TE OGH 1984/6/14 12Os88/84

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Veröffentlicht am 14.06.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juni 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr. Schneider und Dr. Hörburger (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Korschelt als Schriftführerin in der Strafsache gegen Otto Karl A wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 3. Februar 1984, GZ 10

Vr 72/83-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Wippel zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahren zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3. März 1923 geborene Pensionist Otto Karl A des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 3. September 1982 in Wiener Neustadt dadurch, daß er dem Franz B einen heftigen Stoß versetzte, durch welchen dieser zu Sturz kam, eine Gehirnerschütterung, einen Schädelbruch rechts, oberflächliche Hautabschürfungen an der Stirn und am rechten Ohr sowie am rechten Handrücken, eine Prellung der rechten Schulter und eine Prellung der Brustwirbelsäule erlitt und infolge des verletzungsbedingten Krankenlagers (am 12. November 1982) verstarb, fahrlässig den Tod des Franz B herbeigeführt.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 9 (gemeint: lit b) und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich der Beschwerdeführer aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund gegen die auf Grund der Angaben des Babah C getroffene Urteilsannahme wendet, er habe Franz B einen heftigen Stoß versetzt, und die Verläßlichkeit dieser ihn belastenden Zeugenaussage deshalb in Zweifel zieht, weil diese in Widerspruch zu den Aussagen der Zeugen Mathilde A und Sieglinde D sowie zu seiner Verantwortung stehe, stellt das Vorbringen einen im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen und demnach unbeachtlichen Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes dar, welches unter ausdrücklicher Ablehnung der Tatversion des Angeklagten sowie der genannten Zeugen und auch jener der Henriette B der Darstellung des Babah C als einzigem völlig unbeteiligtem Tatzeugen Glauben geschenkt hat (vgl. S 163 d. A). Der Aussage dieses Zeugen in der Hauptverhandlung (vgl. S 80 ff) läßt sich auch nicht entnehmen, daß sie - wie die Mängelrüge behauptet - nur eine (vom Erstgericht nicht gewürdigte) 'bruchstückhafte Augenblickswiedergabe' des Vorfalls beinhaltet und der Zeuge erst die letzte Phase der Auseinandersetzung gesehen hat. Nicht zielführend ist der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Gutachten des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Prim.Dr.Heinrich E, wonach bei ihm als Folge einer Schädeleröffnung wegen eines Aneurysmas reaktive Störungen in Form einer außerordentlichen Erwartungsangst vor einer neuerlichen Blutung aufgetreten seien. Einen solchen Zustand hat das Gericht auf Grund dieses Gutachtens auch als erwiesen angenommen (vgl. S 160 u. S 162). Dieser die Hemmfähigkeit allenfalls mindernden psychischen Besonderheit hätte aber nur dann aktuelle Bedeutung beigemessen werden können, wenn man der Darstellung des Angeklagten über den Tathergang (er sei von Franz B von hinten erfaßt und geschüttelt worden, er habe diesen dann nur aus Angst, einen Schlag auf den Kopf zu erhalten, 'abgeschüttelt') folgen würde (vgl. S 139 ff d.A). Dieser Version wurde aber der Glauben versagt (vgl. S 162-164). Es stellt daher keine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung dar, wenn vom Erstgericht ein Beweisergebnis nicht verwertet worden ist, welchem nur im Falle der Richtigkeit der vom Gericht als unglaubwürdig abgelehnten Verantwortung des Angeklagten Erheblichkeit beizumessen gewesen wäre.

Daß der gerichtsmedizinische Sachverständige Prim.Dr. Ernst F zur Stoßintensität vom medizinischen Standpunkt aus keine konkrete Aussage machen konnte (vgl. S 91 d.A), hinderte das Gericht keineswegs, sich auf Grund anderer Beweisergebnisse die überzeugung zu verschaffen, daß es sich um einen heftigen Stoß gehandelt hat, welcher den am 24. Jänner 1903 geborenen Franz B auf Grund seines hohen Alters zum Sturz brachte (vgl. S 161 d.A). Die Behauptung, daß dies aktenwidrig sei, geht schon deshalb fehl, weil eine Aktenwidrigkeit im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nur vorläge, wenn im Urteil der eine entscheidende Tatsache betreffende Inhalt einer (verwerteten) Aussage oder eines anderen Beweismittels unrichtig wiedergegeben würde (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO, Nr 185 ff bei § 281 Z 5).

Mit der Behauptung, ihm hätte Notwehr gemäß § 3 StGB zugebilligt werden müssen, macht der Beschwerdeführer der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO geltend. Insoweit entbehrt seine Beschwerde jedoch einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung, weil vom Erstgericht schon bei Lösung der Tatfrage das Vorliegen eines gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriffes des Franz B gegen die körperliche Integrität des Angeklagten (oder eines Dritten), dessen Abwehr das inkriminierte Tatverhalten des Angeklagten hätte dienen können, verneint und als erwiesen angenommen worden ist, daß Franz B dem Angeklagten lediglich erregt entgegengetreten war und ihm Vorhalte gemacht hatte (vgl. S 161 f d.A).

Schließlich stellt der Beschwerdeführer in Abrede, daß der Eintritt des Todes des Franz B eine für ihn vorhersehbare Folge seines Handelns gewesen sei, welche ihm nach § 80 StGB strafrechtlich zugerechnet werden kann. Seiner Ansicht, daß die Todesfolge selbst für einen objektiven, unbeteiligten und normgerechten Beobachter nicht zu erwarten, sondern völlig außerhalb des zu erwartenden Geschehnisablaufes gelegen sei, kann jedoch keineswegs beigepflichtet werden.

§ 80 StGB ist ein Verletzungsdelikt, der tödliche Erfolg kann dem Täter nur dann zugerechnet werden, wenn sich die Fahrlässigkeit des Täters auch auf diesen Erfolg erstreckt hat, der Täter also vorhersehen konnte, daß aus seinem Verhalten der Tod eines Menschen eintreten kann.

Grundsätzlich wird der Erfolg dann (objektiv) voraussehbar sein, wenn er nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eintreten konnte (Leukauf-Steininger, StGB 2 , § 80 RN 38 und 40) und Erfolgseintritt und Kausalablauf nicht gänzlich außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegen. Dabei genügt Erkennbarkeit eines nicht völlig atypischen, sondern vielmehr nach der Erfahrung denkmöglichen Verlaufs im allgemeinen (Steininger, Die moderne Strafrechtsdogmatik und ihr Einfluß auf die Rechtsprechung, ÖJZ 1981, 370). Davon ausgehend kann es vorliegend nicht zweifelhaft sein, daß der Erfolgseintritt objektiv vorhersehbar war; ebensowenig fehlt es aber an der subjektiven Vorhersehbarkeit des Erfolgs. Denn für den Angeklagten war angesichts seiner intellektuellen Fähigkeiten, wie sie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. E (vgl. insb. S 137) ergeben, durchaus vorhersehbar, daß ein 80-jähriger, schon auf Grund seiner äußeren Erscheinung als solcher erkennbarer (vgl. S 164 d. A) alter Mann durch einen heftigen Stoß zu Sturz kommen, mit dem Kopf auf dem Boden aufschlagen und sich dabei eine Schädelverletzung zuziehen kann, woraus letztlich der Tod des Verletzten folgt. Konkrete Anhaltspunkte dahin, daß es beim Angeklagten zur Tatzeit an dieser Einsicht gefehlt haben könnte, sind jedenfalls nicht hervorgekommen.

Daß eine an sich schwere Schädel-Hirn-Verletzung, auch wenn sie nicht schon nach ihrer allgemeinen Natur den Tod des Verletzten herbeiführt, bei alten Menschen auf Grund eines verletzungsbedingten Krankenlagers oder Hinzutretens anderer Komplikationen den Tod zur Folge haben kann, liegt - der Ansicht des Beschwerdeführers zuwider - durchaus im Rahmen der allgemeinen Lebenserfahrung und ist bei Aufwendung der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt als mögliche Folge eines zum Sturz des Opfers führenden heftigen Stoßes auch allgemein erkennbar.

Das Erstgericht hat deshalb im vorliegenden Fall die (objektive und subjektive) Vorhersehbarkeit der besonderen Tatfolge (§ 80 StGB) und demzufolge die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten für deren Eintritt ohne Rechtsirrtum bejaht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Anmerkung

E04735

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0120OS00088.84.0614.000

Dokumentnummer

JJT_19840614_OGH0002_0120OS00088_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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