Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25. November 1981
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hoch als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter A ua wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten Peter A und Maria B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Juni 1981, GZ 2 d Vr 1350/81-44, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Weiß und Dr. Doczekal sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Stöger zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen den beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16. Mai 1938 geborene Peter A zu A 1 und 2 des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs 1 Z 1 (gemeint: Z 7) StGB, zu D des Vergehens der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1 erster Fall StGB, die am 14. Juni 1958 geborene Maria B zu B des Vergehens der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach dem § 289
StGB, zu C des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs 1 StGB und zu D des Vergehens der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Diese Schuldsprüche werden vom Angeklagten Peter A (allerdings nur hinsichtlich der Qualifikation der Sachbeschädigung als schwer) aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO, von der Angeklagten Maria B unter Bezugnahme auf
die Z 5, 9 lit a und lit b des § 281 Abs 1
StPO jeweils mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter A:
Der Beschwerdeführer bezeichnet die Feststellung des Erstgerichtes, derzufolge die Höhe des durch die Tat zu A 1, nämlich das Zerstären zahlreicher Fensterscheiben der Wohnung der Mag. Sigrid C durch Steinwürfe in insgesamt fünf Angriffen, herbeigeführten Schadens (von insgesamt 8.142 S) von seinem Vorsatz umfaßt war, als unzureichend begründet. Das Erstgericht habe es unterlassen, Zahl und Gräße der Fensterscheiben festzustellen, sodaß eine Beurteilungsgrundlage für diese Annahme fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die Mängelrüge versagt.
Wohl begnügte sich das Erstgericht, insoweit auf die zahlreichen Angriffe des Angeklagten zu verweisen, durch die ihm zu den späteren Tatzeitpunkten der Eintritt eines 5.000 S übersteigenden Schadens auch subjektiv vorhersehbar war (S 255). Das reicht jedoch im vorliegenden Fall durchaus hin. Denn der Beschwerdeführer, der sich zwar nicht schuldig bekannte und die ihm angelasteten Sachbeschädigungen überhaupt bestritt, brachte keineswegs vor, daß sein Vorsatz etwa nur auf einen geringeren, die Qualifikatonsgrenze keineswegs übersteigenden Schaden gerichtet oder daß er in einem Irrtum über die Höhe des durch seine Angriffe bewirkten Sachschadens befangen gewesen sei. Die vom Erstgericht dem Schuldspruch ersichtlich zugrundegelegte Annahme, der Angeklagte A habe die Zufügung eines 5.000 S übersteigenden Schadens ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, bedurfte im übrigen auch deshalb keiner eingehenderen Begründung, weil der durch Einwerfen einer Fensterscheibe angerichtete ungefähre Sachschaden in der allgemeinen Lebenserfahrung liegt und die ziffernmäßig genaue Kenntnis des Schadens nicht erforderlich ist. Es genügt vielmehr, wenn dieser annähernd in der Vorstellung des Täters liegt. Daß dies beim Angeklagten zutraf, der Zahl und Gräße der von ihm eingeschlagenen Fenster, die sich aus den vom Erstgericht verwerteten (S 257) Beilagen B und C zu ON 43 ergeben, kannte, war nicht zweifelhaft. Der behauptete Begründungsmangel liegt somit nicht vor.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Maria B:
Dieser Beschwerdeführerin liegt - kurz zusammengefaßt - zur Last, als Zeuge falsch ausgesagt zu haben, und zwar einerseits am 9. Jänner 1981 in der Strafsache 5 U 843/80 des Strafbezirksgerichtes Wien vor dem Koär Mag. Richard D des Polizeikommissariates Wien 1 und am 18. Februar 1981 vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien dahin, daß Peter A zur Zeit der ihm vorgeworfenen Sachbeschädigungen in ihrer Gesellschaft gewesen wäre (B 1 und C), andererseits am 6. Februar 1981 vor dem Abteilungsinspektor E des Sicherheitsbüros und abermals am 18. Februar 1981 vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien dahin, sie habe A zu seiner Vernehmung in das Kommissariat Mariahilf begleitet und gesehen, wie er nach Verlassen des Zimmers einen Tritt von einem Männerschuh gegen den Oberschenkel erhielt (B 2 und C), und überdies im bewußten und gewollen Zusammenwirken mit Peter A am 6. Februar 1981 den Polizeikommissär Dr. Janos F durch ihre Angaben laut B 2 der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt zu haben, wobei sie wußte, daß die Verdächtigung falsch war (Punkt D b). In Ausführung der Mängelrüge nach dem § 281 Abs 1 Z 5 StPO behauptet die Beschwerdeführerin zunächst Aktenwidrigkeit der ihrer Ansicht nach für die Beweiswürdigung bedeutsamen Feststellungen des Erstgerichtes, daß sich Berthilde G während des Vorfalls am 6. Februar 19hä im Zimmer des Polizeikommissärs Dr. F befand, daß die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, daß sie (Beschwerdeführerin) der Geheimprostitution nachgehe und daß die Zeugin Dr. H (nicht vom Angeklagten A, sondern) von einem unbekannten Mann zur Diagnostizierung der dem Erstangeklagten angeblich von Dr. F zugefügten Verletzungen aufgesucht wurde. Diesem Vorbringen ist zunächst zu entgegnen, daß Aktenwidrigkeit, den - hier gar nicht behaupteten - erheblichen Widerspruch zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder einer gerichtlichen Aussage und der Urkunde oder dem Vernehmungsprotokoll selbst voraussetzt. Die besagten Feststellungen sind aber auch nicht etwa unzureichend begründet: So ergibt sich die vorerwähnte Anwesenheit der Vertragsbediensteten G, auf deren zeugenschaftliche Einvernahme in der Hauptverhandlung verzichtet wurde (S 244), sowohl aus in der Hauptverhandlung verlesenen (S 245) Schriftstücken, nämlich der Anzeige (S 28) und deren Aussage im Vorverfahren (S 73) als auch aus der Verantwortung des Erstangeklagten in der Hauptverhandlung selbst (S 221). Die erstgerichtliche Feststellung, daß A zur Attestierung der ihm seiner (verleumderischen) Behauptung nach bei seiner polizeilichen Einvernahme zugefügten Verletzungen einen unbekannten Mann zur Ärztin Dr. H schickte (S 264, 270), findet in der Aussage dieser Zeugin (S 223 f) Deckung. Die Vermutung des Gerichtes schließlich, daß die Beschwerdeführerin der Geheimprostitution nachgehe, ist für den Schuldvorwurf bedeutungslos.
Soweit die Beschwerdeführerin in der Folge gegen den auf der Aussage der Zeugin Dr. H (S 224) beruhenden Hinweis des Gerichtes, daß die von ihr beschriebenen Verletzungen am Oberschenkel nur dann von einem Fußtritt herrühren könnten, wenn der Schuh mit einer Eisenspitze versehen war (S 269), einwendet, daß eine solche Feststellung nur auf Grund eines Sachverständigengutachtens getroffen werden könnte, übersieht sie, daß sie selbst ein solches Gutachten nicht beantragte. Wenn der Schöffensenat sich bei der besagten Feststellung auf die Zeugenaussage der als sachverständig einzustufenden Ärztin Dr. H stützte, so liegt darin keine den Denkgesetzen widersprechende Begründung, sondern ein der Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entrückter Vorgang der Beweiswürdigung. Dem Urteil haftet daher die behauptete formelle Nichtigkeit nicht an.
Mit der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) wird lediglich der Schuldspruch wegen falscher Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde zu B 1 und 2 bekämpft.
Gegen den Schuldspruch zu B 2 bringt die Beschwerdeführerin vor, es habe sich nicht um eine Zeugenaussage vor einer Verwaltungsbehörde, sondern lediglich um eine Anzeige gehandelt. Dem steht die Urteilsfeststellung, wonach die Beschwerdeführerin vor dem Sicherheitsbüro der Bundespolizeidirektion Wien (also unstreitig einer Verwaltungsbehörde) als Zeugin zur gegenständlichen Anzeige ihres Lebensgefährten vernommen wurde, entgegen (S 265). Daß dieser Vernehmung keine Ladung voranging, widerstreitet - entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin - nicht dem Erfordernis der färmlichen Vernehmung zur Sache.
