TE Vwgh Erkenntnis 2005/5/3 2005/18/0070

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Veröffentlicht am 03.05.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §55;
FrG 1997 §76 Abs1;
FrG 1997 §76;
FrG 1997 §81;
FrG 1997 §85;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des L, geboren am 1975, vertreten durch Mag. Lothar Korn, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Hessenplatz 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 29. Dezember 2004, Zl. St 217/04, betreffend Versagung eines Fremdenpasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 29. Dezember 2004 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, laut dem Beschwerdevorbringen eines Staatsangehörigen von Ruanda, vom 2. Oktober 2003 auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 76 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Die Bundespolizeidirektion Linz (Erstbehörde) habe (in ihrem Bescheid vom 12. August 2004) Folgendes ausgeführt:

"Am 2.10.2003 stellten Sie (der Beschwerdeführer( einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses und begründeten diesen in Ihren schriftlichen Stellungnahmen vom 24.9.2003, 15.6.2004 sowie am 19.7.2004 im Wesentlichen damit, dass Sie die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 76 Abs. 1 Ziffer 1 FrG erfüllen würden, zumal Sie, wie auch der Aktenlage zu entnehmen ist, kein gültiges Reisedokument besitzen und auch derzeit nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument Ihres Heimatstaates zu beschaffen. Dass die Identität Ihrer Person darüber hinaus nicht festgestellt werden kann, würde keinen Versagungsgrund betreffend die Ausstellung eines Fremdenpasses darstellen.

Das Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses begründeten Sie im Wesentlichen damit, dass es Ihnen ohne Reise ins Ausland nicht möglich wäre, Ihre Identität entsprechend nachzuweisen. Dies wäre aber im Hinblick auf die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens für Österreich von wesentlichem Interesse."

In der Berufungsschrift vom 25. August 2004 habe der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden wäre, weil ihm im erstinstanzlichen Verfahren der Bericht des Grenzüberwachungspostens L. niemals zur Kenntnis gebracht worden wäre. Er habe ausgeführt, dass es sich bei seinem Dokument nicht um einen offiziellen Personalausweis seines Heimatlandes handelte, sondern lediglich um ein provisorisches Dokument, welches nicht von den ruandesischen Behörden ausgestellt worden wäre. Ferner habe er darauf hingewiesen, dass das Verfahren beim Bezirksgericht Oberpullendorf gemäß § 90 StPO eingestellt worden sei. Diesbezüglich habe er die Beischaffung des Gerichtsaktes beantragt.

Weiters habe er vorgebracht, dass er sich seit mehr als acht Jahren in Österreich aufhielte und völlig unbescholten wäre. Es wäre ihm eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt worden. Seine Identität und Staatsangehörigkeit hätte er deshalb nicht nachweisen können, weil im Zug des Bürgerkrieges in Ruanda die entsprechenden Urkundenregister der Behörde vernichtet worden wären. Abschließend habe er darauf hingewiesen, dass die Republik Österreich doch ein (positives) Interesse an der Ausstellung eines Fremdenpasses haben müsste, weil ein vehementes Interesse daran vorläge, dass sich im Staat nur Personen aufhielten, die ihre Identität nachweisen könnten.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 76 Abs. 1 FrG weiter aus, dass der Beschwerdeführer nicht dargelegt habe, dass die Ausstellung des Fremdenpasses "im Interesse der Republik Österreich gelegen" sei. Die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer ohne Fremdenpass nicht legitimieren könnte, sei zu relativieren, weil er andere Möglichkeiten habe, sein Aufenthaltsrecht in Österreich nachzuweisen (z.B. durch den "Lichtbildausweis für Fremde").

An der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seine Identität nicht nachweisen könne, habe sich bisher nichts geändert, zumal er selbst in seiner Berufungsschrift bestätige, seine Identität nicht nachweisen zu können.

Österreich eröffne mit der Ausstellung eines Fremdenpasses dem Inhaber die Möglichkeit, Reisen zu unternehmen, und übernehme damit auch eine Verpflichtung gegenüber den Gastländern. Diese Haltung erfordere einen restriktiven Maßstab.

Es bedürfe keiner näheren Erörterung, dass bei Personen, die ihre Identität nicht nachweisen könnten, kein Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses bestehe; dies bereits deshalb nicht, weil es die Möglichkeit gebe, dem Beschwerdeführer ein anderes Dokument zum Nachweis seiner Aufenthaltsberechtigung auszustellen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die mit "Ausstellung von Fremdenpässen" überschriebene Bestimmung des § 76 Abs. 1 FrG hat folgenden Wortlaut:

"§ 76. (1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für

1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;

2. ausländische Staatsangehörige, die zum unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels gegeben sind;

4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt."

Vorrangige, für die Verwirklichung jedes einzelnen der in den

Z. 1 bis 5 umschriebenen Tatbestände wesentliche Voraussetzung für die Ausstellung eines Fremdenpasses ist somit, dass dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist.

