der Weise, daß als klagende Partei die Gesellschaft (§§ 124 Abs. 11, 161 Abs. 2 HGB), vertreten durch einen oder mehrere vertretungsberechtigte Gesellschafter (§§ 125, 126, 161 Abs. 2, 170 HGB), auftritt. Nur ausnahmsweise wird auch dem einzelnen Gesellschafter die Befugnis eingeräumt, Ansprüche der Gesellschaft im eigenen Namen geltend zu machen. Es ist dabei zu unterscheiden, ob es sich um Ansprüche der offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft handelt, die aus dem Gesellschaftsverhältnis (sogenannte Sozialansprüche) oder aber aus irgendeinem anderen Rechtsverhältnis (sogenanntes Drittverhältnis) herrühren. Die Geltendmachung von Ansprüchen aus Drittverhältnissen, z. B. aus Kauf-, Miet-, Darlehens- oder Werkverträgen, ist eine Maßnahme der Geschäftsführung der Gesellschaft und steht nur dieser zu. Im Abwicklungsstadium ist die Einziehung von Forderungen der offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft eine im Gesetz ausdrücklich vorgesehene Pflicht der Abwickler (§ 149 Satz 1 HGB). Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung kann hingegen Sozialansprüche jeder einzelne Gesellschafter, auch der von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossene, demnach auch ein Kommanditist, mit der actio pro socio geltend machen (EvBl. 1978/204; Kastner a. a. O., 57; Hadding,
Zur Einzelklagebefugnis des Gesellschafters einer Personalgesellschaft, JZ 1975, 162; Hueck a. a. O., 261; Fischer a. a. O., 237 Anm. 11; BGHZ 10/14, 91, 101). Auch Schadenersatzansprüche gegen einen Mitgesellschafter als Liquidator können Sozialansprüche sein, wenn sie aus der Verletzung gesellschaftsvertraglicher Pflichten resultieren (RGZ 158/48, 302, 314; Hueck a. a. O., 505; Hadding a. a. O., 162).
Um einen solchen Anspruch handelt es sich im vorliegenden Fall nicht, weil der Beklagte nicht Mitgesellschafter war und ihm demnach auch eine Verletzung gesellschaftsvertraglicher Pflichten nicht zur Last fallen kann. Der von den Klägern erhobene Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten als gerichtlich bestellten Liquidator ist daher ein Anspruch aus einem Drittverhältnis.
Die gesamthänderische Bindung des Vermögens der Personalgesellschaft besteht grundsätzlich auch im Liquidationsstadium fort. Auch in diesem ist daher das Vermögen der Gesellschaft der Verfügung des einzelnen Gesellschafters entzogen. Über das Vermögen der Gesellschaft verfügen nunmehr sämtliche Gesellschafter - auch die Kommanditisten - als geborene Liquidatoren (§ 146 Abs. 1 HGB), die grundsätzlich nur gemeinschaftlich handeln können (§ 150 HGB). Ist jedoch auf Antrag eines Beteiligten vom Gericht ein Liquidator bestellt worden (§ 146 Abs. 2 HGB), stehen die Liquidationsbefugnisse diesem zu. An dieser Rechtslage, insbesondere der Fortdauer der gesamthändischen Bindung des Vermögens in der Abwicklungsgesellschaft, ändert sich auch dann nichts, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Liquidation beendet und die Firma im Handelsregister gelöscht wurde (§ 157 Abs. 1 HGB). Zeigt sich in der Folge, daß noch Vermögen der Gesellschaft vorhanden ist, sei es auch in Form eines Schadenersatzanspruches gegen einen Liquidator, so ist die Liquidation in Wahrheit noch nicht beendet und fortzusetzen. Die Gesellschaft hat nur scheinbar zu bestehen aufgehört, in Wahrheit existiert sie noch (Hueck a. a. O., 519; Schilling in Großkomm HGB[3] II/2, 102 Anm. 11). Auch die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches gegen den Liquidator der Gesellschaft steht demnach dem einzelnen Gesellschafter nicht zu, sondern nur der von der Gesamtheit der Gesellschafter oder von einem anderen gerichtlich zu bestellenden Liquidator vertretenen Gesellschaft (Hueck a. a. O., 505). Diese Rechtsansicht wurde vom OGH bereits in der Entscheidung SZ 29/39 vertreten. Zum gleichen Ergebnis gelangte das Reichsgericht, wenn es in der Entscheidung RGZ 91/10, 34, 36 Rechnungslegungsansprüche mit der Begründung, diese könnten nicht anders behandelt werden als Schadenersatzansprüche, nur der Gesellschaft zubilligte. Auch der deutsche Bundesgerichtshof erachtete in BGHZ 10/14, 91, 101 nur die Gesellschaft als befugt, einen Schadenersatzanspruch gegen einen Liquidator geltend zu machen. Er trug in dieser Entscheidung nur der Besonderheit des Falles Rechnung (a. a. O., 103), daß es sich bei der geltend gemachten Forderung um das letzte Vermögen einer zweigliedrigen Gesellschaft handelte, das nach dem Auseinandersetzungsverfahren zweifelsfrei dem klagenden Gesellschafter allein zustand; nur aus diesem Grund erachtete er ihn als berechtigt, den Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen, um die Leistung des Schadenersatzes an die Gesellschaft zur sofortigen Weiterleitung an den Kläger als allein anspruchsberechtigten Gesellschafter zu vermeiden. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Es wurde nicht behauptet, daß nur mehr die Kläger und nicht auch ein anderer Gesellschafter oder Gläubiger der Gesellschaft (vgl. RGZ 158/48, 302, 314) Ansprüche auf einen allfälligen weiteren Liquidationserlös haben. Wenn die Revision darauf verweist, die nach § 146 Abs. 2 und 3 HGB Beteiligten hätten ein selbständiges Klagerecht gegen den Liquidator, übersieht sie, daß ein Kommanditist Gesellschafter ist und nicht ein Beteiligter nach § 146 Abs. 2 und 3 HGB - diese Bestimmung betrifft die Offene Handelsgesellschaft - sein kann.
Wenn die Revisionswerber schließlich auf die Ausführungen von Nitschke, Die Geltendmachung von Gesellschaftsforderungen durch den einzelnen Gesellschafter einer Personalhandelsgesellschaft, ZHR 128, 49 ff., verweisen, wonach die Klagsführung durch den einzelnen Gesellschafter im Falle der Notgeschäftsführung bejaht wird, so ist dem folgendes entgegenzuhalten: Nitschke anerkennt die Einzelklagsbefugnis des nicht geschäftsführungsbefugten Gesellschafters im Falle der Notgeschäftsführung und grundet sie auf § 744 Abs. 2 BGB. Dazu wird in der deutschen Literatur (vgl. Hadding a. a. O., 161) der Standpunkt vertreten, daß ein solches Notgeschäftsführungsrecht auf den seltenen Ausnahmetatbestand beschränkt bleiben müsse, daß die gesellschaftsrechtliche Zuständigkeitsregelung versagt, d. h. sich als funktionsuntüchtig erweist, die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Es wurde aber bereits in EvBl. 1978/204 mit ausführlicher Begründung dargetan, daß die Bestimmung des § 744 Abs. 2 BGB bei Einführung des deutschen HGB in Österreich nicht rezipiert wurde. Auch dem § 833 bis 835 ABGB ist, wie gleichfalls in der vorzitierten Entscheidung ausgeführt wurde, keine dem § 744 Abs. 2 BGB vergleichbare Regelung zu entnehmen, wonach jeder einzelne Teilhaber auch ohne Zustimmung des anderen Maßnahmen, die zur Erhaltung der Sache erforderlich sind, im eigenen Namen treffen kann. Der von den Klägern befürchteten Gefahr der Verjährung des Ersatzanspruches könnte im übrigen durch Geltendmachung dieses Anspruches namens der Gesellschaft begegnet werden. Ob ein solcher Anspruch schon im Hinblick auf die von den Klägern behauptete Kollision mit den Interessen des Gesellschafters Dr. Gottfried I durch einen vom Gericht zu bestellenden anderen Liquidator zu erfolgen hätte, ist in diesem Verfahren nicht zu beurteilen. Ein Fall der Notgeschäftsführung, der das Einschriften der Kläger im Interesse der Gesellschaft als unabweislich erscheinen ließe, läge jedenfalls nicht vor.
Anmerkung
Z53077Schlagworte
Gesellschaft, Personen-, Schadenersatzanspruch gegen Liquidator, Liquidator einer Personengesellschaft, Haftung, Schadenersatz aus Liquidation einer PersonengesellschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1980:0010OB00590.8.0514.000Dokumentnummer
JJT_19800514_OGH0002_0010OB00590_8000000_000