Gegen die Subsumtion beider, am 9. Jänner und am 6. Februar 1981 vor Verwaltungsbehörden abgelegten Aussagen unter den § 289 StGB wendet die Beschwerdeführerin ein, daß sie später diese Aussagen vor dem Untersuchungsrichter wiederholt habe und der deshalb ergangene Schuldspruch (C) auch das Unrecht der vorangegangenen, auf einem einheitlichen Willensentschluß beruhenden Aussagen umfasse. Dem ist jedoch zu erwidern, daß dem Gesetz ein Realkonkurrenz zwischen (selbständigen) Aussagen vor Gericht und Verwaltungsbehörde ausschließender Fortsetzungszusammenhang fremd ist. Der Annahme eines solchen Zusammenhangs zwischen falschen Beweisaussagen vor der Verwaltungsbehörde und vor Gericht steht nämlich schon der Umstand entgegen, daß es sich um verschiedene Delikte (namentlich die Tatbestände nach den §§ 288 und 289 StGB) handelt. Daran vermag der möglicherweise vorliegende, vom Erstgericht aber nicht festgestellte einheitliche Tatplan der Beschwerdeführerin, der sie zur Ablegung falscher Aussagen zunächst vor der Verwaltungsbehörde, dann vor dem Untersuchungsrichter bestimmte und der dann wohl auch die Verleumdung des Polizeikommissärs Dr. F umfaßte, nichts zu ändern.
Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9
lit b StPO bringt die Beschwerdeführerin, offenbar sowohl die Schuldsprüche zu B und C als auch jenen zu D wegen Verleumdung bekämpfend, vor, sie sei durch Notstand im Sinn des § 10 StGB exkulpiert, weil im Urteil erwähnt werde, es bestehe die hohe Wahrscheinlichkeit, daß sie der Geheimprostitution nachgehe und der Erstangeklagte ihr Zuhälter sei. Das Erstgericht hätte davon ausgehend weiters feststellen müssen, daß 'für den Fall der Nichtbefolgung einer vom Zuhälter gewünschten Handlungsweise nur allzu leicht Mißhandlungen und kärperliche Verunstaltungen erwartet werden konnten.' Entgegen diesem Vorbringen bestand jedoch für solche Feststellungen kein Anlaß. Die Beschwerdeführerin verantwortete sich nämlich niemals in dieser Richtung. Der Umstand allein, daß sie möglicherweise der Geheimprostitution nachgeht und mit dem Erstangeklagten in Lebensgemeinschaft lebt (daß dieser ihr Zuhälter sei, wurde vom Erstgericht gar nicht ausgesprochen und von der Angeklagten sogar ausdrücklich bestritten /s S 200/), bietet für die Annahme, sie habe die Straftaten nur begangen, um einen unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil von sich abzuwenden, keine Grundlage. Es fehlt daher schon an der ersten Voraussetzung für die Zubilligung entschuldigenden Notstands nach dem § 10 StGB
Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren somit zu verwerfen. Das Erstgericht verhängte über die Angeklagten unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB Freiheitsstrafen, und zwar über Peter A nach dem § 126 Abs 1 StGB in der Dauer von zwälf Monaten, über Maria B nach dem § 288 Abs 1 StGB in der Dauer von fünf Monaten, wobei der Letztgenannten bedingte Strafnachsicht gemäß dem § 43 Abs 1
StGB (Probezeit drei Jahre) gewährt wurde. Bei der Strafbemessung wurde als erschwerend bei beiden Angeklagten die Tatwiederholung und das Zusammentreffen mehrerer Delikte, bei A überdies die einschlägigen Vorstrafen, als mildernd bei A nichts, bei B aber deren Unbescholtenheit in Betracht gezogen.
Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagte eine Strafermäßigung, die Angeklagte B auch eine Verkürzung der Probezeit an. Die Berufungen sind nicht berechtigt.
Die Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz im wesentlichen richtig und vollständig angeführt. Neue Gesichtspunkte, die die Taten in milderem Licht erscheinen lassen könnten, vermochten auch die Berufungswerber nicht mit Grund vorzubringen. Insbesondere fehlen Anhaltspunkte für die Zubilligung des von der Angeklagten B für sich in Anspruch genommenen Milderungsgrundes nach dem § 34 Z 11 StGB Dem Angeklagten A hinwieder wurde zutreffend auch die (schuldmehrende) Wiederholung der Sachbeschädigung trotz der (vor allem den Unrechtsgehalt der Tat erfassenden) Wertqualifikation in Rechnung gestellt.
Das vom Schöffengericht jeweils gefundene Strafmaß kann bei beiden Angeklagten nicht als überhöht bezeichnet werden. Zu seiner Reduzierung besteht daher kein Anlaß.
Einer Verkürzung der Maria B gesetzten Probezeit stehen aber schon das Zusammentreffen dreier Delikte und die Wiederholung der falschen Beweisaussage (B des Urteilssatzes) entgegen.
Mithin konnte auch den Berufungen kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.
Anmerkung
E03479European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0110OS00164.81.1125.000Dokumentnummer
JJT_19811125_OGH0002_0110OS00164_8100000_000