2. Die Beschwerde bringt vor, dass der Beschwerdeführer den Fremdenpass benötige, um seine Identität und die von seinem Heimatstaat (Ruanda) bestrittene Staatsangehörigkeit nachweisen zu können. Wie im Verwaltungsverfahren dargelegt, sei es ihm ohne eine Auslandsreise nicht möglich, beispielsweise eine Geburtsurkunde zu besorgen und anschließend einen Ausweis seines Heimatstaates zu erlangen. Da das FrG vorsehe, dass in Österreich aufhältige Fremde über ein Reisedokument verfügten, und selbst eine (allfällige) Abschiebung des Beschwerdeführers am Fehlen eines Reisedokumentes scheitern würde, liege die Ausstellung des Fremdenpasses an ihn gemäß § 76 Abs. 1 Z. 1 FrG im öffentlichen Interesse. Bei gegenteiliger Ansicht könnte an einen Fremden mit ungeklärter Staatsangehörigkeit niemals ein Fremdenpass ausgestellt werden und wäre die genannte Bestimmung inhaltsleer.

Ferner sei zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer seit achteinhalb Jahren in Österreich rechtmäßig aufhalte und hier niemals straffällig geworden sei, was bei Abwägung der gegebenen öffentlichen Interessen zu berücksichtigen gewesen wäre. Durch die Versagung des Fremdenpasses werde es beispielsweise dem Beschwerdeführer unmöglich gemacht, die österreichische Staatsbürgerschaft zu beantragen oder in Österreich eine Ehe zu schließen, wodurch faktisch ein Eheverbot bewirkt würde, sodass - wenn auch vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren die mögliche Verhinderung einer Eheschließung nicht vorgebracht worden sei - der angefochtene Bescheid Art. 12 EMRK widerspreche. Im Übrigen habe es die belangte Behörde verabsäumt, im angefochtenen Bescheid Feststellungen darüber zu treffen, wie der Beschwerdeführer auf andere Weise als mittels eines Fremdenpasses seine Identität nachweisen und eine Geburtsurkunde sowie darauf aufbauend einen Staatsbürgerschaftsnachweis und darauf weiter aufbauend ein Reisedokument seines Heimatstaates erlangen könnte.

3.1. Wenn die Beschwerde meint, es hätte bei Abwägung der gegebenen öffentlichen Interessen berücksichtigt werden müssen, dass sich der Beschwerdeführer seit achteinhalb Jahren in Österreich aufhalte und hier niemals straffällig geworden sei, verbindet sie mit der in § 76 Abs. 1 FrG enthaltenen Wendung, "im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen", eine unzutreffende Bedeutung. Insoweit wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zur näheren Begründung auf das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2004, Zl. 2001/18/0148, verwiesen.

3.2. Entgegen der Beschwerdemeinung hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, auf welche andere Weise sich der Beschwerdeführer legitimieren könnte, nämlich mittels eines "Lichtbildausweises für Fremde" (vgl. dazu § 85 FrG).

3.3. Wenn die Beschwerde weiters die Auffassung vertritt, es bestehe ein öffentliches Interesse daran, dass der Beschwerdeführer ins Ausland reise, um sich in seinem Heimatstaat die zum Nachweis seiner Identität erforderlichen Dokumente zu beschaffen, so zeigt sie auch insoweit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Wie der Verwaltungsgerichtshof - unter Zugrundelegung der Gesetzesmaterialien zu § 55 des Fremdengesetzes aus 1992 (RV 692 BlgNR 18. GP, 55: "Zu den §§ 55 bis 61"), die wegen der insoweit unveränderten Rechtslage auch zur Auslegung des § 76 FrG herangezogen werden können - bereits wiederholt ausgeführt hat, kommt es für die Ausstellung eines Fremdenpasses nicht bloß darauf an, dass die Ausstellung im Interesse des Fremden gelegen ist, sondern muss auch ein positives Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses für diesen Fremden bestehen. Österreich eröffnet nämlich mit der Ausstellung eines Fremdenpasses dem Inhaber die Möglichkeit zu Reisen und übernimmt damit auch eine Verpflichtung gegenüber den Gastländern. Diese an sich nur gegenüber Staatsbürgern einzunehmende Haltung erfordert einen restriktiven Maßstab. (Vgl. zum Ganzen etwa das vorzitierte Erkenntnis, mwN.)

Die Auffassung der belangten Behörde, dass ein Interesse der Republik an der Ausstellung eines Fremdenpasses an den Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Person nicht ersichtlich sei, begegnet keinem Einwand, handelt es sich doch bei dem vom Beschwerdeführer vorgebrachten Interesse an der Beschaffung von Standesdokumenten in seinem Heimatland um ein privates Interesse. Insbesondere begründet auch der in der Beschwerde vorgebrachte Umstand, der Fremdenpass sei für eine Antragstellung des Beschwerdeführers zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft und für eine (allfällige) Eheschließung in Österreich erforderlich, kein öffentliches Interesse iS der obgenannten Gesetzesbestimmung.

Entgegen der Beschwerdeansicht ist die Bestimmung des § 76 Abs. 1 FrG auch nicht inhaltsleer. Diesbezüglich wird nochmals auf das vorzitierte Erkenntnis verwiesen, in dem beispielsweise dargestellt wird, in welchem Fall von einem Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses nach dieser Gesetzesbestimmung ausgegangen werden könnte.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 3. Mai 2005

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005180070.X00

Im RIS seit

14.06.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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