TE OGH 1985/2/14 6Ob689/84

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.02.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrude O*****, wider die beklagte Partei Fritz B*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens, in dem der Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 26. Juni 1984, 6 Ob 544/84 ergangen ist, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das im Punkt VII Z 20 des mit 26. Oktober 1984 datierten Schriftsatzes ausgeführte Begehren auf Wiederaufnahme des Verfahrens, in dem die Entscheidung dieses Gerichtshofs vom 26. Juni 1984, 6 Ob 544/84, ergangen ist, wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

In den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen bezirksgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten (zu 34 C 307/73 und 25 C 735/75 des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien) fällte das Berufungsgericht – nachdem es die wegen Nichtigkeit ausgeführte Berufung der nunmehrigen Rechtsmittelklägerin beschlussmäßig (§ 473 Abs 1 ZPO) verworfen (§ 480 Abs 2 ZPO) hatte – ein die erstinstanzliche Entscheidung bestätigendes Urteil (42 R 82/78 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien). In die Ausfertigungen dieses Urteils nahm es auch seinen Ausspruch über die Verwerfung der auf Nichtigkeit gestützten Berufung auf. Die für die nunmehrige Rechtsmittelklägerin bestimmte Ausfertigung der Entscheidung wurde ihrem Prozessbevollmächtigten am 18. Mai 1978 zugestellt.

Die erfolglos gebliebene Berufungswerberin erhob gegen die als Beschluss bezeichnete Berufungsentscheidung Rekurs, Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage. Die Rechtsmittelklagen nahm das im bezirksgerichtlichen Rechtsstreit als Berufungsinstanz eingeschrittene Gerichte in Behandlung (42 Nc 5/78 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien) und wies sie mit dem Beschluss vom 2. April 1981 zurück. Gegen diese Entscheidung (deren Anfechtbarkeit sich gemäß § 535 ZPO nach den Bestimmungen richtete, die für das höhere Gericht als Rechtsmittelinstanz maßgebend gewesen wären) erhob die Rechtsmitttelklägerin Rekurs.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof wies dieses – ihm gemäß § 3 Abs 2 JN vorgelegte – Rechtsmittel mit seinem Beschluss vom 19. Mai 1983, 6 Ob 713/82, wegen Versäumung der Rekursfrist zurück.

In der Folge bewilligte das Bezirksgericht mit dem Beschluss vom 15. Mai 1984, in der Fassung des Beschlusses vom 14. Juni 1984, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Rekurses gegen den Beschluss vom 2. April 1981 und hob gemäß § 150 Abs 1 ZPO den Zurückweisungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs vom 19. Mai 1983 auf.

Außer dem Wiedereinsetzungsantrag hatte die Rechtsmittelklägerin aber auch eine Nichtigkeitsklage gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 19. Mai 1983 und eine Wiederaufnahmsklage zur Wiedereröffnung des mit dem genannten Beschluss im Rechtsmittelstadium abgeschlossenen Rechtsmittelklageverfahrens erhoben.

Diese Rechtsmittelklage („zweiter Ordnung“) gegen die verfahrensbeendende Entscheidung und zur Wiederaufnahme des Verfahrens über die erste Rechtsmittelklage („erster Ordnung“) wies der Oberste Gerichtshof mit seinem Beschluss vom 26. Juni 1984, 6 Ob 544/84, wegen verfahrensrechtlicher Überholung durch die mittelweile bewilligte Wiedereinsetzung zurück.

Zufolge Bewilligung der Wiedereinsetzung führte der Oberste Gerichtshof das Verfahren über den vorerst als verspätet zurückgewiesenen Rekurs fort und fällte die Rekursentscheidung vom 12. Juli 1984, 6 Ob 614/84. Soweit sich die Rechtsmittelklägerin dagegen wendet (Punkt VII Z 21 ihres mit 26. Oktober 1984 datierten Schriftsatzes), ergeht eine abgesonderte Entscheidung.

Zur Darlegung der weiteren Einzelheiten des bisherigen Verfahrensverlaufs reicht im gegebenen Zusammenhang ein Hinweis auf die Sachverhaltsschilderungen in den zu 6 Ob 544/84 und 6 Ob 614/84 ergangenen Beschlüssen hin.

Das in der Eingabe vom 26. Oktober 1984 (Punkt VII Z 20) ausgeführte Wiederaufnahmebegehren strebt die Wiederaufnahme eines Rechtsmittelklageverfahrens zu einem Rechtsmittelklageverfahren an (Wiederaufnahmeklage „dritter Ordnung“).

