Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dr. Walter Urbarz und Franz Erwin Niemitz, als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. Rüdiger A, Angestellter in Balingen, Eichenstrasse 21, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Peter Banwinkler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei B Aktiengesellschaft in Linz, Muldenstrasse 5, vertreten durch Dr. Heinz Oppitz und Dr. Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 657.324,34
brutto sA. abzüglich S 22.804,- netto (Revisionsstreitwert S 641.379,61 brutto abzüglich S 22.804,-
netto), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 10. Oktober 1984, GZ 12 Cg 25/84-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Linz vom 7. Mai 1984, GZ 2 Cr 221/83-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.492,44 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.400,- Barauslagen und S 1.281,13 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 1. Juli 1982 bei der beklagten Partei als Baustellenleiter beschäftigt. Das zuletzt mit 31. März 1983 befristete Arbeitsverhältnis sollte vereinbarungsgemäß in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit übergehen, wenn dem Kläger vor Ablauf dieser Frist 'keine weitere Nachricht zukomme'. Mit der Behauptung, daß er keine solche Nachricht erhalten, vielmehr das seit 1. April 1983 unbefristete Arbeitsverhältnis erst zum 31. Oktober 1983 selbst aufgekündigt habe, begehrt der Kläger von der beklagten Partei die Zahlung von insgesamt S 657.324,34 brutto sA (restliches Gehalt einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen bis zum 31. Oktober 1983, ferner Urlaubsentschädigungen und Urlaubsabfindung) abzüglich einer Teilzahlung von S 22.804,- netto.
Die beklagte Partei hat dieses Begehren dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Wegen massiver Beschwerden der ausländischen Auftraggeber habe der Kläger von seiner Baustelle in der DDR am 10. Februar 1983 vorzeitig abgezogen werden müssen. Anschließend hätten ihm seine Vorgesetzten zur Kenntnis gebracht, daß das bis 31. März 1983 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus nicht fortgesetzt werde. Obgleich der Kläger verpflichtet gewesen wäre, nach Beendigung eines einwöchigen Gebührenurlaubs seinen Dienst am 22. März, spätestens aber am 24. März 1983 wieder anzutreten, habe er sich bis 28. März 1983 nicht zum Dienst gemeldet. Die beklagte Partei habe ihm daher mit Schreiben vom 28. März 1983 mitgeteilt, daß sie seinen unbegründeten vorzeitigen Austritt rückwirkend mit 21. März 1983 zur Kenntnis genommen habe.
Erst am 31. März 1983 sei ihr dann eine - mit 25. März 1983 datierte, jedoch mit zahlreichen Mängeln behaftete - ärztliche Bescheinigung zugekommen, wonach der Kläger bis zum 31. März 1983 wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sei. Dennoch habe der Kläger weder am 1. April 1983 noch zu einem späteren Zeitpunkt seine Arbeit bei der beklagten Partei wieder aufgenommen.
Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei - insoweit rechtskräftig - zur Zahlung von S 15.944,73 brutto sA und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 641.379,61 brutto abzüglich S 22.804,-- netto sA ab. Seiner Entscheidung liegen folgende wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
Nach der Rückberufung des Klägers aus der DDR - welche auf eine Reihe berechtigter Vorwürfe des dortigen Sicherheitsbeauftragten zurückzuführen war - kam es zu einer Besprechung zwischen ihm und Dipl.Ing. Ludwig C, welcher bei der beklagten Partei als Direktor im Industrieanlagenbau beschäftigt und im Rahmen des zentralen Engineerings auch für alle Baustellen dieses Bereiches zuständig ist. Bei diesem Gespräch wurden zunächst die Gründe für die Rückberufung des Klägers von der Baustelle in der DDR erörtert; sodann teilte Dipl.Ing.C dem Kläger unter Hinweis auf die Befristung seines Arbeitsverhältnisses mit 31. März 1983
