Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juli 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini (Berichterstatter), Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner und Hon. Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Wittmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Felix A (und einen anderen Angeklagten) wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB und anderer Delikte über die Berufung des Angeklagten A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. Oktober 1983, GZ 9 d Vr 5.947/82-106, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Gehart und des Verteidigers Dr. Mondel, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Felix A nachstehender, teils im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit der am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligten Elfriede B als Mittäter verübter strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zwar:
zu I A 1 des am 30. April 1982 in Wien begangenen Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 (zu ergänzen: erster Fall) StGB, weil er und Elfriede B die Polizeibeamten Revierinspektor Johann C und Inspektor Robert D, die im Begriffe waren, sie festzunehmen und zum nächstgelegenen Bezirkspolizeikommissariat zu eskortieren, durch Versetzen von Schlägen und Tritten ins Gesicht und gegen die Schienbeine sowie durch Würgen am Hals, sohin mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versuchten;
zu I A 2 des Vergehens der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB, weil er und B durch die unter Punkt 1 geschilderten Angriffshandlungen die Beamten C und D wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben am Körper verletzen wollten; zu I B und zu II des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, weil er (zu I B) am 30. April 1982 in Wien den Karl E durch Ausreißen von Kopfhaaren und Versetzen eines Faustschlages gegen den rechten Oberarm, der einen Bluterguß zur Folge hatte, und (zu II) am 8. August 1982 (zu ergänzen: in Wien) den Franz F durch Versetzen mehrerer Messerstiche, wodurch dieser drei Stichwunden und Schnittverletzungen am linken Oberschenkel und am rechten Unterschenkel erlitt, am Körper leicht verletzte;
(zu III) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach (zu ergänzen:
§ 83 Abs. 1) § 84 Abs. 1 StGB, weil er am 6. Oktober 1982 (zu ergänzen: in Wien) dem Heinz G (richtig: H, vgl ON 47/I, insbes S 207) durch Versetzen mehrerer Messerstiche gegen den Unterarm, wodurch dieser im Bereich des linken Unterarms stark blutende Stichverletzungen mit Nervendurchtrennung erlitt, eine schwere Körperverletzung zufügte.
Der Angeklagte A wurde hiefür nach §§ 28, 39, 84 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Jahren verurteilt. Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht die Vielzahl der einschlägigen Vorstrafen sowie das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und die Begehung weiterer strafbarer Handlungen während der Anhängigkeit eines gerichtlichen Strafverfahrens als erschwerend, als mildernd hingegen ein Teilgeständnis und den Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben war.
Die vom Angeklagten A gegen einige Punkte des Schuldspruchs erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist vom Obersten Gerichtshof bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung mit Beschluß vom 26. Juni 1984, GZ 10 Os 97/84-8, zurückgewiesen worden.
Im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung war demnach nur mehr über die Berufung des Angeklagten zu entscheiden, mit welcher dieser eine Herabsetzung des Strafmaßes mit der Begründung anstrebt, das Erstgericht hätte zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB angenommen und überdies als mildernd zu werten übersehen, daß er die Straftaten unter 'nicht allzu geringem Alkoholeinfluß begangen habe', sowie daß es sich bei den Fakten F und H um milieubedingte Streitigkeiten handelte.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung erweist sich als unbegründet.