Dazu ist zu erwägen:

Die Wiederaufnahmsklage leitet zwar ein formell selbständiges, nach seiner Funktion inhaltlich aber völlig auf das mit der vorangegangenen Sachentscheidung abgeschlossene Verfahren bezogenes Verfahren ein. Sie ist nicht Selbstzweck; ihr Rechtsschutzanspruch ist verfahrensrechtlicher Art, sie hat die Eröffnung einer neuerlichen Möglichkeit zur Sachbeurteilung des Verfahrensgegenstands im wiederaufzunehmenden Verfahren zum Inhalt. Als formell selbständiges Verfahren ist das Verfahren über eine Wiederaufnahmsklage seinerseits einer Wiederaufnahme aus den im Gesetz vorgesehenen Gründen zugänglich. Ein Verfahren zur Wiederaufnahme eines Rechtsmittelklageverfahrens steht aber in potenzierter Abhängigkeit vom Gegenstand des ursprünglichen Verfahrens.

Ein Wiederaufnahmebegehren wird seiner bestimmungsgemäßen Aufgabe, jeder theoretischen Erfolgsmöglichkeit und damit seines Sinnes und seiner Zulässigkeit beraubt, wenn die angestrebte Beseitigung des – in einer verfahrensbeendenden Sachentscheidung bestehenden – Hindernisses gegen eine Fortführung der Verhandlung zwecks Erreichung einer dem Wiederaufnahmswerber günstigeren Sachentscheidung deshalb nicht mehr möglich ist, weil die verfahrensbeendende Entscheidung bereits auf andere Weise aufgehoben wurde und die mit der Wiederaufnahmsklage angestrebte Fortführung eines früheren Verfahrens unabhängig vom Vorliegen der geltend gemachten Wiederaufnahmsgründe zu geschehen hat, sogar – wie im vorliegenden Fall – tatsächlich erfolgte und bereits zu einer neuerlichen verfahrensbeendenden Entscheidung geführt hat.

In diesem Sinne entschied der Oberste Gerichtshof mit seinem Beschluss vom 26. Juni 1984, 6 Ob 544/84. Das beendete zwar das Verfahren über die Rechtsmittelklage („zweiter Ordnung“), aber nur deshalb, weil das Verfahren über die erste Rechtsmittelklage („erster Ordnung“) weiterging und es dazu keines weiteren Rechtsbehelfes mehr bedurfte.

Der mit der nun vorliegenden Wiederaufnahmsklage („dritter Ordnung“) bekämpfte Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 26. Juni 1984, 6 Ob 544/84, bewirkte keinen Abschluss des Verfahrens über das Begehren der ersten Rechtsmittelklage (zu 42 Nc 5/78 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, damals im Rechtsmittelstadium zu 6 Ob 614/84). Die Entscheidung war vielmehr eine zwingende Folge der Durchführung dieses Verfahrens. Ihr fehlt die Eigenschaft einer Sachentscheidung, die das Verfahren abgeschlossen hätte; sowohl die als nichtig bekämpfte Entscheidung (der Zurückweisungsbeschluss zu 6 Ob 713/82) war endgültig beseitigt, als auch das mit diesem Zurückweisungsbeschluss beendete Rekursverfahren wieder in Gang gesetzt.

Der Zurückweisungsbeschluss vom 26. Juni 1984, 6 Ob 544/84, ist nach der konkreten Hintereinanderschaltung von Rechtsmittelklagen und deren verfahrensrechtlicher Zielsetzung, stufenweise die Hindernisse zu beseitigen, die einer neuen Sachbeurteilung im ursprünglich anhängigen bezirksgerichtlichen Rechtsstreit entgegenstehen, nicht als verfahrensbeendende, die Rechtsmittelklägerin belastende Sachentscheidung im Sinne des § 530 Abs 1 ZPO zu werten und damit kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für die vorliegende Wiederaufnahmsklage („dritter Ordnung“).

Da in der Zwischenzeit im Verfahren über das Nichtigkeits- und Wiederaufnahmeklagebegehren zu 42 Nc 5/78 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien die Rechtsmittelentscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 12. Juli 1984, 6 Ob 614/84, erflossen ist, könnten nur noch Rechtsmittelklagen gegen diese Entscheidung zulässig sein. Hierüber wird – dem Beschluss vom 24. Januar 1985, 3 N 514/84, gemäß – in geänderter Besetzung des Senats entschieden.

Das gegen den Beschluss vom 26. Juni 1984, 6 Ob 544/84, gerichtete Wiederaufnahmebegehren ist nach der dargelegten Verfahrenslage als unzulässig zurückzuweisen. Daher erübrigte sich die Einleitung jedes Verbesserungsverfahrens.

Textnummer

E115586

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00689.840.0214.000

Im RIS seit

13.09.2016

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten