TE OGH 1981/3/26 13Os14/81

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Veröffentlicht am 26.03.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.März 1981 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Müller, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Zeitler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Siegfried A, Gabriele B und andere wegen des Verbrechens des Diebstahls nach den §§ 127 ff. StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die von diesen beiden genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 13.Juni 1980, GZ. 1 c Vr 3253/79-241, erhobenen Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Heliczer und Dr. Janovsky und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 290 Abs 1 StPO. wird das Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in Ansehung des Angeklagten Siegfried A in den Punkten J 4, 5 und 6 des Schuldspruchs betreffend die Begehung des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs 1 StGB. auch durch die in diesen Punkten bezeichneten Handlungen (in Tateinheit mit dem Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223, 224 StGB. laut den Punkten I 2, 3 und 4 des Urteilssatzes), sowie in dem den Angeklagten Siegfried A betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Anordnung seiner Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallsstäter gemäß § 23 StGB.) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z. 3 StPO. im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Für die ihm nach dem im übrigen aufrecht bleibenden Schuldspruch weiterhin zur Last fallenden Straftaten wird der Angeklagte Siegfried A gemäß dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB.

zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Gemäß § 23 Abs 1 StGB. wird die Unterbringung des Angeklagten Siegfried A in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter angeordnet.

Die den Genannten betreffenden Aussprüche gemäß § 26 Abs 1 StGB. sowie jene über die Anrechnung der Vorhaft und über den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens werden aus dem Ersturteil übernommen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Siegfried A auf die vorstehende Entscheidung verwiesen.

Der Berufung der Angeklagten Gabriele B gegen das Strafausmaß wird nicht Folge gegeben; ihre Berufung wegen Gewährung der bedingten Strafnachsicht wird zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten Siegfried A und Gabriele B auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (unter anderem) Siegfried A (zu A und B) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch und mit Waffen nach den §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1, 128 Abs 2, 129 Z. 1 und 4, 130 und 15 StGB., (zu E) des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs 1

und Abs 2 StGB., (zu F) des Verbrechens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs 2 StGB., (zu - richtig - H und I) des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs 1 und Abs 2, 224 StGB., (zu J) des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs 1 StGB., (zu K) des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs 1 StGB., (zu - richtig - L) des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1, erster Fall, StGB. und (zu - richtig - M) des Vergehens nach dem § 36 Abs 1

lit a WaffG., sowie Gabriele B (zu N) des Vergehens des fahrlässigen Ansichbringens von Sachen nach dem § 165 StGB. schuldig erkannt.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hatte Siegfried A (zu A und B) - von zwei im November 1976 in den Niederlanden verübten Diebstählen abgesehen - in der Zeit zwischen seiner letzten Haftentlassung am 14.Februar 1978 und seiner neuerlichen Verhaftung am 1.Februar 1979 in verschiedenen Orten Österreichs in 161 Angriffen Sachen in einem Wert von weit über eineinhalb Millionen S überwiegend durch Einbruch gestohlen und in weiteren 107 Angriffen Sachen durch Einbruch (in einem Fall in Gesellschaft eines Diebsgenossen) zu stehlen versucht, wobei er gewerbsmäßig handelte und zumindest ab dem 13.März 1978 fallweise eine Faustfeuerwaffe bei sich führte, um den Widerstand von Personen zu brechen; des weiteren (zu E) in der Nacht zum 19.November 1976 in den Niederlanden einen Personenkraftwagen ohne Einwilligung des Eigentümers in Gebrauch genommen, nachdem er nach Durchschneiden eines Maschendrahtzauns in einen Autoverkaufsplatz eingedrungen war und sich aus einem aufgebrochenen Wohnwagen die Autoschlüssel, mit denen er das Fahrzeug in Betrieb setzte, verschafft hatte, (zu F) zwischen Mai 1978 und Jänner 1979 in verschiedenen Orten Österreichs in sieben Fällen fremde Sachen durch Abgabe von Schüssen aus Feuerwaffen vorsätzlich beschädigt bzw. zerstört, wobei allein durch die Beschießung von Eiswarngeräten auf der Westautobahn ein Gesamtschaden von 360.000 S entstand, (zu H) nach dem 13.März 1978 einen Reisepaß und einen Waffenpaß durch Einkleben von Lichtbildern und Einsetzen von Unterschriften ausstellender Beamter mit dem Vorsatz verfälscht, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten gebraucht werden, (zu I) vom 13.März 1978 bis 17.Oktober 1978 in fünf Fällen falsche bzw. verfälschte inländische Urkunden (darunter vier Kennzeichentafeln) im Rechtsverkehr zum Beweis von Rechten gebraucht, (zu J) vom März 1978 bis 1.Februar 1979 dadurch, daß er mit gestohlenen Kraftfahrzeugen, an welchen gestohlene Kennzeichentafeln angebracht waren, öffentliche Verkehrswege befuhr, Organe der Straßenaufsicht zu täuschen getrachtet, (zu K) am 3. August 1978