Die Voraussetzungen für eine Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB liegen vor. Der Angeklagte wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien zum AZ 7 a Vr 5767/71 mit Urteil vom 22. Oktober 1971 wegen der §§ 81, 98 lit b, 411 und 468 StG zu einer schweren Kerkerstrafe in der Dauer von 10 Monaten rechtskräftig verurteilt (Strafregisterauskunft S 13/I Punkt 20). Diese Strafe hat er unter teilweiser Anrechnung der Untersuchungshaft am 18. Mai 1972 (im Urteil S 488/I unrichtig: 1982) verbüßt. Am 18. März 1977, also innerhalb der im § 39 StGB normierten fünfjährigen Frist (die vorliegend zudem gemäß Par 39 Abs. 2 StGB um jene Zeiträume, während welcher der Angeklagte auf behördliche Anordnung angehalten worden ist, verlängert wurde), beging der Angeklagte eine weitere Straftat, welche ihm vom Landesgericht für Strafsachen Wien im Urteil vom 25. November 1977, GZ 4 b Vr 2675/77-54 (rechtskräftig seit 4. April 1978), als Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB zur Last gelegt wurde. Die hiefür über ihn verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Jahren hatte er am 12. August 1980 verbüßt (Punkt 23 der obzitierten Strafregisterauskunft). Die verfahrensgegenständlichen Straftaten hat er ausnahmslos innerhalb eines Zeitraumes von 5 Jahren seit Verbüßung der zuletzt angeführten Verurteilung verübt. Demzufolge sind die Voraussetzungen des § 39 StGB, wie das Erstgericht zutreffend erkannte, erfüllt.
Der Umstand, daß der Angeklagte bei der Begehung der Taten unter Alkoholeinfluß stand, kann ihm nicht als mildernd zugebilligt werden, weil die dadurch jeweils bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit, vor allem im Hinblick darauf, daß er auch früher Straftaten wiederholt in alkoholisiertem Zustand setzte, durch den mit dem Genuß des berauschenden Mittels den Umständen nach begründeten Vorwurf aufgewogen wird.
Fehl geht schließlich auch der Hinweis des Angeklagten, es habe sich bei den Fakten F und H nur um milieubedingte Streitigkeiten gehandelt. Franz F hat zwar nicht als schwer gewertete, aber dennoch als nicht unbeträchtlich zu bezeichnende Stichwunden erlitten, welche die Aufnahme und mehrtägige stationäre Behandlung im Krankenhaus erforderlich machten (S 491 f/I). Die dem Heinz H zugefügten Verletzungen hingegen sind nicht nur an sich schwer, sondern bedingten auch einen langen Heilungsprozeß, wenngleich Dauerfolgen nicht eingetreten sind (S 493 f/I ua).
Nach der Aktenlage hat F dem Angeklagten nicht den geringsten Anlaß zu irgendwelchen Aggressionsakten gegeben; dem Heinz H fügte der Angeklagte die schweren Stichverletzungen um 2 Uhr in der Frühe zu, wobei er den Verletzten, der bereits geschlafen hatte und sich demnach in einem schlaftrunkenen Zustand befand, in heimtückischer Weise überraschte (S 492 f/I ua). Von 'milieubedingten Streitigkeiten' kann angesichts der vom Angeklagten allein ausgehenden schweren und wiederholten Angriffe auf die körperliche Integrität anderer Menschen nicht die Rede sein.
Die in der Berufung behaupteten weiteren mildernden Umstände sind somit samt und sonders nicht gegeben.
Zu Unrecht hat allerdings das Erstgericht dem Angeklagten sämtliche einschlägigen Vorstrafen als erschwerend angelastet; da es vorliegend eine Strafschärfung unter Anwendung des § 39 StGB vornahm, hätte es lediglich die über die Voraussetzungen des § 39 StGB hinausgehenden, allerdings immer noch zahlreichen einschlägigen Vorstrafen als Erschwerungsgrund werten dürfen.
Diesem vom Angeklagten gar nicht gerügten Umstand kommt allerdings nur geringe Bedeutung zu, zumal ein weiterer - vom Erstgericht nicht angenommener -
Erschwerungsgrund, nämlich die (nicht strafnormierende) Qualifikation beim Faktum I A 2, vorliegt. Insgesamt hat das Erstgericht unter Berücksichtigung des durchwegs schweren Schuld- und Unrechtsgehaltes der Straftaten des Angeklagten unter zutreffender Heranziehung der Bestimmung des § 39 StGB über die Strafschärfung bei Rückfall eine Strafe verhängt, deren Ausmaß - von 4 Jahren - keineswegs als überhöht angesehen werden kann, weshalb eine Herabsetzung nicht in Betracht gezogen werden konnte. Es mußte daher auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben.
Anmerkung
E04602European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0100OS00097.84.0717.000Dokumentnummer
JJT_19840717_OGH0002_0100OS00097_8400000_000