unmißverständlich mit, daß das Arbeitsverhältnis nicht verlängert werde. Auf eine Frage des Klägers, ob nicht ein Einsatz an einer anderen Baustelle, etwa in Libyen, mäglich wäre, verwies Dipl.Ing. C auf die dort bestehenden, noch viel strengeren Sicherheitsbestimmungen und insbesondere auf das strenge Alkoholverbot. Unmittelbar nach dem Gespräch mit dem Kläger informierte Dipl.Ing. C den unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers, Dipl.Ing. Gerd D, von dieser Unterredung und insbesondere davon, daß er dem Kläger bereits mitgeteilt habe, daß eine weitere Beschäftigung über den 31. März 1983 hinaus nicht mehr in Frage komme. Dipl.Ing. D - welchem als Leiter der Abteilung E 3 Baustellenführung und Montageplanung alle Baustellen des Industrieanlagenbaues der beklagten Partei unterstehen und der auch für die Entsendung des Personals auf die verschiedenen Baustellen zuständig ist - sagte dem Kläger gleichfalls, daß ein übergang des bis 31. März 1983 befristeten Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nicht mehr in Frage komme. Er richtete am 22. März 1983 an die für Personalentscheidungen zuständige Personalverwaltung der beklagten Partei ein Schreiben, wonach für den Kläger 'keine weitere geeignete Einsatzmöglichkeit' bestehe und der Kläger daher 'der Personalstelle zur Verfügung gestellt werde'. Nach dem Eingang dieses Schreibens wollte der Leiter der Personalverwaltung für Angestellte bei der beklagten Partei, Dr. Erich KR***, den Kläger zu sich bestellen; das war aber nicht möglich, weil der Kläger ab 15. März 1983 eine Woche Urlaub - mit der Möglichkeit einer überziehung um ein oder zwei Tage - bewilligt erhalten hatte. Ab 24. März 1983 war der Name des Klägers - dessen Urlaubsanschrift nicht bekannt war - in der täglichen Evidenzliste mit einem Fragezeichen versehen. Da der Kläger auch in den folgenden Tagen weder zum Dienst erschien noch einen Verhinderungsgrund bekanntgab, richtete die beklagte Partei am 28. März 1983 an den Kläger unter dessen Anschrift im Wohnhotel in Linz, Glimpfingerstraße 59, nachstehendes Schreiben:
'Betrifft: Ihr Dienstverhältnis.
Da Sie seit 22. März 1983 ohne Bekanntgabe eines Hinderungsgrundes nicht mehr zum Dienst erschienen sind, müssen wir annehmen, daß Sie an einer Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr interessiert sind. Ihr Dienstverhältnis wird daher rückwirkend mit 21. März 1983 infolge eines vorzeitigen Austrittes ohne wichtigen Grund aufgelöst.' Bei der Abfassung dieses Schreibens ging Dr. KR*** davon aus, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers am 31. März 1983 durch Zeitablauf enden werde und der Kläger offenbar kein Interesse mehr habe, an den restlichen Tagen noch für die beklagte Partei zu arbeiten. Der Brief kam von der Post mit dem Vermerk zurück, daß der Kläger in die DDR abgereist sei. Dr. KR*** sandte daraufhin das Schreiben am 6. April 1983 an die Adresse des Klägers in Balingen (BRD), wo es dem Kläger am 9. April 1983 zuging.
Am 31. März 1983 langte bei der beklagten Partei ein mit 25. März 1983 datiertes Schreiben des Klägers mit einer Dienstunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes in Balingen für die Zeit vom 24. März bis 31. März 1983 ein. Der Kläger hat am 1. April 1983 seinen Dienst nicht wieder angetreten. Von der erwähnten ärztlichen Bescheinigung abgesehen, war sein erstes Lebenszeichen seit dem Antritt des Urlaubes am 21. März 1983 ein Schreiben vom 21. April 1983, in welchem er auf die übersendung der Dienstunfähigkeitsbescheinigung sowie darauf verwies, daß er am 5. Apri 1983 in Linz seinen Dienst wieder habe aufnehmen wollen, jedoch freigestellt worden sei; er sehe daher keine Dienstverletzung und noch weniger einen Grund zur Entlassung.
Dem Kläger wurde von der beklagten Partei auf der Basis eines vorzeitigen Austrittes am 21. März 1983 abgerechnet. Rechtlich meinte das Erstgericht, daß der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit ausreichend bescheinigt und daher bis zum 31. März 1983 Anspruch auf das vereinbarte Entgelt habe; seine noch offene Forderung an Gehalt (einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen) und Urlaubsentschädigung belaufe sich auf S 15.944,73. Die übrigen Ansprüche des Klägers bestünden dagegen nicht zu Recht, weil die Erklärungen sowohl des unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers als auch des übergeordneten Direktors über die Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses über den 31. März 1983 hinaus als 'weitere Nachricht' im Sinne der Vereinbarung vom Oktober 1982 anzusehen seien. Das Arbeitsverhältnis des Klägers habe infolgedessen spätestens mit Ablauf des 31. März 1983 geendet. Das Urteil des Erstgerichtes wurde vom Kläger fristgerecht mit Berufung angefochten. In der Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung am 10. Oktober 1984 brachte der Kläger ergänzend vor, es sei bei der beklagten Partei bisher unüblich gewesen, daß Vorgesetzte wie Dipl.Ing. C oder Dipl.Ing. D rechtsverbindliche Erklärungen über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen abgegeben hätten. Die beklagte Partei erwiderte, daß auch bei der Einstellung des Klägers die entscheidenden Gespräche nicht von der Personalabteilung, sondern von Dipl.Ing. C und Dipl.Ing. D geführt worden seien; der Personalabteilung obliege nur die technische Abwicklung der Begründung oder Auflösung von Arbeitsverhältnissen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Tatsachenfeststellungen wie das Prozeßgericht erster Instanz. Ergänzend nahm es noch folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Sowohl für Dipl.Ing. C als auch für Dipl.Ing. D war nach ihren Gesprächen mit dem Kläger über die Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses klar, daß damit die endgültige Entscheidung bereits gefallen war. Beide brachten dies dem Kläger gegenüber auch unmißverständlich zum Ausdruck; insbesondere Dipl.Ing. D betonte in einigen weiteren Gesprächen mit dem Kläger, daß es keine Möglichkeit gebe, von dieser Entscheidung abzugehen. Die materielle Entscheidungskompetenz in Personalsachen liegt bei den Vorgesetzten der einzelnen Fachabteilungen. Die Personalverwaltung führt diese Entscheidungen formell durch, wobei die Erklärungen der Vorgesetzten im zuständigen Fachbereich als rechtsverbindlich behandelt werden. Auf dieser Tatsachengrundlage hielt das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts durch das Erstgericht für unbedenklich. Ob der Kläger mit einer Mitteilung der Personalverwaltung, welche tatsächlich nur formalen Charakter habe, gerechnet habe, sei bedeutungslos, weil die Verbindlichkeit der Erklärungen seiner Vorgesetzten nicht davon abhänge, ob der Kläger darauf vertraut habe.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach vom Kläger mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO bekämpft. Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Verhandlung und Entscheidung über seine Berufung aufzutragen, hilfsweise die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß seinem Zahlungsbegehren vollinhaltlich stattgegeben werde.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Ablehnung einer Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht, weil dieses den rechtlich erheblichen Sachverhalt als ausreichend geklärt und vollständig erhoben ansieht, kann auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht mit Revision bekämpft werden (Arb. 7588, 8588 ua). Eine neuerliche Ladung des Klägers zur Parteienvernehmung war schon deshalb entbehrlich, weil der derzeitige Aufenthaltsort des Klägers auch seinem Vertreter nicht bekannt ist und nach dessen Angaben seit November 1983 weder mit dem Kläger selbst noch mit dessen Mutter Kontakt aufgenommen werden konnte.
Auch die Rechtsrüge der Revision ist nicht begründet. Nach den ergänzenden Feststellungen des angefochtenen Urteils liegt die materielle Entscheidungskompetenz in Personalsachen im Unternehmen der beklagten Partei nicht bei der - zur formellen Durchführung solcher Entscheidungen berufenen - Personalabteilung, sondern bei den Vorgesetzten der einzelnen Fachabteilungen. Daß diese den Arbeitnehmern gegenüber verbindliche Erklärungen über die Fortsetzung oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen abgeben, ist entgegen den Behauptungen des Klägers keineswegs unüblich. Die gegenüber dem Kläger abgegebenen - und von der beklagten Partei im vollen Umfang gedeckten - unmißverständlichen Erklärungen der Zeugen Dipl.Ing. C und Dipl.Ing. D, wonach das befristete Arbeitsverhältnis keinesfalls über den 31. März 1984 hinaus verlängert werde, sondern mit diesem Tag sein Ende finde, konnten daher vom Kläger nicht als bloße 'Ankündigungen' angesehen werden, die noch einer schriftlichen Bestätigung durch die Personalabteilung bedurften. Sie waren vielmehr unter den gegebenen Umständen auch für den Kläger zweifelsfrei als 'weitere Nachricht' im Sinne des Schreibens vom 21. Oktober 1982 erkennbar, mit welcher die beklagte Partei eine Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses endgültig ausgeschlossen hatte. Aus dem von Dipl.Ing. D am 22. März 1983 an die Personalabteilung der beklagten Partei gerichteten, dem Kläger vorerst gar nicht zur Kenntnis gelangten Schreiben ist für die gegenteilige Auffassung der Revision deshalb nichts zu gewinnen, weil auch nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes die von den Vorgesetzten der einzelnen Fachabteilungen getroffenen Personalentscheidungen formell von der Personalverwaltung der beklagten Partei durchgeführt werden. Diese interne Zuständigkeitsregelung kann aber nichts daran ändern, daß dem Kläger gegenüber schon durch die Erklärungen der Zeugen Dipgl.Ing. C und Dipl.Ing. D mit Rechtsverbindlichkeit für die beklagte Partei die Ablehnung einer Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses über den 31. März 1983
hinaus ausgesprochen worden war.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E06137European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00022.85.0709.000Dokumentnummer
JJT_19850709_OGH0002_0040OB00022_8500000_000