bei seiner Betretung auf frischer Tat einen anderen durch eine gegen ihn gerichtete Faustfeuerwaffe zur Duldung seiner Flucht vom Tatort genötigt, (zu L) am 1.Februar 1979

durch eine gegen den Polizeigruppeninspektor Willibald C gerichtete Pistole seine Festnahme zu hindern versucht und schließlich (zu M) in der Zeit vom 13.März 1978

bzw. vom 27.Juli 1978 bis 1.Februar 1979 einen Revolver und eine Pistole unbefugt besessen und geführt.

Der dem Schuldspruch der Gabriele B zugrunde liegende Sachverhalt ist dem Beschluß des Obersten Gerichtshofs vom 4.März 1981, GZ. 13 Os 14/81-9, zu entnehmen, mit welchem die von der Genannten gegen den sie betreffenden Schuldspruch ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen wurde. Das Erstgericht verhängte über Siegfried A nach dem 2. Strafsatz des § 130 StGB. unter Anwendung der §§ 28 und 29 StGB. eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren;

überdies wurde gemäß § 23 Abs 1 StGB. seine Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter angeordnet. über Gabriele B wurde nach § 165 StGB.

eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 150 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen, verhängt.

Bei der Strafbemessung waren bei Siegfried A erschwerend die zahlreichen, zum Teil gewichtigen einschlägigen Vorstrafen, der überaus rasche Rückfall, wobei zu berücksichtigen war, daß er auch schon nach früheren Haftstrafen immer bereits kurze Zeit nach Strafverbüßung wieder rückfällig wurde, das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit mehreren Vergehen, die wiederholte Begehung von Diebstählen über den Zeitraum von annähernd einem Jahr, die Wiederholung verschiedener anderer Delikte, der Umstand, daß in Ansehung der Diebstähle der hohe Strafsatz auf zweifache Weise hergestellt wird sowie daß in Ansehung der Diebstähle der relevante Betrag von 100.000 S um ein Vielfaches überschritten wurde; mildernd hingegen waren lediglich das Geständnis, das zwar nicht reumütig war, mit dem er aber wesentlich zur Aufklärung verschiedener Straftaten beigetragen hat, daß es ferner bei einer Reihe von Straftaten beim Versuch geblieben war und ein, wenn auch kleiner Teil der Diebsbeute sichergestellt werden konnte.

Bei B war erschwerend, daß zwei deliktische Angriffe gesetzt wurden, mildernd hingegen war die Zustandebringung der Stereoanlage. Der Tagessatz wurde unter Zugrundelegung eines Monatseinkommens von 8.000 S und in Berücksichtigung der Sonderzahlungen festgesetzt. Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte A eine Herabsetzung des Strafmaßes und die Eliminierung des Ausspruchs über seine Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter gemäß § 23 StGB.

Die Angeklagte B strebt eine Ermäßigung der Geldstrafe an; erst im Gerichtstag hat ihr Verteidiger erklärt, auch die Gewährung der bedingten Strafnachsicht zu begehren.

Rechtliche Beurteilung

Eine Prüfung des Schuldspruchs anläßlich der Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde ergab, daß das Gesetz insofern zum Nachteil des Angeklagten Siegfried A unrichtig angewendet wurde (§ 281 Abs 1 Z. 10 StPO.), als ihm die Anbringung der zuvor veränderten Kennzeichentafeln N 802.393, N 326.422 und N 637.301 an gestohlenen Kraftfahrzeugen sowie die Benützung dieser Fahrzeuge nicht nur als das Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden (I 2 bis 4), sondern auch als versuchte Täuschung (J 4 bis 6) zur Last gelegt wurde. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre indes der Gebrauch verfälschter Kennzeichentafeln bei der Teilnahme am öffentlichen Verkehr nur dem erstgenannten Tatbild zu unterstellen gewesen. Denn durch diesen wurde nach Lage des Falls ein über die durch den festgestellten Gebrauch einer solchen Urkunde im Rechtsverkehr (§ 223 Abs 2 StGB.) regelmäßig implizierte Täuschung über Tatsachen - verbunden mit der daraus resultierenden Beeinträchtigung des konkreten staatlichen Rechts, unrechtmäßig erlangte Kraftfahrzeuge von der Verwendung auf Straßen mit öffentlichem Verkehr auszuschließen - hinaus ein Schaden an konkreten (staatlichen) Rechten nicht herbeigeführt (LSK 1980/155).

Es war sohin gemäß § 290 Abs 1 StPO. das Urteil in Ansehung des Angeklagten Siegfried A in den Punkten J 4, 5 und 6 des Schuldspruchs betreffend die Begehung des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs 1 StGB. auch durch die in diesen Punkten bezeichneten Handlungen (in Tateinheit mit dem Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223, 224 StGB. laut den Punkten I 2, 3 und 4 des Urteilssatzes), sowie in dem den Angeklagten Siegfried A betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Anordnung seiner Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter gemäß § 23 StGB.) aufzuheben. In der hiedurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe nach den §§ 28, 130 StGB. hält auch der Oberste Gerichtshof beim Angeklagten A trotz der geringfügigen Modifikation des Schuldspruchs, dem nur formale Bedeutung zukommt, eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren für angemessen. Zwar können Tatwiederholung, rascher Rückfall und die einschlägige Vorkriminalität bei gewerbsmäßiger Tatbegehung des Diebstahls in aller Regel keine eigenständige erschwerende Bedeutung beanspruchen (Leukauf-Steininger2 RN. 5 zu § 33 StGB.), doch kann bei der außerordentlichen Vielzahl der Fakten hier von einem Regelfall keine Rede sein. Für die übrigen Delikte bleiben jedenfalls alle diese Erschwerungsgründe uneingeschränkt wirksam. Die Konkurrenz des Diebstahls mit anderen Delikten, der insgesamt exorbitant hohe Schaden (bei Diebstahl und Sachbeschädigung) und die verstärkte Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des § 130 StGB. (gewerbsmäßige Begehung von Diebstählen durch Einbruch und mit Waffen) waren darüber hinaus als erschwerend anzusehen; als mildernd bleibt es bei den vom Erstgericht herangezogenen Zumessungsgründen. Das Erstgericht hat durchaus überzeugende Argumente für die Anwendung der Höchststrafe des § 130 StGB. angeführt, die es trotz gesetzlicher Voraussetzungen für die Anwendung der außerordentlichen Strafschärfung nach § 39 StGB. noch für ausreichend hielt. Die von der Berufung ins Treffen geführten Gesichtspunkte können den Blick für die sich bei einer Gesamtbetrachtung der kriminellen Aktivität des Angeklagten offenbarende, außerordentliche Gefährlichkeit dieses unverbesserlichen Rückfallstäters nicht trüben, der seit Jahren jedem arbeitsamen Lebenswandel beharrlich aus dem Weg geht und dessen ausgeprägte verbrecherische Neigungen jede Hoffnung auf eine mögliche Resozialisierung schwinden lassen.

Zurecht hat daher das Erstgericht in dieser Hinsicht keine Erwartungen an die Wirkung eines neuerlichen Strafvollzugs geknüpft und die Unterbringung dieses Angeklagten in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter angeordnet, welcher nach der besonderen Lage dieses konkreten Falls die Verhängung einer langen Freiheitsstrafe deshalb nicht entgegensteht, weil nach deren Verbüßung noch vor der überstellung des Rechtsbrechers in jene Anstalt das Gericht ohnehin von Amts wegen zu prüfen haben wird, ob die Unterbringung noch notwendig sein wird (LSK 1980/70). Mag sein, daß sich dann wider Erwarten nach der Strafverbüßung eine solche positive Prognose stellen lassen wird; aus derzeitiger Sicht kann jedenfalls nach dem bisherigen Verhalten dieses Rechtsbrechers eine so optimistische Einstellung mit Grund nicht vertreten werden, weshalb auch der Oberste Gerichtshof (nach der Aufhebung des mit dem Strafausspruch formell kassierten Ausspruchs gemäß § 23 Abs 1 StGB.) die Unterbringung dieses Angeklagten in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter gemäß § 23 Abs 1 StGB. anordnet. Die Angeklagte B hat nichts vorgebracht, was eine Herabsetzung der über sie verhängten Geldstrafe rechtfertigen könnte, weshalb ihrer Berufung gegen das Strafausmaß ein Erfolg zu versagen war; die erstmals im Gerichtstag erhobene Berufung wegen Gewährung der bedingten Strafnachsicht war als verspätet zurückzuweisen, weil dieser Berufungsgrund weder bei der Berufungsanmeldung (X, S. 14) noch in einer rechtzeitigen Ausführung (siehe X, S. 62) bezeichnet worden war (§§ 294 Abs 1, Abs 2, 296 Abs 3 StPO.).

Der Angeklagte A war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen. Die den Genannten betreffenden Aussprüche gemäß § 26 Abs 1 StGB., gemäß § 38 Abs 1 Z. 1 StGB. und § 389 StPO. waren aus dem Ersturteil zu übernehmen.

Anmerkung

E03057

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0130OS00014.81.0326.000

Dokumentnummer

JJT_19810326_OGH0002_0130OS00014_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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